Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.340/2007
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6B_340/2007 /hum

Urteil vom 26. Juli 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wiprächtiger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Zirkulationsbeschluss des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Mai 2007.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte X.________ mit Urteil vom 24.
Mai 2006 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
(BetmG) mit viereinhalb Jahren Zuchthaus. Das Kassationsgericht des Kantons
Zürich wies eine dagegen gerichtete kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit
Beschluss vom 29. Mai 2007 ab.

X. ________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und
beantragt, der Beschluss des Kassationsgerichts sei aufzuheben und die Sache
zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf einen
Kostenvorschuss sei zu verzichten.

2.
Der Beschwerdeführer macht zunächst eine offensichtlich unrichtige
Feststellung des Sachverhalts geltend (vgl. Beschwerde S. 2 lit. a). Die Rüge
steht im Zusammenhang mit der Erwägung des Kassationsgerichts, es sei davon
auszugehen, dass die Art und Weise, wie der Verteidiger vor Obergericht
plädiert habe, einer überlegten Strategie entsprungen sei, in welche sich das
Obergericht nicht einzumischen gehabt habe (angefochtener Entscheid S. 6 E.
1.3). Die genannte Strategie des Verteidigers bestand darin, nicht auf
Notstand zu plädieren. Für die Frage, ob sich das Obergericht in diese
Strategie des Verteidigers hätte einmischen sollen, ist es entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers gleichgültig, ob der Verteidiger den
fraglichen Punkt "zu wenig" oder "gar nicht" substanziiert hat (vgl.
Beschwerde S. 2). Die Rüge des Beschwerdeführers, das Kassationsgericht habe
insoweit eine unrichtige tatsächliche Feststellung getroffen, ist für den
Ausgang der Sache folglich irrelevant.

Weil der Verteidiger vor Obergericht nicht auf Notstand plädierte, macht der
Beschwerdeführer geltend, er sei ungenügend verteidigt gewesen (vgl.
Beschwerde S. 3 lit. b). Die Rüge ist unbegründet. Der Verteidiger hat vor
Obergericht zwar nicht auf Notstand plädiert, es indessen nicht versäumt, die
Bedrohungslage des Beschwerdeführers eingehend zu thematisieren
(angefochtener Entscheid S. 6). Der Beschwerdeführer habe ein Darlehen
aufnehmen müssen, und später seien er und seine Ehefrau vom Darlehensgeber
bzw. dessen Hintermann wegen der Rückzahlung unter Druck gesetzt bzw.
angegangen worden, an Drogengeschäften mitzumachen, um Schulden
"abzuarbeiten" oder zumindest mit der Beteiligung an den Drogendelikten den
Druck der Schuldenzahlungen zu vermindern (angefochtener Entscheid S. 4 E.
1.1). Gestützt auf diese Ausführungen des Verteidigers hat das Obergericht
die Frage, ob eine schwere Bedrohungslage für den Beschwerdeführer bestand,
verneint (vgl. Urteil vom 24. Mai 2006 E. III/2b S. 10/11). Dass die
Bedrohungslage nicht besonders schwer gewesen sein kann, folgt denn auch aus
dem bemerkenswerten Umstand, dass sie vom Beschwerdeführer nicht schon bei
seinem Geständnis, sondern erst anlässlich der vierten Berufungsverhandlung
geltend gemacht wurde (angefochtener Entscheid S. 4 unten). Unter den
gegebenen Umständen hielt sich der Verteidiger innerhalb des ihm zustehenden
Ermessens, wenn er darauf verzichtete, auf Notstand zu plädieren.

Auch der Beschwerdeführer selber hat sich in seinem Schlusswort nicht auf die
Bedrohungssituation berufen. Folglich bestand, wie das Kassationsgericht zu
Recht festhält, für das Obergericht gestützt auf das Schlusswort des
Beschwerdeführers kein Anlass, beweismässige Weiterungen vorzunehmen
(angefochtener Entscheid S. 8). Die Rüge, damit werde dem Beschwerdeführer
die "Aufgabe des Verteidigers" zugewiesen (vgl. Beschwerde S. 4 lit. c), ist
unbegründet. Diesbezüglich kann im Übrigen auf das im letzten Absatz Gesagte
verwiesen werden.

Schliesslich rügt der Beschwerdeführer ebenfalls im Zusammenhang mit der
Frage der Bedrohungssituation, es sei inbesondere in Verletzung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör unterlassen worden, zwei Zeugen
einzuvernehmen (vgl. Beschwerde S. 5 lit. d). Dazu bestand kein Anlass. Das
Obergericht ging gestützt auf die Angaben des Verteidigers zu Gunsten des
Beschwerdeführers davon aus, es habe eine Bedrohungssituation vorgelegen. Zur
Frage, ob diese Bedrohungssituation als schwer einzustufen sei, musste das
Obergericht keine Zeugen befragen.

Gesamthaft gesehen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist
abzuweisen.

3.
Das Gesuch um Verzicht auf einen Kostenvorschuss kann als Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 64 BGG entgegengenommen werden. Das
Gesuch ist gutzuheissen, weil davon ausgegangen werden kann, dass der
Beschwerdeführer bedürftig ist (vgl. Urteil des Obergerichts vom 24. Mai 2006
S. 13 E. 3), und weil die Rechtsbegehren - jedenfalls teilweise - nicht von
vornherein aussichtslos waren. Folglich sind keine Kosten zu erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juli 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:   Der Gerichtsschreiber: