Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.378/2007
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6B_378/2007 /bri

Urteil vom 11. Dezember 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Daniel Buchser,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Sicherungseinziehung (Art. 58 aStGB bzw. Art. 69 StGB),

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, vom 21. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Im Zuge einer gegen X.________ eingeleiteten Strafuntersuchung wegen
Verdachts auf Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB liess das
Amtsstatthalteramt Hochdorf am 5. Mai 2006 u.a. vorsorglich die CD-Sammlung
von X.________ beschlagnahmen. Am 3. Januar 2007 wurde - bei gleichzeitiger
Einstellung der Strafuntersuchung - die Einziehung und Vernichtung
zahlreicher sichergestellter CDs gemäss Art. 58 aStGB angeordnet. Den gegen
die Einziehungsverfügung eingereichten Rekurs des X.________ wies die
Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern mit
Entscheid vom 21. Mai 2007 ab, soweit sie darauf eintrat.

B.
X.________ erhebt am 16. Juli 2007 Beschwerde in Strafsachen an das
Bundesgericht. Er verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die
Herausgabe der eingezogenen CDs.

C.
Die Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern sowie
die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragen in ihren
Vernehmlassungen vom 23. bzw. 27. November 2007 die Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Strafsachen,
gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80
Abs. 1, Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist durch die Einziehung seiner
persönlichen CDs in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und
damit zur Beschwerdeerhebung befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde
ist mithin grundsätzlich einzutreten.

2.
Im angefochtenen Entscheid wird die vom Amtsstatthalteramt verfügte
Einziehung zahlreicher CDs des Beschwerdeführers gemäss Art. 58 Abs. 1 aStGB
bestätigt. Dieser Entscheid verletzt nach dem Dafürhalten des
Beschwerdeführers Bundesrecht (Art. 58 Abs. 1 aStGB, Art. 8, 9, 13, 15, 16,
26, 29, 32 sowie 34 BV) sowie Völkerrecht (Art. 6 EMRK). Er bringt einerseits
vor, dass es am Gefährdungserfordernis und damit an den Voraussetzungen der
Einziehung nach Art. 58 Abs. 1 aStGB fehle, weil seine CDs ausschliesslich
zum privaten Gebrauch und nicht zur Weitergabe an andere bestimmt seien.
Andererseits macht er geltend, der rechtserhebliche Sachverhalt sei nur
unvollständig festgestellt worden. Die Vorinstanz behaupte einfach, dass es
sich bei den eingezogenen CDs um rassistisches Material im Sinne von Art.
261bis StGB handle, begründe jedoch nicht, weshalb sie zu dieser Ansicht
gelange. Auch aus den Akten ergebe sich nichts, was auf den angeblich
rassistischen und damit rechtswidrigen Inhalt der Tonträger schliessen lasse.
Im Gegenteil sei davon auszugehen, dass die eingezogenen CDs keine verbotenen
Inhalte im Sinne von Art. 261bis StGB aufwiesen, da sie (zumindest teilweise)
im freien Handel in Deutschland legal erhältlich seien. Ebenso wenig könne
gesagt werden, die CDs stammten aus einer strafbaren Handlung. Er habe die
meisten seiner CDs nämlich entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht an
öffentlichen Konzerten, sondern im privaten Rahmen bzw. vor Inkrafttreten der
Rassismusstrafnorm erworben. Diese Umstände seien im angefochtenen Entscheid
unberücksichtigt geblieben. Die Einziehung beruhe mithin auf unbewiesen
gebliebenen Behauptungen. Sie sei deshalb aufzuheben und die CDs seien ihm
herauszugeben, zumal bereits deren Beschlagnahme angesichts des von Anfang an
unbegründeten Strafverfahrens ohne Rechtsgrund erfolgt sei.

3.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel
dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz
dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend
nicht erfüllt, weshalb die vor Bundesgericht erstmals vorgetragenen und damit
neuen Tatsachenbehauptungen, wonach die meisten der eingezogenen CDs in
Deutschland noch heute im freien Handel legal erhältlich und vom
Beschwerdeführer im Rahmen von privaten (und nicht von öffentlichen) Anlässen
bzw. vor Inkrafttreten der Rassismusstrafnorm erworben worden seien,
unzulässig sind.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, angesichts der unnötigen und unter
massiven Rechtsverletzungen erfolgten Strafuntersuchung fehle es an einer
Rechtsgrundlage für die (vorläufige) Beschlagnahme und damit auch für die
Einziehung, gehen seine Ausführungen am heutigen Verfahrensgegenstand vorbei.
Die Vorinstanz hat die Frage nach der Rechtmässigkeit der vorläufigen
Beschlagnahme mit Entscheid vom 24. Mai 2006 abschliessend beurteilt. Darauf
ist nicht zurückzukommen.

Hingegen hat der Beschwerdeführer entgegen der vernehmlassungsweise
vertretenen Auffassung der Vorinstanzen bereits im kantonalen Verfahren
hinreichend gerügt, dass die Frage nach dem rassendiskriminierenden Inhalt
der eingezogenen CDs überhaupt nicht überprüft worden ist. Darauf wird
nachfolgend einzugehen sein (E. 4.2).

4.
Nach Art. 58 Abs. 1 aStGB - entsprechend Art. 69 Abs. 1 StGB - verfügt der
Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die
Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer strafbaren Handlung
gedient haben oder bestimmt waren, oder die durch eine strafbare Handlung
hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von
Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. Die
Bestimmung erlaubt also insbesondere Gegenstände einzuziehen, die zur
Begehung einer Straftat gedient haben oder dazu bestimmt waren, jedoch unter
der Voraussetzung, dass sie die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit
oder die öffentliche Ordnung gefährden. An diese Gefährdung sind nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht besonders hohe Anforderungen zu
stellen; es genügt die Wahrscheinlichkeit, dass ohne die Einziehung die
Sicherheit anderer, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet
wären (BGE 124 IV 121 E. 2a; vgl. auch BGE 127 IV 203 E. 7).

4.1 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die eingezogenen CDs seien nur
zum Eigengebrauch, nicht aber zur Weitergabe an Dritte bestimmt, weshalb es
vorliegend in jedem Fall am Gefährdungserfordernis im Sinne von Art. 58 Abs.
1 aStGB fehle, erweist sich seine Beschwerde als unbegründet. Wie die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil unter Hinweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung richtig festhält, gefährdet das Verbreiten rassistischer
Botschaften die öffentliche Ordnung. Dass diese Gefährdung - vorausgesetzt,
dass es sich bei den fraglichen Tonträgern um rassistisches Material handelt
- hier ohne Einziehung fortbestünde, ist nicht von der Hand zu weisen, weil
der Beschwerdeführer seine CDs jederzeit an Dritte übergeben, d.h. sie
verkaufen, tauschen, schenken oder auch ausleihen könnte, oder sie ihm auch
abhanden kommen könnten (vgl. BGE 124 IV 121 E. 2c).

4.2 Die Vorinstanz geht im angefochtenen Urteil davon aus, dass die
eingezogenen CDs rassistische Äusserungen im Sinne von Art. 261bis StGB
enthalten. Ohne sich mit dem Inhalt der CDs überhaupt auseinanderzusetzen,
übernimmt sie damit offenbar die diesbezüglichen Annahmen im
erstinstanzlichen Entscheid. Danach soll das stichwortartige Lesen des den
CDs beigelegten Textbüchleins, deren stichprobenartiges Anhören sowie die bei
den Akten liegende Bewertung des bundespolizeilichen Dienstes für Analyse und
Prävention (DAP) ergeben haben, dass 105 der beschlagnahmten 185 Tonträger
tatbestandsmässig im Sinne der Rassismusstrafnorm und daher in Anwendung von
Art. 58 Abs. 1 aStGB einzuziehen seien (vgl. erstinstanzlichen Entscheid, S.
5). Eine nachvollziehbare Auswertung der CDs auf ihren Inhalt hin -
beispielsweise anhand einzelner Textpassagen - lässt sich allerdings auch
diesem Entscheid nicht entnehmen. Insbesondere finden sich keinerlei Angaben
darüber, welche CDs überhaupt überprüft wurden und aus welchen Gründen auf
ihren rassistischen Inhalt im Sinne von Art. 261bis StGB geschlossen wurde.
Auch die Bewertung des DAP erbringt hierzu keinen weiteren Aufschluss. Zwar
werden danach die 105 eingezogenen CDs als strafrelevant bzw.
strafrelevanzverdächtig im Sinne der Rassismusstrafnorm eingestuft.
Allerdings stützt sich diese Einstufung - wie aus dem entsprechenden Bericht
hervorgeht - auf deutsches Recht (kantonale Akten, Beilage 14). Im Hinblick
auf das schweizerische Recht kommt ihr deshalb bloss eine gewisse
Indizwirkung in dem Sinn zu, dass die gemäss deutschem Recht als
strafrelevant bzw. strafrelevanzverdächtig bewerteten CDs allenfalls auch im
Sinne von Art. 261bis StGB tatbestandsmässig sein könnten. Dass die
eingezogenen CDs strafbare rassistische Äusserungen enthalten, ist demnach
zwar grundsätzlich möglich, ergibt sich aber mangels entsprechender
Abklärungen bzw. Ausführungen nicht schlüssig aus dem angefochtenen oder
erstinstanzlichen Entscheid. Ohne die zur Subsumtion notwendigen
tatsächlichen Grundlagen lässt sich die Bundesrechtskonformität der
beschlossenen Einziehung jedoch nicht überprüfen. Das angefochtene Urteil,
welches insoweit materielles Bundesrecht verletzt, ist deshalb aufzuheben und
die Sache zur ergänzenden Tatsachenfeststellung und neuen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 107 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 133 IV 293
E. 3.4). Bei der neuerlichen Befassung wird anhand einer Auswertung der
einzelnen CDs auf ihren Inhalt hin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
zu prüfen und nachvollziehbar zu begründen sein, ob und inwiefern die
eingezogenen Tonträger rassistische Texte im Sinne von Art. 261bis StGB
enthalten. Anzumerken bleibt, dass eine Herausgabe der CDs an den
Beschwerdeführer durch das Bundesgericht angesichts der Rückweisung der
Angelegenheit zur Sachverhaltsabklärung ausser Betracht fällt, weshalb die
Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Im Übrigen ist
sie abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführer wird im Umfang seines Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 BGG). Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der Entscheid der Kriminal- und
Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 21. Mai 2007
aufgehoben und die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung und neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und
Anklagekommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: