Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.390/2007
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6B_390/2007 /rom

Urteil vom 27. Oktober 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Serge Flury,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel.

Gefährdung der LSVA,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 19. März 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ fuhr am 15. September 2005 um 11.16 Uhr mit dem Sattelschlepper
LU aaaaa.________ und dem 34-Tonnen-Auflieger LU bbbbb.________ auf deutschem
Boden in die Grenzbake des Zollamtes Basel/Weil Autobahn ein. Im
Erfassungsgerät "Tripon" war zu diesem Zeitpunkt der 22-Tonnen-Auflieger LU
cccccc.________ deklariert. Drei Minuten nach Durchquerung der Grenzbake,
jedoch vor Durchquerung der schweizerischen Grenze, korrigierte X.________
die Anhängerdeklaration.

B.
Mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten vom 10. November 2006 wurde
X.________ der Übertretung des Bundesgesetztes über eine leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe (Schwerverkehrsabgabegesetz, nachfolgend SVAG, SR
641.81) schuldig erklärt und zu einer Busse von Fr. 100.--, eventuell
umwandelbar in Haft, verurteilt. Die von X.________ dagegen erhobene
Beschwerde wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil
vom 19. März 2007 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt sei aufzuheben, und er sei von
Schuld und Strafe freizusprechen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

3.
Der Beschwerdeführer macht die Verletzung von Bundesrecht geltend. Zunächst
rügt er die Auffassung des Appellationsgerichts, wonach die Bestimmungen des
Schwerverkehrsabgabegesetzes auch auf der auf deutschem Hoheitsgebiet
liegenden Zollabfertigung Anwendung finden.

3.1 In der Zone gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des
Nachbarstaates, die sich auf die Grenzabfertigung beziehen, wie in der
Gemeinde des Nachbarstaates, der die Grenzabfertigungsstelle zugeordnet ist
(Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland vom 1. Juni 1961 über
die Errichtung nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen und die
Grenzabfertigung in Verkehrsmitteln während der Fahrt [SR 0.631.252.913.690,
nachfolgend Abkommen]). In Art. 2 Ziff. 1 des Abkommens wird als
"Grenzabfertigung" definiert "die Anwendung aller Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der beiden Staaten, die sich auf den Grenzübertritt
von Personen und die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren (worunter hier und im
folgenden auch Fahrzeuge verstanden werden) und anderen Vermögensgegenständen
beziehen." Zwar befindet sich der Grenzübergang auf deutschem Gebiet (Artikel
1 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
der Bundesrepublik Deutschland vom 16. April 1980 über die Errichtung
nebeneinanderliegender Grenzabfertigungsstellen am Grenzübergang Basel/Weil
am Rhein-Autobahn [SR 0.631.252.913.692.3, nachfolgend Vereinbarung]). Art. 2
der Vereinbarung umschreibt jedoch die Zone, in welcher die Schweiz zur
Vornahme der Grenzabfertigung berechtigt ist. Dazu gehört auch die
Einfahrtsbake, welche sich 1,5 km vor der Landesgrenze auf deutschem
Hoheitsgebiet befindet. Demnach gelangen im vorliegenden Fall die oben
erwähnten schweizerischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften grundsätzlich
zur Anwendung.

3.2 Das Appellationsgericht verweist auf Art. 2 Ziff. 1 des Abkommens,
welcher als "Grenzabfertigung" alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften
definiere, die sich auf den Grenzübertritt beziehen. Gemäss Art. 3 SVAG werde
die Schwerverkehrsabgabe auf im In- und Ausland immatrikulierten (in- und
ausländischen) schweren Motorfahrzeugen und Anhängern für den Güter- oder den
Personenverkehr erhoben. Die Zollverwaltung sei dabei nach Art. 5 lit. a der
Verordnung über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (nachfolgend
SVAV, SR 641.811) zur Erhebung der Abgabe für die in- und ausländischen
Fahrzeuge zuständig. Gemäss Art. 6 SVAV hätten die Fahrzeuge, die der Abgabe
unterliegen, die von der Zollverwaltung bezeichneten Grenzübergänge zu
benützen. Damit sei der Zusammenhang der Sicherung der Schwerverkehrsabgabe
mit der Benützung bestimmter Grenzübergänge vom Gesetz her klar geschaffen.
Nur auf diese Weise könne gewährleistet werden, dass die Abgaben von
Fahrzeugen, die das schweizerische öffentliche Strassennetz befahren, bezahlt
werden (angefochtenes Urteil Ziff. 3.3 S. 5).

3.3 Der Beschwerdeführer macht im Einzelnen geltend, dass gemäss Art. 2 Ziff.
1 des Abkommens der Begriff "Grenzabfertigung" nur die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften betreffen, die im engeren Sinne mit dem
Grenzübertritt von Waren und Personen zu tun hätten. Dies treffe auf die
Bestimmungen des Schwerverkehrsabgabegesetzes nicht zu. Deshalb würden im
Bereich des Zollamtes Basel/Weil Autobahn die Bestimmungen des SVAG nicht
Anwendung finden, womit er nicht die Pflicht habe, bereits im Bereich der
Zollabfertigungsstelle auf deutschem Boden im Sinne von Art. 17 Abs. 1 und
Art. 21 lit. a SVAV den Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren und das
Erfassungsgerät korrekt zu bedienen. Folglich könne er sich nicht der
Gefährdung der Abgabe gemäss Art. 20 Abs. 1 SVAG schuldig gemacht haben.

3.4 Fraglich ist, ob sich die Bestimmungen des Schwerverkehrsabgabegesetzes
"auf den Grenzübertritt von Personen und die Ein-, Aus- und Durchfuhr von
Waren und anderen Vermögensgegenständen beziehen". Die leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe (nachfolgend LSVA) betrifft den Güter- oder
Personentransport (Art. 3 SVAG). Wie das Appellationsgericht ausführt, ist
die Zollverwaltung für die Erhebung der LSVA und für die Bezeichnung der
Grenzübergänge zuständig (Art. 5 f. SVAV). Für inländische Fahrzeuge wird am
Zoll der Status-Wechsel Inland/Ausland und umgekehrt festgehalten. Für
ausländische Fahrzeuge beginnt die Abgabepflicht mit der Einfahrt ins
schweizerische Staatsgebiet und endet spätestens mit der Ausfahrt (Art. 12
Abs. 2 Satz 1 SVAG). Der Auffassung des Appellationsgerichts, wonach die
Grenze, bzw. der Grenzübertritt ein wesentlicher Faktor für die LSVA
darstellt, ist demgemäss zuzustimmen. Folglich finden die Bestimmungen des
Schwerverkehrsabgabegesetzes auch im Bereich des Zollamtes Anwendung, womit
sich die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet erweist.

4.
Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, die Abgabe werde nur für die
Benutzung der öffentlichen Strasse erhoben (Art. 2 SVAG). Gemäss Art. 1 SVAV
seien damit öffentliche Strassen nach Art. 1 Abs. 2 der
Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11) gemeint, also Schweizer Strassen.

4.1 Gemäss Art. 20 Abs. 1 SVAG wird wegen Gefährdung oder Hinterziehung der
Abgabe mit Busse bis zum Fünffachen der hinterzogenen oder gefährdeten Abgabe
oder des unrechtmässigen Vorteils bestraft, wer die Abgabe vorsätzlich
hinterzieht oder gefährdet, sich oder einer anderen Person sonst wie einen
unrechtmässigen Abgabevorteil verschafft oder die gesetzmässige Veranlagung
gefährdet, sowie wer ungerechtfertigt eine Vergünstigung oder Rückerstattung
erwirkt oder in einem Rückerstattungsgesuch unrichtige Angaben macht. Bei
fahrlässiger Begehung beträgt die Busse bis zum Dreifachen der hinterzogenen
oder gefährdeten Abgabe oder des unrechtmässigen Vorteils. Die Mindestbusse
beträgt 100 Franken. Art 17 Abs. 1 SVAV bestimmt, dass beim Mitführen eines
Anhängers der Fahrzeugführer alle erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät
deklarieren muss. Nach Art. 21 lit. a SVAV muss der Fahrzeugführer bei der
korrekten Ermittlung der Fahrleistung mitwirken und insbesondere das
Erfassungsgerät korrekt bedienen.

4.2 Gemäss den Feststellungen des Appellationsgerichts hat der
Beschwerdeführer aus Unachtsamkeit unterlassen, den mitgeführten Anhänger im
Erfassungsgerät "Tripon" richtig zu deklarieren. Damit habe er Art. 17 Abs. 1
und 3 SVAV verletzt und die Abgabgeerhebung gefährdet. Für die Erfüllung des
Gefährdungstatbestandes sei nicht erforderlich, dass infolge der Missachtung
der Deklarations- oder Mitwirkungspflicht konkret die Wahrscheinlichkeit oder
nahe Möglichkeit der Veranlagung zu einer zu niedrigen Abgabe entstehe. Das
Bundesgericht habe in BGE 133 IV 40 entschieden, dass in Fällen, in welchen
die Angaben im "Tripon" automatisch erfasst würden, der Fahrzeugführer es
aber unterlassen habe, den mitgeführten Anhänger zu deklarieren, der
Tatbestand der Abgabegefährdung erfüllt sei (angefochtenes Urteil Ziff. 3.2.
S. 4).

4.3 Der Beschwerdeführer stellt diese bundesgerichtliche Praxis zwar nicht in
Abrede, wendet aber ein, im BGE 133 IV 40 zugrunde liegenden Sachverhalt sei
der Fahrzeugführer auf Schweizerischen Strassen unterwegs gewesen. Er - der
Beschwerdeführer - habe im Gegensatz dazu keine öffentliche Strasse der
Schweiz befahren. Die Strecke nach der Einfahrsbake bis zur Einfahrt auf das
Schweizerische Hoheitsgebiet unterliege nicht der Abgabepflicht des
Schwerverkehrsabgabegesetzes. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass diese
Strecke von 1,5 km automatisch am "Tripon" abgezogen werde. Bestehe keine
Abgabepflicht, sei die Gefährdung der entsprechenden Abgabe bzw. die Erhebung
der Abgabe nicht möglich (Beschwerde Ziff. 2 S. 7). Der Beschwerdeführer
bringt weiter vor, dass selbst bei Anwendbarkeit der Bestimmungen des SVAG
das Appellationsgericht die Strafbarkeit gesetzeswidrig ausgedehnt hätte.
Sonst würde sich jeder, der von einer nicht öffentlichen Strasse auf eine
abgabepflichtige Strasse zufahre und kurz vor Befahren der abgabepflichtigen
Strasse auf die falsche Deklaration aufmerksam gemacht werde, der Gefährdung
der LSVA im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG strafbar machen. Wie beispielsweise
ein Chauffeur, der vor Einfahrt auf die öffentliche Strasse bemerke, dass er
sein Fahrzeug nicht richtig am "Tripon" deklariert hat und danach die
korrekte Deklarierung vornehme (Beschwerde Ziff. 3 S. 7 f.).
4.4 Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass nur die auf schweizerischem
Staatsgebiet zurückgelegte Distanz der LSVA unterliegt
(Territorialitätsprinzip, BBl 1996 V 521, 538). Die Abgabepflicht ist jedoch
zu unterscheiden von der Deklarationspflicht. Wie bereits erwähnt (vgl. E.
3.4 hiervor), finden die Bestimmungen des Schwerverkehrsabgabegesetzes auch
auf deutschem Zollgebiet Anwendung, so dass die Deklarationspflicht bereits
vor Durchfahrt der Schweizerischen Grenze verletzt werden kann. BGE 132 IV 40
hält fest, dass im Steuerstrafrecht die Verletzung von Mitwirkungs- und
Auskunftspflichten im Zusammenhang mit der Veranlagung und Erhebung von
Steuern und Abgaben eine Steuer- bzw. Abgabegefährdung sei. Es sei mithin
nicht erforderlich, dass infolge der Verletzung der Mitwirkungspflicht die
Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Veranlagung einer zu niedrigen
Steuer bzw. Abgabe bestehe. Die Pflicht des Fahrzeugführers, alle
erforderlichen Angaben betreffend einen mitgeführten Anhänger am
Erfassungsgerät zu deklarieren (Art. 17 Abs. 1 SVAV) sei in jedem Fall eine
Mitwirkungspflicht, deren Missachtung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die
Abgabe bzw. die gesetzmässige Veranlagung gefährde (BGE 132 IV 40 E. 2.2.2.
S. 46). Analog dem BGE 132 IV 40 zugrunde liegenden Fall hat der
Beschwerdeführer die Mitwirkungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 SVAV missachtet.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dabei irrelevant, ob die
richtige Deklaration vor oder nach Einfahrt auf die öffentliche Strasse
vorgenommen wird. Dies und der Umstand, dass der Beschwerdeführer die falsche
Deklaration eigenhändig korrigiert hat, vermag an der Verletzung der
Mitwirkungspflicht und der Gefährdung der Erhebung der Abgabe nichts zu
ändern. Das Appellationsgericht hat die Strafbarkeit des Tatbestandes somit
auch nicht gesetzeswidrig ausgedehnt.

5.
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Oktober 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: