Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.380/2007
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6B_380/2007

Urteil vom 13. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Störi.

X. C.________,
Y.C.________,
Z.C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schultz,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28,
4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Nichteintreten auf Strafanzeige (mehrfache fahrlässige Tötung),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Beschwerdekammer, vom 18. Juni 2007.
Sachverhalt:

A.
A. C.________ und B.C.________ kamen am 25. Juni 2006 bei einem
Motorradunfall auf der A1 in einem Baustellenbereich bei Derendingen ums
Leben. Am 22. Februar 2007 liess der Vormund der drei Kinder des verunfallten
Ehepaars, X.C.________, Y.C.________ und Z.C.________, bei der
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn Strafanzeige einreichen mit dem
Antrag, es sei gegen die für die Einrichtung und die Sicherung dieser
Baustelle und die Benützung der Autobahn verantwortlichen Personen der
Behörden des Kantons Solothurn und eventuell des Bundes ein Strafverfahren
wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung einzuleiten.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn trat am 17. April 2007 auf die
Strafanzeige nicht ein mit der Begründung, die Baustelle sei gemäss der
Schweizerischen Norm SN 640 885c ordnungsgemäss eingerichtet und signalisiert
gewesen.

B.
Die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn wies die
Beschwerde von X.C.________, Y.C.________ und Z.C.________ gegen diese
Verfügung der Staatsanwaltschaft ab.

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragen X.C.________, Y.C.________ und
Z.C.________, diesen Entscheid der Beschwerdekammer aufzuheben und die
Staatsanwaltschaft anzuweisen, das von ihnen angestrebte Strafverfahren zu
eröffnen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägung:

1.
Als Kinder ihrer tödlich verunfallten Eltern käme den Beschwerdeführern in
einem Strafverfahren gegen die für die Einrichtung und Sicherung der
Baustelle Verantwortlichen wegen fahrlässiger Tötung Opferstellung zu (Art. 2
Abs. 2 OHG). Als solche sind sie zur Beschwerde in Strafsachen befugt, wenn
sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche
auswirken kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall, sowohl der Kanton
Solothurn als auch der Bund haften für den Schaden, den die in ihrem Dienst
stehenden Personen in Ausübung ihrer dienstlichen Verpflichtungen bewirken,
nach ihren Verantwortlichkeitsgesetzen, mithin nach öffentlichem Recht (BGE
125 IV 161 E. 3). Zivilforderungen gegen die ins Recht gefassten Personen
sind ausgeschlossen (§§ 1 und 2 des Solothurner Verantwortlichkeitsgesetzes
vom 26. Juni 1966, Art. 1 und 3 des Eidgenössischen
Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958). Der angefochtene Entscheid
kann sich somit nicht auf allfällige Zivilforderungen der Beschwerdeführer
auswirken, weshalb sie nicht nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
beschwerdebefugt sind.

2.
Da der Strafanspruch nach ständiger Praxis des Bundesgerichts dem Staat
zusteht (BGE 128 I 218 E. 1.1 mit Hinweisen), haben die Beschwerdeführer als
Geschädigte kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1
lit. b BGG, die Einstellung des Strafverfahrens in der Sache anzufechten (BGE
133 IV 228 E. 2).

2.1 Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst hat die
Praxis zum altrechtlichen Art. 88 OG dem Geschädigten seit langem die
Befugnis zuerkannt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von
Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle
Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG wie neu nach Art. 81 Abs. 1
lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls
nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am
Verfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach
kantonalem Recht Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die
ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der
Bundesverfassung zustehen und deren Missachtung auf eine formelle
Rechtsverweigerung hinausläuft (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198). Der in der
Sache selbst nicht Legitimierte, dem im kantonalen Verfahren jedoch
Parteistellung zukam, kann beispielsweise geltend machen, er sei nicht
angehört worden (BGE 128 I 218 E. 1.1; 120 Ia 157 E. 2a/aa und bb).
Unzulässig sind allerdings Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle
Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, wie etwa die Behauptung,
dass die Begründung des angefochtenen Entscheids unvollständig oder zu wenig
differenziert ausgefallen sei oder sich nicht mit sämtlichen von der Partei
vorgetragenen Argumenten auseinandersetze oder dass die Parteivorbringen
willkürlich gewürdigt worden seien. Ebenso wenig ist der Vorwurf zu hören,
der Sachverhalt sei unvollständig oder sonstwie willkürlich ermittelt worden.
Unzulässig ist auch die Rüge, Beweisanträge seien wegen willkürlicher
antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt worden ("Star-Praxis", vgl. BGE 114
Ia 307 E. 3c S. 313; 126 I 81 E. 7b S. 94).

Da die Aufzählung der beschwerdebefugten Personen in Art. 81 Abs. 1 lit. b
BGG nicht abschliessend ist und sich am Erfordernis des
Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung der Beschwerdelegitimation nichts
geändert hat, kann die angeführte Praxis zu Art. 88 OG weiterhin Geltung
beanspruchen.

2.2 Die Beschwerdeführer werfen der Beschwerdekammer bzw. der
Staatsanwaltschaft eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV vor, da sie die
Eröffnung einer Strafuntersuchung abgelehnt hätten, obwohl sie dies aufgrund
der dargelegten Umstände des Unfalles hätten tun müssen. "Die besondere
Baustellensituation, die Angemessenheit der Absperrung der Fahrbahnen, die
Höhe des Verkehrsaufkommens sowie die ganze Risikosituation an der
Unfallstelle" (Beschwerde E. 7 S. 8) hätten geradezu eine Strafuntersuchung
verlangt. Es müsse abgeklärt werden, ob keine Sorgfaltspflichten verletzt
worden seien. Dass die Verwendung von Leitprofilen gemäss SN Norm 640 885c
bei einem Verkehrsführungssystem 3/1 nicht zwingend vorgeschrieben sei,
bedeute nicht, dass die Verantwortlichen allen Sorgfaltspflichten
nachgekommen seien. Es könne nicht sein, dass lediglich unter Hinweis auf die
erwähnte Norm von einer Strafuntersuchung abgesehen werde. Unter diesen
Umständen hätte nach dem Grundsatz, wonach im Zweifel eine Strafuntersuchung
zu eröffnen sei, eine solche angehoben werden müssen. Im Entscheid, dies zu
unterlassen, liege eine Rechtsverweigerung. Mit analoger Begründung - die
vorgebrachten Verdachtsmomente hätten die Eröffnung einer Strafuntersuchung
zwingend erfordert - werfen die Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft und
der Beschwerdekammer auch eine willkürliche Anwendung von § 80 Abs. 1 der
Solothurner Strafprozessordnung vom 7. Juni 1970 vor, da dieser die
Einstellung von Strafverfahren nur bei offensichtlicher Unbegründetheit der
Anzeige zulasse.

Mit diesen Ausführungen machen die Beschwerdeführer nicht die Verletzung von
Verfahrensrechten geltend, sondern kritisieren den Entscheid einzig in der
Sache, wozu sie nach der dargelegten Star-Praxis nicht befugt sind.

3. Auf die Beschwerde ist somit mangels Legitimation der Beschwerdeführer
nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen sie die Kosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern mit
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: