Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.385/2007
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6B_385/2007 /hum

Urteil vom 9. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Harold Külling,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau.

Versuchte Vergewaltigung,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Strafgericht,

1. Kammer, vom 26. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Kulm verurteilte X.________ am 8. November 2005 wegen
versuchter Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB) und
Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu 18 Monaten Gefängnis bedingt und
einer Busse von 200 Franken, unter Anrechnug von einem Tag Untersuchungshaft.
Ausserdem verpflichtete es ihn, der Geschädigten A.________ Fr. 2'000.--
sowie die von der Krankenversicherung nicht gedeckten Kosten für 10 weitere
Psychotherapiestunden als Schadenersatz und Fr. 8'000.-- als Genugtuung zu
bezahlen. Es hielt insbesondere für erwiesen, dass er am 4. September 2003
versucht hatte, seine ehemalige Freundin zu vergewaltigen.

Auf Berufung X.________s hin passte das Obergericht des Kantons Aargau am 26.
April 2007 das erstinstanzliche Urteil dem zwischenzeitlich in Kraft
getretenen neuen Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches an und bestätigte die
Verurteilung des Beschwerdeführers in allen wesentlichen Punkten. Einzig die
Busse von 200 Franken liess es fallen, da im neuen Recht eine Bestimmung wie
der altrechtliche Art. 50 Abs. 2 StGB fehle, die bei wahlweiser Androhung von
Freiheitsstrafe und Geldstrafe die Kumulierung der beiden Strafarten
vorgesehen habe.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das obergerichtliche
Urteil insoweit aufzuheben, als er wegen versuchter Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe und zu Schadenersatz- und Genugtuungszahlungen an A.________
verurteilt worden sei.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in
Strafsachen, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78
Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist durch seine
Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit
befugt, sie zu erheben (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Art.
9 BV geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). In tatsächlicher
Hinsicht geht das Bundesgericht allerdings vom Sachverhalt aus, wie ihn die
Vorinstanz festgestellt hat, es sei denn, dieser erweise sich als
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Verletzung von Bundesrecht
(Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei
"willkürlich" (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338). Will der Beschwerdeführer eine
tatsächliche Feststellung der Vorinstanz angreifen, muss er nachweisen, dass
diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und
die Behebung des Mangels geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens zu
beeinflussen (Art. 97 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde, mit welcher
ausschliesslich willkürliche Beweiswürdigung gerügt wird, ist somit
einzutreten, wenn und soweit sie diesen Begründungsanforderungen genügt.

1.2 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

2.
2.1 Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht im Wesentlichen auf den
Aussagen der Geschädigten (zusammengefasst im angefochtenen Urteil E. 3.2).
Danach hatte sie mit diesem seit etwa September 2002 eine Liebesbeziehung,
die sie bereits ab Winter 2002/2003 habe beenden wollen. Sie habe im Februar
2003 letztmals intim mit ihm verkehrt und ihm im Mai klargemacht, dass die
Trennung definitiv sei. Der Beschwerdeführer habe ihr weiter SMS geschickt
und erfolglos versucht, sich mit ihr zu treffen. Ende Juni habe sie dann
einen anderen Mann kennengelernt. Der Beschwerdeführer habe vor den
Sommerferien per SMS angefragt, ob ein anderer Mann im Spiel sei. Sie habe
ihm telefonisch geantwortet, sie habe sich nicht wegen eines anderen Mannes
von ihm getrennt. Mit dem Beschwerdeführer habe sie nur noch einige Male
telefoniert und ihm einmal ihren Wagen ausgeliehen. Bei dieser Gelegenheit
habe sie ihm auf seine erneute Anfrage hin erklärt, es gehe ihn nichts mehr
an, ob sie einen Freund habe. Er habe sie dann per SMS aufgefordert, ihm zu
sagen, ob sie einen Freund habe. Sie habe ihn dann angerufen und ihm
mitgeteilt, sie habe einen Freund, der sie liebe. Er habe dies nicht geglaubt
und vermutet, dies sei nur ein Vorwand, ihn auf Distanz zu halten. Er habe
verlangt, dass sie ihm dies persönlich sage. Sie habe daraufhin eingewilligt,
dass er am 4. September 2003, um 13:00 Uhr, rasch bei ihr vorbeikommen könne.
Sie habe ihn im Garten empfangen und ihm in freundschaftlichem Ton
mitgeteilt, dass sie einen Freund habe und daher nichts mehr mit ihm zu tun
haben möchte. Er habe sie daraufhin gegen ihren Willen gepackt und ins
Wohnzimmer getragen; auf ihren Wunsch, sie loszulassen, habe er nicht
reagiert. Er habe sie auf den Wohnzimmerboden gelegt und ihr gesagt, er zeige
ihr jetzt, wer ihr Mann sei. Er habe sie dann geküsst und sich auf sie
gelegt. Sie habe versucht, ihn mit ihrer Hand und den Beinen wegzustossen. Er
habe ihre linke Hand blockiert. Sie habe ihn energisch aufgefordert, sofort
aufzuhören. Er habe ihren Jupe hochgezogen und seine Hose geöffnet. Er habe
eine Erektion gehabt. Sie habe gezappelt und versucht, ihn wegzustossen, bis
sie keine Kraft mehr gehabt habe. Plötzlich habe der Beschwerdeführer
ejakuliert. Sie könne nicht sagen, ob er in sie eingedrungen sei oder nicht,
im Nachhinein glaube sie, eher nicht.

2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet die Vorgeschichte und den äusseren Ablauf
seines Besuchs vom 4. September 2003 nicht, macht jedoch geltend, es habe
sich nicht um eine Vergewaltigung, sondern um einvernehmlichen
Geschlechtsverkehr gehandelt (Zusammenfassung seiner Aussagen im
angefochtenen Urteil E. 3.3). Die Geschädigte habe ihn am fraglichen
Nachmittag im Garten empfangen. Es habe sich ein Gespräch über ihre Beziehung
entwickelt. Sie hätten sich dann verbal aufgeheizt, er habe sie gefragt, ob
sie einen Freund habe, sie habe geantwortet, das tue nichts zur Sache. Er
habe dies mehrmals gefragt, da er das Gefühl gehabt habe, sie halte ihn auf
der Wärmeplatte. Sie hätten bereits während dieses Gesprächs geschmust. Er
habe sie dann auf seinen Armen in die Wohnung getragen. Sie habe sich nicht
gewehrt, aber gesagt: "Nein X.________, bitte nicht, es ist falsch, was wir
machen." Dies habe sie aber eigentlich immer gesagt, wenn sie zusammen
geschlafen hätten, und sie hätte ihn gleichzeitig geküsst. Er habe sie dann
aufs Sofa gesetzt und sie geküsst. Sie habe immer gesagt, es sei falsch, was
sie täten, sie könne aber nicht widerstehen. Sie habe ihn an sich gezogen,
und er habe sie langsam ausgezogen und überall abgeküsst. Sie habe es
genossen und sich nicht gesträubt. Anschliessend sei es auf dem
Wohnzimmerboden zum Geschlechtsverkehr gekommen. Er habe keine Gewalt
angewendet, die Geschädigte habe keine Abwehrhandlungen ausgeführt, im
Gegenteil. Erst als sie nicht zum Orgasmus gelangt sei, habe er gemerkt, dass
es nicht so gewesen sei wie andere Male.

2.3 Das Obergericht hält im angefochtenen Entscheid (E. 3.4.2.1 f. S. 11 f.)
die Aussagen der Geschädigten für überzeugend, da sie im Kern immer
gleichgeblieben seien, die Ereignisse samt deren Vorgeschichte
nachvollziehbar und anschaulich, mit einer starken persönlichen Prägung
darlegten und ein in sich stimmiges Ganzes ergäben. Für die Glaubhaftigkeit
der Aussagen spreche zudem, dass die Geschädigte gezögert habe, den
Beschwerdeführer anzuzeigen und dessen Namen nicht einmal selber genannt
habe. Im Laufe der Untersuchung habe sie den Wunsch geäussert, die Anzeige
zurückzuziehen, da sie nicht an einer strafrechtlichen Beurteilung des
Beschwerdeführers interessiert sei. Es sei ihr ausschliesslich darum
gegangen, diesem klarzumachen, dass er "so etwas" mit einer Frau nicht machen
könne. Weiter sei die Darstellung mit den spärlichen objektiven Beweismitteln
im Einklang: So decke sich der Umstand, dass ihr Jupe Spermaspuren aufwies,
mit ihrer Aussage, der Beschwerdeführer habe diesen während der
Vergewaltigung hochgeschoben.

Die Aussagen des Beschwerdeführers hält das Obergericht dagegen für
unglaubhaft (angefochtener Entscheid E. 3.4.2.3 S. 13 f.). Der mit Sperma
verschmutzte Jupe spreche gegen seine Version, er habe die Geschädigte
ausgezogen, bevor er mit ihr einvernehmlich den Geschlechtsakt vollzogen
habe. Beim von ihm gewünschten Treffen sei es darum gegangen, dass ihm die
Geschädigte von Angesicht zu Angesicht bestätigten sollte, einen neuen Freund
zu haben. Seine Behauptung, dieser Punkt sei im Gespräch im Garten nicht
angesprochen worden, er habe erst während bzw. nach dem einvernehmlichen
Geschlechtsverkehr erfahren, dass sie einen neuen Freund habe, sei
offensichtlich falsch und diene lediglich dazu, sein Verhalten nachträglich
zu rechtfertigen und teilweise zu entschuldigen.

2.4 Der Beschwerdeführer hält dem im Wesentlichen bloss seine Version der
Geschehnisse entgegen. Die Beschwerdegegnerin habe mit ihm und ihrem neuen
Freund (wie bereits zuvor mit ihm und ihrem damaligen Ehemann) ein
"Doppelspiel" getrieben, am 4. September 2003 freiwillig mit ihm geschlafen
und sei dann, nachdem ihr neuer Freund am Abend gemerkt habe, dass etwas
nicht stimme, quasi gezwungen gewesen, den einvernehmlichen
Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung darzustellen und auf Druck des neuen
Freundes hin zur Anzeige zu bringen. Indessen deutet der Umstand, dass die
Beschwerdegegnerin erst nach Gesprächen mit ihrem neuen Freund und der
Opferhilfestelle Anzeige erstattet hat, keineswegs zwingend daraufhin, dass
der Beschwerdeführer nicht versucht hatte, sie zu vergewaltigen. Das
Obergericht legt mit eingehender und plausibler Begründung dar (angefochtener
Entscheid E. 3.4.2.1 S. 11 f.), weshalb das zögerliche und zurückhaltende,
den Beschwerdeführer schonende Anzeige- und Aussageverhalten der
Beschwerdegegnerin für deren Glaubwürdigkeit spricht. Ebensowenig beweist der
Umstand, dass die beiden den Zustand ihrer Beziehung unterschiedlich
einschätzten - für sie war sie beendet, für ihn nicht - nach der ohne
weiteres vertretbaren Auffassung des Obergerichts keineswegs, dass die
Anschuldigungen der Beschwerdegegnerin wegen ihres angeblichen "Doppelspiels"
unglaubhaft sind. Mit diesen und weiteren ähnlich gelagerten Vorbringen legt
der Beschwerdeführer dar, wie die Beweise seiner Auffassung nach zu würdigen
wären, bleibt indessen den Nachweis schuldig, dass und weshalb die
obergerichtliche Beweiswürdigung unhaltbar sein soll. Die Beschwerde
erschöpft sich damit in appellatorischer Kritik, die nicht geeignet ist, dem
Obergericht eine Verfassungsverletzung bei der Sachverhaltsermittlung
nachzuweisen, was unzulässig ist. Darauf ist nicht einzutreten (oben E. 1.2).

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: