Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.365/2007
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6B_365/2007

Urteil vom 9. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Favre, Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Störi.

Eidgenössische Zollverwaltung, Oberzolldirektion, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner.

Bussenumwandlung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 7. Juni 2007.
Sachverhalt:

A.
Die Eidgenössische Oberzolldirektion verurteilte X.________ am 17. Oktober
2005 wegen einer Zollübertretung und einer Widerhandlung gegen das
Mehrwertsteuergesetz zu einer Busse von 1'000 Franken. Die Busse wurde weder
angefochten noch beglichen.

Nachdem die von der Zollkreisdirektion Schaffhausen eingeleitete Betreibung
X.________s zum Verlustschein Nr. aaaaa.________ vom 28. November 2006
geführt hatte, stellte die Eidgenössische Zollverwaltung am 1. März 2007 bei
der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich den Antrag, die Busse in 33
Tage Ersatzfreiheitsstrafe umzuwandeln.

Die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Winterthur auferlegte
X.________ am 4. Mai 2007 anstelle der von der Eidgenössischen
Oberzolldirektion ausgesprochenen Busse von 1'000 Franken eine
Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

Das Obergericht des Kantons Zürich wies den Rekurs der Eidgenössischen
Oberzolldirektion gegen diese bezirksgerichtliche Verfügung am 7. Juni 2007
ab.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische Zollverwaltung,
diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die X.________ auferlegte,
uneinbringliche Zollbusse in 33 Tage Ersatzfreiheitsstrafe umzuwandeln.

C.
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. X.________ liess sich innert
Frist nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.
Altrechtlich war nach Art. 83 VStR die Nichtigkeitsbeschwerde gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide in Verwaltungsstrafsachen gegeben, und
die Bundesanwaltschaft bzw. die beteiligte Verwaltung waren befugt, sie zu
erheben. Bei der Revision der Bundesrechtspflege ging der Gesetzgeber davon
aus, dass neu die Beschwerde in Strafsachen zur Anfechtung dieser
verwaltungsstrafrechtlichen Entscheide gegeben sei, doch wurde die
entsprechende Anpassung des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes versäumt. Es
handelt sich dabei um ein gesetzgeberisches Versehen, dessen Behebung bereits
in die Wege geleitet wurde (Entscheide 6B_205/2007 vom 27. Oktober 2007, E. 1
mit Hinweisen auf die entsprechenden Botschaften; 6B_153/2007 vom 9. November
2007, E. 2). Die vorliegende Beschwerde ist damit gegeben, und die
Beschwerdeführerin ist befugt, sie zu erheben.

2.
Die Busse gegen den Beschwerdegegner wurde am 17. Oktober 2005 ausgesprochen
und war am 1. Januar 2007, als der neue Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches
in Kraft trat, in Rechtskraft erwachsen. Sowohl das Obergericht als auch die
Beschwerdeführerin gehen davon aus, dass die umstrittene Umwandlung der
Busse, welche von letzterer am 1. März 2007 beantragt wurde, nach neuem Recht
zu beurteilen sei. Uneinig sind sich die Beiden indessen, in welchem
Verhältnis das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht und das
Strafgesetzbuch zueinander stehen. Das Obergericht hält im angefochtenen
Entscheid dafür, dass der Verweis von Art. 2 VStrR auf die allgemeinen
Bestimmungen des StGB auch Art. 106 StGB umfasse. Diese Bestimmung sieht für
die Umwandlung von Busse in Ersatzfreiheitsstrafe keinen festen
Umwandlungssatz vor, weshalb das Obergericht entsprechend seiner für das
"alltägliche Massengeschäft" entwickelten Praxis 100 Franken Busse in einen
Tag Ersatzfreiheitsstrafe umwandelte. Die Beschwerdeführerin vertritt
demgegenüber die Auffassung, der Verweis von Art. 2 VStrR gelte nur unter dem
Vorbehalt einer abweichenden besonderen Regelung, weshalb Art. 10 Abs. 3
VStrR, wonach pro 30 Franken Busse 1 Tag Haft auszufällen sei, als lex
specialis nach wie vor weitergelte.

3.
Zunächst ist zu prüfen, ob auf die Umwandlung der altrechtlichen Busse
überhaupt neues Recht anzuwenden ist.

3.1 Den Schlussbestimmungen der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13.
Dezember 2002 ist dazu nichts zu entnehmen. Nebst der allgemeinen Regel über
die zeitliche Anwendbarkeit des Strafgesetzbuches von Art. 2 StGB regelt Art.
388 StGB als allgemeine Übergangsbestimmung den "Vollzug früherer Urteile".
Danach sind altrechtliche Urteile grundsätzlich nach bisherigem Recht zu
vollziehen (Abs. 1). Dieser Grundsatz kennt zwei Ausnahmen: Ist die
beurteilte Tat nach neuem Recht nicht mehr strafbar, wird die Strafe nicht
mehr vollzogen (Abs. 2). Auf das Vollzugsregime von Verurteilten nach altem
Recht sind die neurechtlichen Bestimmungen anzuwenden (Abs.3).
3.2 Das Obergericht hat im angefochtenen Beschluss erwogen, mit dem Entscheid
über die Umwandlung einer Busse in Haft ändere der Richter auf Grund von
Tatsachen, die nach der rechtskräftigen Verurteilung eingetreten sind, ein
Strafurteil ab. Auch wenn ihm dessen umfassender Charakter abgehe, so komme
ihm doch ein urteilsähnlicher Charakter zu, es handle sich nicht um einen
blossen Vollzug des Strafurteils. Art. 388 StGB sei daher darauf nicht
anwendbar, weshalb diese Frage nach der allgemeinen Bestimmung von Art. 2
StGB zu prüfen sei. Nach dieser Regel sei das neue als das mildere Recht
anwendbar, namentlich da dieses den Umwandlungssatz von 30 Franken Busse in
einen Tag Haft nicht mehr vorschreibe, so dass dieser zu Gunsten des
Verurteilten verändert werden könne. In der Praxis würde bei "Massendelikten"
nunmehr 100 Franken Busse einem Tag Freiheitsentzug gleichgesetzt.

3.3 Wie auch das Obergericht nicht verkannt hat, regelt das Strafgesetzbuch
seine Anwendbarkeit in zeitlicher Hinsicht einerseits in Art. 2 und
anderseits in Art. 388 StGB.

3.3.1 Art. 2 Abs. 1 StGB hält den sich bereits aus Art. 1 StGB ergebenden
Grundsatz "nulla poena sine lege" fest, wonach strafbar nur ist, was vom
geltenden Recht strafbar erklärt wird. Abs. 2 ergänzt diesen Grundsatz, indem
er neuem Recht rückwirkende Geltung verschafft, sofern es sich für den
Angeklagten (in seinem konkreten Fall) als milder erweist. Entgegen der
Auffassung des Obergerichts befasst sich Art. 2 StGB, anders als Art. 388
StGB, schon nach seinem klaren Wortlaut - "Nach diesem Gesetz wird beurteilt"
- und seiner systematischen Stellung im Titel "Geltungsbereich" des ersten
Buches "Allgemeine Bestimmungen" nicht mit der Vollstreckung von
rechtskräftigen Urteilen, sondern mit der Anwendbarkeit neuen Rechts auf vor
und nach seinem Inkrafttreten begangene Straftaten (Günter Stratenwerth/
Wolfgang Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, Bern 2007,
N. 1 zu Art. 388). Das Bundesgericht berücksichtigt neues milderes Recht in
konstanter Praxis nur, wenn dieses vor Abschluss des ordentlichen
Rechtsmittelverfahrens in Kraft tritt, nicht aber, wenn in diesem Zeitpunkt
nur noch ein ausserordentliches Rechtsmittel wie die (altrechtliche)
Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht hängig war (BGE 129 IV 49 E. 5.3;
121 IV 131 E. 2a; 117 IV 369 E. 15). Es würde jeder inneren Rechtfertigung
entbehren, dem Täter die Anwendung des während des ausserordentlichen
Rechsmittelverfahrens in Kraft getretenen milderen, eine tiefere Busse
ermöglichenden Rechts zu verwehren, die altrechtliche (höhere) Busse dann
aber nach neuem, milderem Recht umzuwandeln. Es bleibt damit dabei, dass sich
der in Art. 2 Abs. 2 StGB verankerte Grundsatz des milderen Rechts auf Fälle
beschränkt, in denen der Sach- oder der Berufungsrichter unter der Herrschaft
des neuen Rechts eine Tat zu beurteilen hat, die vor dessen Inkrafttreten
begangen wurde.

3.3.2 Regelt somit Art. 2 StGB die zeitliche Anwendbarkeit des
Strafgesetzbuches bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils, so liegt
es nahe, Art. 388 StGB auf alle nachher anfallenden Vollstreckungsmassnahmen
anzuwenden. Zwar hat das Bundesgericht das Verfahren zur Umwandlung einer
nicht bezahlten Busse in Haft in ständiger Praxis nicht als Vollzugsverfahren
und den Entscheid darüber nicht als Vollzugsentscheid, sondern als ein den
Bussenentscheid ergänzenden Sachentscheid betrachtet. Diese Rechtsprechung
verfolgte indessen einzig den Zweck, gegen Umwandlungsentscheide die
Nichtigkeitsbeschwerde zuzulassen, welche gegen reine Vollzugsentscheide
nicht gegeben war (BGE 129 IV 212 E. 1; 125 IV 231 E. 1a; 96 I 88 E. 1; 74 IV
57 E. 2). Dieser Gesichtspunkt spielt unter der Herrschaft des
Bundesgerichtsgesetzes keine Rolle mehr, da nach dessen Art. 78 Abs. 2 lit. b
die Beschwerde in Strafsachen gegen Entscheide über den Vollzug von Strafen
offen steht. Auch wenn somit beim Umwandlungsentscheid neue materielle
Sachverhaltselemente zu beurteilen sind und es insofern nicht um den blossen
Vollzug eines Urteils geht, welches alle wesentlichen Fragen abschliessend
geregelt hat, so geht es in einem weiteren Sinne eben doch um den "Vollzug
eines früheren Urteils", wie er von Art. 388 StGB geregelt wird. Nach dessen
Abs. 1 sind altrechtliche Urteile grundsätzlich nach altem Recht zu
vollziehen, und die beiden in den Abs. 2 und 3 geregelten Fälle, in welchen
ausnahmsweise neues Recht auf den Vollzug altrechtlicher Urteile anzuwenden
ist, betreffen den Bussenvollzug nicht (Christian Schwarzenegger/Markus
Hug/Daniel Jositsch, Strafrecht II, 8. A. Zürich 2007, S. 320 f.).
3.4 Altrechtlich war nach der Rechtsprechung für die Umwandlung von Busse in
Haft für Widerhandlungen aus dem Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über
das Verwaltungsstrafrecht dessen Art. 10 massgebend (Entscheide 6S_9/1993 vom
18. Juni 1993 E. 3c/aa, 6A_39/1994 vom 13. April 1994 E. 1). Nach Abs. 3
dieser Bestimmung sind 30 Franken einem Tag Freiheitsentzug gleichzusetzen.
Dementsprechend ist die dem Beschwerdegegner auferlegte Busse, dem Antrag der
Beschwerdeführerin entsprechend, in 33 Tage Haft umzuwandeln.

4.
Somit ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben
und die uneinbringliche Zollbusse von 1'000 Franken in 33 Tage Haft
umzuwandeln. Der Beschwerdegegner ist darauf hinzuweisen, dass die Strafe
entfällt, soweit er die Busse nachträglich bezahlt. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens trägt dieser die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des
Kantons Zürich von 7. Juni 2007 aufgehoben. Anstelle der von der
Eidgenössischen Oberzolldirektion am 17. Oktober 2005 festgesetzten Busse
wird der Beschwerdegegner zu 33 Tagen Haft verurteilt.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. Januar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi