Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.417/2007
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6B_417/2007 /hum

Urteil vom 7. Dezember 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Briw.

X. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Kurt Mäder,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Gregor Benisowitsch,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Kostenauflage an die Geschädigte,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, I. Strafkammer, vom 19. April 2007 (SB070058/U/jv).

Sachverhalt:

A.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich hiess mit Verfügung vom
10. März 2006 einen Rekurs der Geschädigten X.________ gegen zwei
Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl in einer
Strafuntersuchung gegen A.________ teilweise gut. In der Folge erhob die
Staatsanwaltschaft Anklage wegen Drohung, mehrfach versuchter
Körperverletzung und Tätlichkeiten.

Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich fand A.________ am 7.
September 2006 nicht schuldig und sprach ihn frei. Er trat auf die
Zivilforderungen der Geschädigten nicht ein und nahm sämtliche Kosten auf die
Gerichtskasse. Er sprach A.________ wegen ungerechtfertigter Haft eine
Genugtuung von Fr. 13'900.-- zu und wies dessen Entschädigungsbegehren ab.

Auf Berufung der Geschädigten hin erkannte das Obergericht des Kantons Zürich
am 19. April 2007:
1.Der Angeklagte A.________ wird vollumfänglich freigesprochen.

2. Auf die Schadenersatz- und Genutuungsforderung der Geschädigten wird nicht
eingetreten.

3. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 3 und 4) wird bestätigt.

4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr.  2'000.--; die weiteren Kosten betragen:
Fr.    150.--   Vorladungsgebühren
Fr.      16.--   Telefon
Fr.      35.--   Fotokopien
Fr. 3'905.95  amtliche Verteidigung
Fr. 4'653.05  unentgeltliche Geschädigtenvertretung.

5. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der
amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, werden
der Geschädigten auferlegt.

6. Dem Angeklagten wird eine Genugtuung von Fr. 13'900.-- aus der
Gerichtskasse zugesprochen. Das weitere Schadenersatzbegehren wird
abgewiesen.

B.
X. ________ erhebt "Beschwerde in Strafsachen bzw. subsidiäre
Verfassungsbeschwerde" mit dem Antrag, Ziff. 5 und 6 des obergerichtlichen
Urteilsdispositivs aufzuheben und ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerdeführerin bezeichnet ihre Eingabe als "Beschwerde bzw.
subsidiäre Verfassungsbeschwerde". Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist
grundsätzlich gegeben, soweit keine ordentliche Beschwerde zulässig ist (Art.
113 BGG).

1.1 Die Beschwerde in Strafsachen steht gegen "Entscheide in Strafsachen"
offen. Dieser Begriff umfasst sämtliche Entscheide, denen materielles
Strafrecht oder Strafprozessrecht zugrunde liegt (Botschaft zur Totalrevision
der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 4313). Angefochten ist
ein Strafurteil, in dem die Beschwerdeführerin als Strafantragstellerin und
Geschädigte Partei war. Nach dem Konzept der Einheitsbeschwerde soll der
Rechtsmittelweg an das Bundesgericht vom Rechtsgebiet abhängen, auf welches
die Streitsache letztlich zurückgeht (Botschaft a.a.O., S. 4235). Damit ist
die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG das zutreffende
Rechtsmittel. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist ausgeschlossen (vgl.
Urteil 6B_130/2007 vom 11. Okt. 2007, E. 1.1).
1.2 Hinsichtlich ihrer Legitimation zur Anfechtung von Ziff. 6 des
angefochtenen Urteilsdispositivs führt die Beschwerdeführerin aus, wenn ein
Täter nicht nur freigesprochen, sondern noch fürstlich dafür belohnt werde,
dass er ein Opfer über längere Zeit malträtiert habe, werde dieses gedemütigt
und in seiner Würde erheblich verletzt; damit sei die Aktivlegitimation
gegeben. Das ist zu verneinen. Soweit es nicht um das Strafantragsrecht als
solches geht (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG), ist die Geschädigte
grundsätzlich nur als Opfer im Sinne von Art. 2 OHG zur Beschwerde
legitimiert, "wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner
Zivilansprüche auswirken kann" (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG;
ausführlich BGE 133 IV 228). Auch die beispielhaft in Art. 81 Abs. 1 lit. b
BGG als beschwerdeberechtigt aufgeführten Personen haben im Einzelfall ein
Rechtsschutzinteresse nachzuweisen (BGE 133 IV 121 E. 1.1). Die Zusprechung
einer Genugtuung für ungerechtfertigte Haft an den freigesprochenen
Beschwerdegegner betrifft nicht die rechtlich geschützten Interessen der
Beschwerdeführerin.

Die Legitimation zur beantragten Aufhebung des abgewiesenen
Schadenersatzbegehrens (Ziff. 6 des Dispositivs) kann offen bleiben, weil
darauf bereits mangels Begründung nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2
i.V.m. Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).

1.3 Die Beschwerdeführerin ist zur Anfechtung der Kostenauflage in Ziff. 5
des Dispositivs berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG).

2.
§ 396a des Gesetzes betreffend den Strafprozess (StPO/ZH) regelt Kosten und
Entschädigung im Rechtsmittelverfahren wie folgt:

Die Auflage der Kosten und die Zusprechung einer Entschädigung erfolgen in
der Regel im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der
Verfahrensbeteiligten. Von dieser Regel kann in begründeten Fällen abgewichen
werden, namentlich wenn sich eine Partei in guten Treuen zu ihren Anträgen
veranlasst sah.

2.1 Die Vorinstanz hält zur Kostenauflage fest: Weil die Beschwerdeführerin
im Berufungsverfahren mit ihren Anträgen vollumfänglich unterliege, seien ihr
die Kosten für dieses Verfahren, inklusive diejenigen der amtlichen
Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung, vollumfänglich
aufzuerlegen (§ 396a StPO/ZH).

2.2 Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, § 396a StPO/ZH
willkürlich angewendet zu haben. Sie verweist dazu auf Entscheide des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich (ZR 100/2001 Nr. 62, ZR 101/2002 Nr.
22, ZR 105/2006 Nr. 48) sowie des Bundesgerichts (Urteil 1P.619/2006 vom 11.
Dezember 2006) und macht geltend, die Vorinstanz begründe den Kostenspruch
auch nicht ansatzweise und verletze mit der Verweisung auf den gesetzlichen
Regelfall den Gehörsanspruch gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Auch für das
Berufungsverfahren sei die unentgeltliche Prozessführung gemäss § 10 Abs. 5
StPO/ZH in Verbindung mit § 84 ff. ZPO/ZH gewährt worden. Die unentgeltliche
Prozessverbeiständung impliziere auch die unentgeltliche Prozessführung. Die
Appellation sei daher "quasi mit offiziellem Segen aus guten Treuen" erfolgt.
Damit hätten im Sinne von § 84 ZPO/ZH in Verbindung mit § 10 Abs. 5 StPO/ZH
schon ganz grundsätzlich keine Kosten auferlegt werden dürfen. Ferner müssten
die Verhältnisse der Betroffenen berücksichtigt werden (§ 190a StPO/ZH). Die
Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung attestiere, dass das Verfahren
aus Sicht des Gerichts nicht aussichtslos sei. Darauf sei die Vorinstanz zu
behaften. Das müsse zur Abweichung von der Regel gemäss § 396a StPO/ZH
führen. Die Kostenauflage sei ein rechtswidriger Akt widersprüchlichen
Verhaltens.

2.3 § 396a Satz 1 StPO/ZH hält zunächst den allgemeinen Grundsatz des
schweizerischen Strafprozessrechts zur Kostentragung fest. Von dieser Regel
kann gemäss Satz 2 dieser Bestimmung "in begründeten Fällen" abgewichen
werden.

2.3.1 Ausgangspunkt für die Einfügung dieser Bestimmung in die StPO/ZH war
die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Kostenauflage an Geschädigte
(vgl. ZR 96/1997 Nr. 23; ZR 97/1998 Nr. 48). Im Gesetzgebungsverfahren ergab
sich dann auch der Gesichtspunkt, es dem Gericht zu ermöglichen, von der
starren Kostenverteilung nach Obsiegen und Unterliegen abzuweichen, um
besonderen Gegebenheiten gerecht zu werden. Das Kassationsgericht des Kantons
Zürich kam deshalb in ZR 100/2001 Nr. 62 zum Ergebnis, dass die Kosten dem
erstinstanzlich Verurteilten auch auferlegt werden können, wenn der
angefochtene Entscheid lediglich im Rahmen des Ermessens zu seinen Gunsten
abgeändert wird, so dass ihm im Ergebnis die Kosten trotz Obsiegens auferlegt
werden können.

In ZR 101/2002 Nr. 22 stellte das Kassationsgericht fest, dass sich aus dem
Gesetzgebungsverfahren nicht ergebe, wann begründete Fälle vorlägen oder bei
welchen Sachverhalten von in guten Treuen gestellten Rechtsmittelanträgen
auszugehen sei. In der Sache entschied es, dass der Geschädigten wegen einer
aus berechtigtem Anlass und damit in guten Treuen erhobenen und vor dem
Entstehen von Kosten zurückgezogenen Berufung keine Kosten auferlegt werden
können. Die Geschädigte hatte nämlich zur Wahrung ihrer Rechte in Unkenntnis
der Urteilsgründe Berufung erheben müssen.

In ZR 105/2006 Nr. 48 ging das Kassationsgericht davon aus, dass der gut
13-jährige Beschwerdeführer nicht über genügend (eigene) finanzielle Mittel
verfügte, um die Kosten des Kassationsverfahrens zu bestreiten, und dass die
Kostenauflage sich nachteilig auf seine Weiterentwicklung auswirken würde,
weshalb von Kosten für das Kassationsverfahren abzusehen und die nach der
Regel von § 396a Satz 1 StPO/ZH aufzuerlegenden Verfahrenskosten gestützt auf
§ 388 Abs. 1 StPO/ZH sofort definitiv abzuschreiben seien. Es führte zudem
aus, § 388 Abs. 1 StPO/ZH nehme den im Erwachsenenstafrecht in den §§ 190a
und 42 Abs. 3 StPO/ZH zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken auch für das
Jugendstrafverfahren auf: Deren Sinn und Zweck bestehe darin, dass eine
Partei, von der die auferlegten Kosten in nächster Zeit offensichtlich nicht
erhältlich sind, durch Kostenerhebung nicht in zusätzliche Not gerät oder
ihre Resozialisierung durch die Kostenpflicht nicht gefährdet wird; ferner
sollen den mit dem Inkasso betrauten Behörden sinnlose Umtriebe erspart
bleiben. Somit wurde der Verzicht auf die Kostenauferlegung an den
mittellosen Jugendlichen auf § 388 StPO/ZH (der die Kosten im Verfahren gegen
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 20. Altersjahr regelt)
gestützt. Besondere Umstände im Sinne von § 396a Satz 2 StPO/ZH waren für das
Kassationsgericht nicht ersichtlich.

2.3.2 Das Bundesgericht setzte sich im Urteil 1P.619/2006 mit dieser
Rechtsprechung auseinander. Dem Urteil lag zu Grunde, dass das Zürcher
Bezirksgericht den Angeklagten vom Vorwurf einer einfachen Körperverletzung
freigesprochen hatte und auf die Schadenersatzforderungen des geschädigten
Jugendlichen nicht eingetreten war. Die Verfahrenskosten wurden auf die
Gerichtskasse genommen. Auf Berufung des Geschädigten bestätigte das
Obergericht des Kantons Zürich den Freispruch und den erstinstanzlichen
Kostenentscheid. Dem Geschädigten wurden die Kosten des Berufungsverfahrens
(Fr. 4'768.--) und eine Prozessentschädigung an den Angeklagten
(Fr. 2'700.--) auferlegt. Das Obergericht führte aus, dass aufgrund des
überzeugend begründeten Freispruchs und der Aktenlage dem anwaltlich
vertretenen Geschädigten nicht zugebilligt werden könne, in guten Treuen
Berufung erklärt und daran festgehalten zu haben. Es bestehe auch keine
Veranlassung, die entstandenen Kosten abzuschreiben. Vor Bundesgericht berief
sich der im Zeitpunkt der Berufung 13-jährige Geschädigte insbesondere auf
die §§ 388 und 396a StPO/ZH. Das Bundesgericht stellte fest, dass das
Kindesalter des Geschädigten nicht berücksichtigt worden war, der Jugendliche
und seine Mutter auf Sozialhilfe angewiesen waren und der Knabe nicht
freiwillig in das Verfahren hineingeraten war. Es wies die Sache an das
Obergericht zurück, damit es die kantonale Rechtsprechung zu § 388 Abs. 1
StPO/ZH berücksichtige.

2.3.3 Somit wurde § 396a Satz 2 StPO/ZH nur in der Konstellation ZR 101/2002
Nr. 22 (sowie einem ebendort E. 2.6 erwähnten Beschluss) angewendet. ZR
105/2006 Nr. 48 sowie Urteil 1P.619/2006 ergingen aufgrund des jugendlichen
Alters gestützt auf § 388 StPO/ZH. Im erwähnten Urteil führte das
Bundesgericht im Übrigen aus, dass die Anwendung von § 396a Satz 1 StPO/ZH
auf den beurteilten Fall nicht willkürlich war, sondern der vergleichbaren
Vorschrift von Art. 159 Abs. 3 OG entsprach (Urteil a.a.O., E. 2.4). Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 159 Abs. 3 OG gilt ein
Rechtsmittel als "in guten Treuen" eingelegt, wenn besondere prozessuale
Umstände zum Ergreifen des Rechtsmittels Anlass geben, wie grundlegende und
komplexe Rechtsfragen (BGE 126 II 145 E. 5b [Spring]), die Verletzung der
Begründungspflicht oder ein Unterliegen allein gestützt auf eine
substituierte Begründung (Urteil a.a.O., E. 2.3). Solche besondere
prozessuale Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Damit ist eine
willkürliche Anwendung von § 396a StPO/ZH zu verneinen.

2.4 Die Beschwerdeführerin bringt vor, infolge Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege habe sie in guten Treuen Berufung erheben dürfen.

2.4.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ergibt sich, soweit das
kantonale Recht keine weitergehenden Ansprüche gewährt, als Minimalgarantie
aus Art. 29 Abs. 3 BV. Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jede Person, die
nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es
zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf
unentgeltlichen Rechtsbeistand. Mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege soll verhindert werden, dass bedürftigen
Rechtssuchenden der Zugang zu Gerichts- und Verwaltungsinstanzen in nicht zum
Vornherein aussichtslosen Verfahren wegen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse
verwehrt oder erschwert wird. Dieses Recht gewährleistet der bedürftigen
Person, dass die entsprechende Gerichts- oder Verwaltungsinstanz ohne
vorherige Hinterlegung oder Sicherstellung von Kosten tätig wird, nicht
jedoch eine definitive Übernahme der Kosten durch den Staat (vgl. auch Art.
64 Abs. 4 BGG). Die Verfahrenskosten dürfen bei der im Verfahren unterlegenen
Partei erhoben und eingefordert werden, sobald sich deren finanziellen
Verhältnisse wieder verbessert haben (Urteil 1P.411/2002 vom 6. Nov. 2002 E.
3.2 und 5.3, mit Hinweisen).

Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV wird vom Beschwerdeführer nicht geltend
gemacht, so dass die Sache unter diesem Gesichtspunkt nicht zu prüfen ist
(Art. 106 Abs. 2 BGG).

2.4.2 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in
erster Linie durch das kantonalen Recht geregelt (BGE 128 I 225 E. 2.3; 120
Ia 14 E. 3a). Die Bestellung des unentgeltlichen Rechtsbeistands für die
Geschädigte zur Durchsetzung der Zivilansprüche richtet sich nach § 10 Abs. 5
StPO/ZH. Sie setzt grundsätzlich voraus, dass das angestrebte Verfahrensziel
nicht aussichtslos erscheint. Im Untersuchungsverfahren besteht ein Anspruch
allerdings schon im Hinblick auf die effektive Wahrnehmung der
Mitwirkungsrechte. Die Bestellung gilt wie beim amtlichen Verteidiger
grundsätzlich für die gesamte Dauer des kantonalen Verfahrens
(Lieber/Donatsch, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des
Kantons Zürich, August 2006, § 10 N. 26, 34). Es ist nicht erforderlich, bei
einer Änderung der innerkantonalen örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit
während des Verfahrens die Bestätigung oder Neubestellung zu beantragen
(Lieber/Donatsch, a.a.O., § 13 N. 9).

Im Rechtsmittelverfahren können die Kosten (und damit auch diejenigen der
unentgeltlichen Verbeiständung) nach Massgabe von § 396a StPO/ZH der
Geschädigten auferlegt werden, wobei ihren finanziellen und persönlichen
Verhältnissen im Rahmen von § 190a StPO/ZH Rechnung zu tragen ist
(Lieber/Donatsch, a.a.O., § 10 N. 37).

Das Zürcher Recht unterscheidet zwar die unentgeltliche Prozessführung von
der unentgeltlichen Rechtsvertretung (§§ 84 und 87 ZPO/ZH). Die Verknüpfung
von § 10 Abs. 5 StPO/ZH mit §§ 84 ff. ZPO/ZH besteht aber - anders als in §
10 Abs. 4 aStPO/ZH - heute nicht mehr (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur
zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, § 87 N. 12).

2.4.3 Der heutige Geschädigtenvertreter übernahm das Mandat nach der
obergerichtlichen Hauptverhandlung und vertritt die Geschädigte seit dem 11.
Mai 2007 (Rubrum des angefochtenen Urteils). Er stellte am 9. Mai 2007 beim
Obergericht das Gesuch, ihn zum unentgeltlichen Rechtsbeistand zu ernennen.
Dieses wies ihn mit Schreiben vom 11. Mai 2007 darauf hin, dass das kantonale
Verfahren abgeschlossen sei und für das bundesrechtliche
Rechtsmittelverfahren das Bundesgericht zuständig sei (kantonale Akten
Obergericht, act. 83 und 84). Das angefochtene Urteil enthält im Rubrum den
Eintrag, dass die "Geschädigte und Appellantin unentgeltlich vertreten" ist
(durch den früheren Rechtsanwalt; ebenso in Ziff. 5 des Dispositivs). Bereits
Ziff. 4 des bezirksgerichtlichen Urteilsdispositivs vom 7. September 2006
erwähnte die unentgeltliche Geschädigtenvertretung.

Im Untersuchungsverfahren hatte das Bezirksgericht Zürich den heutigen
Rechtsvertreter mit Verfügung vom 15. November 2004 rückwirkend auf den 7.
Oktober 2004 als unentgeltlichen Rechtsbeistand der Geschädigten im Sinne von
§ 10 Abs. 5 StPO/ZH bestellt (act. 19/13). Mit Präsidialverfügung vom 26.
August 2005 wurde rückwirkend ab dem 25. August 2005 im Sinne von § 10 Abs. 5
StPO/ZH ein neuer unentgeltlicher Rechtsbeistand ernannt (act. 20/4). Dieser
Rechtsanwalt vertrat die Geschädigte auch im Appellationsverfahren. Demnach
war die Beschwerdeführerin im gesamten kantonalen Verfahren unentgeltlich
verbeiständet.
Somit ergibt sich, dass die unentgeltliche Verbeiständung nicht eigens für
das Appellationsverfahren bewilligt worden war und dass sich das Obergericht
zu den Erfolgsaussichten der Appellation nicht geäussert hatte. Es kann daher
entgegen der Beschwerdeführerin keine Rede davon sein, dass ihr das "Attest"
ausgestellt worden wäre, dass das "Verfahren aus Sicht des zuständigen
Gerichts nicht aussichtslos ist" oder dass die "Appellation durch die
Geschädigte quasi mit offiziellem Segen aus guten Treuen" erfolgt wäre oder
dass die Vorinstanz mit der Kostenauflage "einen rechtswidrigen Akt
widersprüchlichen Verhaltens" gesetzt hätte. Der unentgeltliche
Rechtsbeistand war in den Jahren 2004 und 2005 gewährt worden. Zum Erfolg
einer Appellation im Jahre 2007 hatte sich keine Behörde geäussert. Daher
konnte sich die Beschwerdeführerin durch die Gewährung des unentgeltlichen
Rechtsbeistands im Untersuchungsverfahren auch nicht im Sinne von § 396a Satz
2 StPO/ZH in guten Treuen zur Appellation "veranlasst" gesehen haben.

2.4.4 Wie das Kassationsgericht ausführt, kennt die zürcherische
Strafprozessordnung das Institut der unentgeltlichen Prozessführung an sich
nicht. Dies bedeutet nicht, dass der unterlegene Angeklagte die ihm
auferlegten Kosten immer bezahlen muss. § 190a StPO/ZH legt fest, dass bei
Bemessung, Auflage und Bezug der Kosten den Verhältnissen des Betroffenen
Rechnung zu tragen ist, wobei mit dem Betroffenen zwar zunächst der
Angeklagte gemeint ist (ZR 103/2004 Nr. 56 E. 2.3.5), jedoch diese Bestimmung
auch auf die Geschädigte Anwendung findet (oben E. 2.4.2). Sinn und Zweck
dieser Norm bestehen darin, dass Parteien, von denen die auferlegten Kosten
in nächster Zeit offensichtlich nicht erhältlich sind, durch die
Kostenerhebung nicht in zusätzliche Not geraten und den Behörden sinnlose
Umtriebe erspart werden (ZR a.a.O. sowie ZR 105/2006 Nr. 48, zit. oben
E. 2.3.1). Es ist aufgrund dieser kantonalen Rechtsprechung anzunehmen, dass
§ 190a StPO/ZH auch im Fall der Kostenauferlegung an die Geschädigte gemäss §
396a Satz 1 StPO/ZH zu berücksichtigen ist. Obwohl § 190a StPO/ZH - anders
als Art. 29 Abs. 3 BV - nicht darauf ausgelegt ist, die Ergreifung von
Rechtsmitteln zu erleichtern, sondern die Verhältnisse nach dem Prozess zu
regeln, wird die unentgeltliche Prozessführung dennoch regelmässig (auch)
nach dieser Bestimmung beurteilt (ZR 103/2004 Nr. 56 E. 2.3.5).

§ 190a StPO/ZH gewährt somit keinen Anspruch auf Kostenerlass und sieht auch
nicht zwingend vor, dass bereits bei Festsetzung und Auflage der Kosten auf
die persönlichen Umstände der Betroffenen Rücksicht genommen wird (Schmid,
in: Donatsch/Schmid, a.a.O., Dez. 1997, § 190a N. 1 und 9). Vielmehr kann
dieser Entscheid auch erst beim Bezug der Kosten getroffen werden. § 396a
StPO/ZH ermöglicht die Auflage der amtlichen Verteidigungskosten an die
Geschädigte, weil es sich dabei um Gerichtskosten handelt (ZR 101/2002 E.
2.9b). Die Auferlegung der Kosten an die im Appellationsverfahren unterlegene
Bedürftige im Sinne von § 190a StPO/ZH erweist sich daher nicht als
willkürlich (vgl. Urteil 1P.411/2002 vom 6. Nov. 2002 E. 5.4, wo allerdings
die unentgeltliche Verbeiständung nicht bewilligt worden war). Eine
unentgeltliche Prozessführung, die im Zürcher Strafverfahren im Prinzip nicht
bekannt ist, kommt demnach nur in Form des Erlasses von Prozesskautionen und
Kostenvorschüssen in Frage, nicht aber als definitve Befreiung von der
Kostentragung (Schmid, Strafprozessrecht, 4. Auflage, Zürich 2004, N. 876).
Auch bei der amtlichen Verteidigung (§ 12 Abs. 2 StPO/ZH) entscheidet sich
die definitive Kostentragung gemäss § 190a StPO/ZH allenfalls erst beim
Kostenbezug (Lieber/Donatsch, a.a.O., § 12 N. 20). § 43 Abs. 2 StPO/ZH
schliesslich betrifft die Entschädigung für das Untersuchungs- und nicht das
Appellationsverfahren. Es ergibt sich somit keine willkürliche Anwendung des
gerügten kantonalen Strafprozessrechts.

2.4.5 Wie oben in E. 2.3.2 dargestellt, betraf das Urteil 1P.619/2006 einen
Kostenerlass nach § 388 Abs. 1 StPO/ZH, der im Unterschied zu Art. 29 Abs. 3
BV grundsätzlich nicht voraussetzt, dass das fragliche Verfahren nicht
aussichtslos ist (E. 2.5 und 2.6). Diese Rechtsprechung ist hier nicht
anwendbar. Entgegen der Beschwerde (S. 4 Ziff. 5) konnte die Vorinstanz daher
auch auf die Erfolgschancen abstellen. Denn für die Ergreifung offensichtlich
aussichtsloser Rechtsmittel hat die Geschädigte nach dem kantonalen
Strafprozessrecht keinen Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands (Lieber/Donatsch, a.a.O., § 10 N. 26). Auch der
verfassungsrechtliche Anspruch der Geschädigten auf unentgeltliche
Rechtspflege setzt die Nichtaussichtslosigkeit der verfolgten Rechtsansprüche
voraus (oben E. 2.4.1; BGE 123 I 145 E. 2b/bb; 129 I 129 E. 2.3.1). Die
kantonalrechtlichen Voraussetzungen der Aussichtslosigkeit entsprechen diesen
verfassungsrechtlichen (vgl. Lieber/Donatsch, a.a.O., § 10 N. 22; Schmid,
Strafprozessrecht, a.a.O., N. 520 FN. 171 mit Verweisung auf BGE 129 I 129 E.
2.3.1). Die Kostenauflage erschiene auch in dieser Betrachtungsweise nicht
als willkürlich.

2.5 Weil der unentgeltliche Rechtsbeistand im Zürcher Strafprozessrecht die
unentgeltliche Prozessführung nicht garantiert und diese auch nicht gewährt
worden war, genügte die Verweisung auf den Regelfall von § 396a StPO/ZH bei
anwaltlicher Vertretung den Begründungsanforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV
(vgl. BGE 126 I 97 E. 2b), auch wenn eine nähere Begründung sinnvoll gewesen
wäre. Nur zur ausführlicheren Begründung wird eine Sache aber nicht
zurückgewiesen.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) kann gutgeheissen
werden, soweit das Rechtsbegehren nicht wegen fehlender Legitimation
aussichtslos war (BGE 131 II 306 E. 5.2.2). Angesichts der finanziellen Lage
der Beschwerdeführerin ist auf die Erhebung von Kosten für das
bundesgerichtliche Verfahren zu verzichten (Art. 65 Abs. 2 BGG). Dem
Rechtsvertreter ist eine herabgesetzte Entschädigung auszurichten (Art. 64
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird teilweise gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Kurt Mäder, wird aus
der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. Dezember 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: