Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.328/2007
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6B_328/2007 /hum

Urteil vom 6. Februar 2008
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Roger Baumberger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Teilbedingte Strafe (Art. 42 Abs. 1 StGB und
Art. 43 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, vom 26. April 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde mit Urteil vom 6. Juli 2006 des Bezirksgerichts Lenzburg
wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB),
mehrfacher sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB), mehrfacher Nötigung
(Art. 181 StGB) und Pornographie (Art. 197 Ziff. 3bis StGB) zu einer
Gefängnisstrafe von 2 Jahren verurteilt. Das Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, änderte mit Urteil vom 26. April 2007 in teilweiser Gutheissung
der von X.________ erhobenen Berufung den Strafpunkt und schob in Anwendung
des neuen Rechts (Art. 42 und 43 nStGB) 12 Monate der Freiheitsstrafe auf,
unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2007 sei im Strafpunkt (Ziff.
1) aufzuheben und ihm sei gestützt auf Art. 42 StGB der bedingte Strafvollzug
zu gewähren. Zudem ersucht X.________ um unentgeltliche Rechtspflege. Das
Obergericht des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichtet auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

2.
Am 1. Januar 2007 ist der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in
Kraft getreten. Dieses neue Recht gelangt jedoch auf Taten, welche noch unter
Geltung des alten Rechts begangen wurden, nur zur Anwendung, wenn es für den
Täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Im vorliegenden Fall ist das neue
Recht das mildere, womit dieses anwendbar ist (vgl. angefochtener Entscheid
E. 2 S. 10).

3.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG)
durch unrichtige Anwendung von Art. 42 f. StGB. Er bringt vor, das
Obergericht hätte anstelle einer teilbedingten Strafe den bedingten
Strafvollzug anordnen müssen. Er rügt insbesondere die Auffassung des
Obergerichts, wonach eine günstige Prognose nur möglich sei, wenn er einen
Teil der Strafe verbüsse.

3.1 Gemäss den Ausführungen des Obergerichts sprechen die Tatumstände für
eine ungünstige Prognose nach Art. 42 Abs. 1 StGB. Der Beschwerdeführer habe
während eines längeren Zeitraums mehrfach zwei Mädchen sexuell missbraucht.
Erschwerend falle das junge Alter der beiden Opfer ins Gewicht. Der
Beschwerdeführer habe trotz erdrückender Beweislage sämtliche sexuellen
Handlungen bestritten, was wenig Einsicht in das Unrecht seiner Taten
erkennen lasse. Massgebliche Veränderungen in seinen persönlichen
Verhältnissen würden keine vorliegen. Aus der seit kurzer Zeit bestehenden
neuen Beziehung des Beschwerdeführers könne keine stabilisierende Wirkung
erwartet werden, zumal er im Zeitpunkt seiner Taten zumindest teilweise eine
Freundin gehabt habe. Für den Beschwerdeführer spreche demgegenüber, dass er
seit Verübung der zu beurteilenden Delikte nicht mehr straffällig geworden
sei. Die ausgestandene Untersuchungshaft habe bei ihm einen nachhaltigen
Eindruck hinterlassen und die ausgefällte Freiheitsstrafe werde ihm eine
langfristige Warnung sein. Der Beschwerdeführer sei seit Juni 2006 wieder
erwerbstätig und bemühe sich, seine Schulden abzutragen. Aus den genannten
Gründen erachtet das Obergericht eine vollständige Verbüssung der Strafe
nicht als notwendig, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer
Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (angefochtenes Urteil E. 6.4.3 S. 28 f.).
Eine gute Prognose könne jedoch nur gestellt werden, wenn der
Beschwerdeführer einen Teil der Strafe zu verbüssen habe. Die Schwere der
Taten würden einen Teilvollzug nahe liegen. Demnach habe der Beschwerdeführer
gestützt auf Art. 43 StGB von der zweijährigen Freiheitsstrafe ein Jahr zu
verbüssen (angefochtenes Urteil E. 6.5.2 S. 30).

3.2 Der Beschwerdeführer macht im Einzelnen geltend, das Obergericht nenne
sowohl Anhaltspunkte für eine ungünstige als auch für eine günstige Prognose.
Ohne von einer bestimmten Prognose auszugehen, stelle sich das Obergericht
auf den Standpunkt, eine günstige Prognose sei nur möglich, wenn er auch
einen Teil seiner Strafe verbüssen müsse. Nach dem neuen Recht werde jedoch
eine günstige Prognose vermutet, solange dies nicht widerlegt werde. Deshalb
sei es unzulässig, weder die Vermutung der günstigen Prognose zu verneinen,
noch das Vorliegen einer ungünstigen Prognose zu bejahen, um den Schluss zu
ziehen, eine ungünstige Prognose könne nur ausgeschlossen werden, wenn im
Sinne eines Warnschusses eine teilbedingte Strafe ausgesprochen werde. Die
Art und Schwere des Deliktes sei bei der Strafzumessung und nicht im Rahmen
der Prognose zu berücksichtigen. Zudem dürfe der Täter nicht dafür bestraft
werden, dass er von seinen Verteidigungsrechten Gebrauch mache und deshalb
könne aus dem Ableugnen der Tat keine ungünstige Prognose abgeleitet werden.
Zusammengefasst habe das Obergericht verkannt, dass Art. 42 Abs. 1 StGB keine
gemischte Prognose zulasse, und es habe auf Faktoren abgestellt, die nicht
als Grundlage für die Erteilung einer ungünstigen Prognose dienen dürften.
Wenn sich das Obergericht weder für eine günstige noch für eine ungünstige
Prognose entschliessen könne, müsse es gestützt auf Art. 42 Abs. 1 StGB und
dem Grundsatz "in dubio pro reo" von der Vermutung einer günstigen Prognose
ausgehen. Würden zudem die unzulässig beigezogenen Faktoren weggelassen, gebe
es keine Gründe, die für eine ungünstige Prognose sprechen würden (Beschwerde
Ziff. 3 S. 7 f.). Zur Anwendbarkeit der teilbedingten Strafe führt der
Beschwerdeführer aus, diese sei bei einer Freiheitsstrafe bis und mit 24
Monaten nur ausnahmsweise anzusetzen, weil grundsätzlich vom Normalfall der
bedingten Strafe auszugehen sei. Der Anwendungsbereich der teilbedingten
Strafe beschränke sich auf Fälle nicht negativer Prognose, bei denen bislang
eine bedingte Strafe gewährt worden sei und bei denen nunmehr unter dem
ergänzenden Gesichtspunkt des Verschuldens ein Teilvollzug möglich werden
solle. Das Obergericht begründe das besonders gravierende Verschulden mit der
Tatsache, dass er eines der Opfer einmalig zum Oralverkehr gezwungen habe.
Die Rechtsprechung, wonach der Unrechtsgehalt einer Nötigung zur Duldung des
Oralverkehrs ähnlich dem Unrechtsgehalt einer Vergewaltigung sei, habe das
Obergericht hingegen bereits bei der Strafzumessung genügend berücksichtigt
und mit 24 Monaten eine eher hohe Strafe ausgefällt. Das Verschulden wiege im
vorliegenden Fall nicht so schwer, dass ein Teilvollzug als Rache- bzw.
Denkzettel angewendet werden müsse. Dies insbesondere auch, weil er nicht
einschlägig vorbestraft sei und seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft
ein tadelloses Leben führe. Schliesslich begründe das Obergericht nicht,
weshalb die Gesamtstrafe halbiert werden soll. Die fehlende Begründung führe
zum Schluss, dass die "Halbierung" willkürlich erfolgt sei (Beschwerde Ziff.
3 S. 11 ff.).

4.
Am 1. Januar 2007 ist die Revision des Allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Sie brachte eine grundlegende Neuordnung
des Sanktionensystems (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998; BBl 1999 II S.
1984). Zentrales Anliegen der Revision war das Zurückdrängen der kurzen
Freiheitsstrafe, die Einführung alternativer Sanktionen wie der Geldstrafe
oder der gemeinnützigen Arbeit als eigenständige Sanktionsform sowie die
Ausdehnung des bedingten Strafvollzuges (bundesrätliche Botschaft, S. 2017
ff., 2024 ff., 2032 ff., 2048 ff.). Daneben wurde die sog. teilbedingte
Strafe als Mittellösung zwischen dem vollständigen Aufschub der Strafe und
deren Vollzug eingeführt.

5.
5.1 Art. 42 StGB ("bedingte Strafen") regelt die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges: Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von
mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn
eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der
Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB).
Eine bedingte Strafe kann mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer
Busse nach Artikel 106 verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB).

5.2 In subjektiver Hinsicht hat das Gericht für die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges wie bisher eine Prognose über das zukünftige Verhalten des
Täters zu stellen.

5.2.1 Die vom Bundesgericht entwickelten Prognosekriterien bleiben weiterhin
massgebend. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein dauerndes
Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen
Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den
Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen,
die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner
Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein
Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind etwa
strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten,
das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Dabei
sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit
einzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige
Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser
Acht zu lassen. Wie bei der Strafzumessung (Art. 50 StGB) müssen die Gründe
im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des
Bundesrechts überprüfen lässt (BGE 128 IV 193 E. 3a; 118 IV 97 E. 2b).

5.2.2 Die Anforderungen an die Prognose der Legalbewährung für den
Strafaufschub liegen allerdings unter neuem Recht etwas tiefer. Früher setzte
der Aufschub der Strafe voraus, dass zu erwarten ist, der Verurteilte werde
sich durch eine bedingt vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abhalten
lassen (Art. 41 Ziff. 1 StGB a. F.). Die Erwartung künftigen Wohlverhaltens
hatte eine sehr bestimmte zu sein. Der Täter musste zureichende Gewähr für
eine dauernde Besserung bieten, um auf eine positive Prognose schliessen zu
können (BGE 100 IV 9 E. 2 S. 11). Eine bloss unbestimmte Hoffnung, er werde
sich künftig wohl verhalten, genügte für die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs nicht (BGE 100 IV 133).

Nach Art. 42 Abs. 1 StGB hat das Gericht neu den Vollzug der Strafe in der
Regel aufzuschieben, "wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint,
um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten".
Das bedeutet natürlich nicht, dass das Gericht eine Wirkungsprognose darüber
abzugeben hat, ob eine unbedingte Strafe zur Verhinderung künftiger
Delinquenz geeignet und notwendig ist (siehe dazu Günter Stratenwerth, Das
künftige System der Sanktionen im Erwachsenenstrafrecht - ein
kriminalpolitischer Fortschritt? In: Zwischen Mediation und Lebenslang,
Zürich 2002, S. 375). Die Neufassung hat eine andere Bedeutung: Während
früher eine günstige Prognose erforderlich war, genügt nunmehr das Fehlen
einer ungünstigen Prognose (Botschaft, S. 2049). Die Lehre spricht in diesem
Zusammenhang von einer Vermutungsumkehr, mit der das Hauptgewicht weiter zu
Gunsten des bedingten Vollzuges verlagert werden soll (Esther Omlin,
Strafgesetzbuch, Revision des Allgemeinen Teils, Basel 2006, S. 9; Georges
Greiner, Bedingte und teilbedingte Strafen, Strafzumessung, in: Zur Revision
des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafrechts und zum neuen
materiellen Jugendstrafrecht, Felix Bänziger/Annemarie Hubschmid/Jürg
Sollberger [Hrsg.], 2. Aufl., Bern 2006, S. 99; Brigitte Tag,
Strafgesetzbuch: Ein Überblick über die Neuerungen, Plädoyer 2007 1 S. 38).
Die Gewährung des Strafaufschubes setzt mit anderen Worten nicht mehr die
positive Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren, sondern es genügt
die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der
Strafaufschub ist deshalb die Regel, von der grundsätzlich nur bei
ungünstiger Prognose abgewichen werden darf. Er hat im breiten Mittelfeld der
Ungewissheit den Vorrang (Botschaft, S. 2049; Günter Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2. Aufl., Bern 2006, § 5 Rz.
38 S. 139).

5.2.3 Eine Besonderheit in der Prognosebildung gilt für den Fall, dass der
Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer Freiheitsstrafe
von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 180
Tagessätzen verurteilt worden ist (Art. 42 Abs. 2 StGB). Liegt ein Rückfall
im Sinne dieser Bestimmung vor, ist der Aufschub nur zulässig, "wenn
besonders günstige Umstände vorliegen". Darunter sind solche Umstände zu
verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose verschlechtert
(Botschaft, S. 2050). Bei Art. 42 Abs. 2 StGB gilt demnach die Vermutung
einer günstigen Prognose bzw. des Fehlens einer ungünstigen Prognose nicht.
Vielmehr kommt der früheren Verurteilung zunächst die Bedeutung eines Indizes
für die Befürchtung zu, dass der Täter weitere Straftaten begehen könnte
(Stratenwerth, a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141). Die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges kommt daher nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung aller
massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine
begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die
indizielle Befürchtung durch die besonders günstigen Umstände zumindest
kompensiert werden (ähnlich: Greiner, a.a.O., S. 101). Das trifft etwa zu,
wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei
Zusammenhang steht, oder bei einer besonders positiven Veränderung in den
Lebensumständen des Täters (Botschaft, S. 2050; Greiner, a.a.O., S. 101;
Stratenwerth, a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141). Jedenfalls ist bei eindeutig
günstiger Prognose der Strafaufschub stets zu gewähren (vgl. Stratenwerth,
a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141).

Die Vorschrift von Art. 42 Abs. 2 StGB stellt klar, dass der Rückfall für
sich genommen den bedingten Strafvollzug nicht auszuschliessen vermag, im
Gegensatz zum früheren Recht (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB a.F.). Danach war
der Aufschub unzulässig, wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf
Jahre vor der Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder
Vergehens eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst hat. Die
neue Regelung begünstigt den bedingten Strafvollzug damit in zweifacher
Hinsicht. Zum einen ist das Strafmass, das gegen eine günstige Prognose
spricht, praktisch verdoppelt worden (auf sechs Monate). Zum anderen stellt
selbst die Verurteilung von dieser Tragweite keinen objektiven
Ausschlussgrund mehr dar, sondern ist in jedem Fall in die Prognosebildung
miteinzubeziehen (Stratenwerth, a.a.O., § 5 Rz. 40 ff. S. 140 f.; zu den eher
theoretischen Verschärfungen: Greiner, a.a.O., S. 100 f.).
5.2.4 Bei der Prognose über das künftige Legalverhalten ist als weiteres
Indiz zu berücksichtigen, ob der Täter die zumutbare Schadenbehebung
unterlassen hat (Art. 42 Abs. 3 StGB). Zu denken ist etwa an Fälle, in denen
der Täter nach einer behördlichen Aufforderung oder einer Schuldanerkennung
sich trotz Ersatzfähigkeit weigert, den verursachten Schaden zu ersetzen
(Omlin, a.a.O., S. 10; vgl. BGE 77 IV 136 E. 2).

5.3 In objektiver Hinsicht setzt der Aufschub einer Freiheitsstrafe einzig
eine Untergrenze (mindestens sechs Monate) und eine Obergrenze (höchstens
zwei Jahre) voraus, womit die Zulässigkeitsschranke des bedingten
Strafvollzuges von bisher 18 Monaten angehoben wurde.

5.4 Mit der Umschreibung der subjektiven und objektiven Voraussetzungen des
bedingten Strafvollzuges hat der Gesetzgeber ein insgesamt erfolgreiches
Institut ausgebaut. Dabei hat er die Ungewissheit in der Prognosestellung
berücksichtigt, in der Erkenntnis, dass sich 90 Prozent der verurteilten
Personen während der Probezeit bewähren, und geleitet vom Grundgedanken, dass
auf die Vollstreckung der Strafe (vorerst) verzichtet werden soll, wenn dies
unter spezialpräventiven Gesichtspunkten als sinnvoll erscheint (Botschaft,
S. 2048, 2052).

5.5
5.5.1 Aufgrund einer nachträglichen Gesetzesanpassung wurde Art. 42 Abs. 4
StGB eingeführt, der eine Strafenkombination erlaubt. Dadurch soll im Bereich
der Massendelinquenz die Möglichkeit geschaffen werden, eine spürbare
Sanktion zu verhängen. Die Bestimmung dient vorab dazu, die
Schnittstellenproblematik zwischen der unbedingten Busse (für Übertretungen)
und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (Botschaft des
Bundesrates zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13.
Dezember 2002 vom 29. Juni 2005; BBl 2005 S. 4689, 4695, 4699 ff.). Insoweit,
also im Bereich der leichten Kriminalität, übernimmt sie auch Aufgaben der
Generalprävention.

5.5.2 Darüber hinaus erhöht die Strafenkombination ganz allgemein die
Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Sie kommt in
Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe
gewähren möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung
einer zu bezahlenden Geldstrafe oder Busse einen spürbaren Denkzettel
verabreichen möchte. Die Strafenkombination dient hier spezialpräventiven
Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der bedingten Freiheitsstrafe, während
der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung
zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine
zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der
schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die
an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw.
Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen (BGE 124 IV 134 E. 2c/bb).
Die Strafenkombination, wie sie Art. 42 Abs. 4 StGB vorsieht, ist im Verlaufe
der Revision als "sursis qualitativement partiel" bezeichnet worden.

6.
6.1 Mit Art. 43 StGB (dt. "teilbedingte Strafen"; frz. "sursis partiel à
l'exécution de la peine; ital. "pene con condizionale parziale") wird für die
schweizerische Rechtsordnung ein bislang unbekanntes Institut eingeführt: Das
Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und
höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um
dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB).
Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen
(Art. 43 Abs. 2 StGB); sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende
Teil der Freiheitsstrafe muss mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs.
3 StGB).

6.2 Die Grundidee der teilbedingten Strafe ist in erster Linie auf den
teilweisen Aufschub bzw. Vollzug von Freiheitsstrafen zugeschnitten. Das
Gericht kann einen (kleinen) Teil der Strafe als unbedingt vollziehbar
erklären, während der Vollzug des anderen (grösseren) Teils zur Bewährung
ausgesetzt wird. Der Bundesrat hat dieses Rechtsinstitut "trotz Bedenken"
vorgeschlagen im Wesentlichen aus folgenden Überlegungen: (1.) Das Gericht
steht mit dem sursis partiel nicht mehr vor dem Entscheid "Alles oder
Nichts", sondern erhält einen grösseren Ermessenspielraum und kann die Strafe
besser individualisieren. (2.) Der sursis partiel kann dazu beitragen, dass
die Richter bei Strafen zwischen 18 und 36 Monaten eher zu einer günstigen
Prognose neigen, wenn ein Teil der Strafe unbedingt vollzogen werden kann.
Damit wird der Befürchtung begegnet, die Richter würden bei einer Anhebung
des bedingten Strafvollzuges auf 36 Monaten vermehrt unbedingte Strafen
ausfällen (sog. ergebnisorientierte Sanktionsentscheidungen), was eine
spürbare Mehrbelastung des Strafvollzuges zur Folge haben könnte. (3.) Der
sursis partiel kann dazu führen, dass Freiheitsstrafen zwischen zwölf und
achtzehn Monaten, die sonst unbedingt ausgesprochen würden, teilbedingt
verhängt werden (Botschaft, S. 2052 f.).
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anhebung der Obergrenze beim bedingten
Strafvollzug von achtzehn Monaten auf drei Jahre wurde vom Parlament als zu
weitgehend empfunden, und es reduzierte die Obergrenze auf zwei Jahre (Art.
42 Abs. 1 StGB). In der parlamentarischen Beratung wurde dabei
verschiedentlich Bezug genommen auf die Einführung des sursis partiel (Voten
NR Cina, Leuthard und de Dardel, AB 2001 N 561 f.; zum Zusammenhang:
Karl-Ludwig Kunz, Zur Neugestaltung der Sanktionen des Schweizerischen
Erwachsenenstrafrechtes, ZStrR 117/1999 S. 248; André Kuhn, Le sursis et le
sursis partiel selon le nouveau Code pénal, ZStrR 121/2003 S. 273).

Die Abgrenzung zwischen dem bedingten und dem teilbedingten Strafvollzug
blieb im Gesetzgebungsprozess unklar. Nach der bundesrätlichen Botschaft war
darauf abzustellen, ob der Aufschub der Strafe nicht notwendig erscheint, um
den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen abzuhalten, bzw. ob der
Teilvollzug unter dem nämlichen Gesichtspunkt als notwendig erscheint (Art.
43 gemäss Botschaft, S. 2309). Im Auftrag der Rechtskommission des
Ständerates erarbeitete die Verwaltung in der Folge einen Vorschlag zum
sursis partiel, der sich nicht nur auf Freiheitsstrafen, sondern auf alle
Strafarten beziehen sollte. Bei dieser Gelegenheit wurde der Gesetzestext neu
gefasst und die sog. Verschuldensklausel eingeführt (Art. 43 Abs. 1 StGB).
Die Voraussetzungen des "Verschuldens" wurden nicht mehr schriftlich
begründet und auch in der Rechtskommission des Ständerates nicht mehr
angesprochen. Der Vorschlag wurde Gesetz - und blieb damit in einem
entscheidenden Punkt ohne nähere Begründung (Greiner, a.a.O., S. 114 und Anm.
42; Franz Riklin, Strafen und Massnahmen im Überblick, in: Die Revision des
Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, hrsg. von Brigitte Tag/Max Hauri, Zürich
2006, S. 90 f.).
6.3
6.3.1 Grundvoraussetzung für die teilbedingte Strafe im Sinne von Art. 43 StGB
ist, dass eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Zwar fehlt ein
entsprechender Verweis auf Art. 42 StGB, doch ergibt sich dies aus Sinn und
Zweck von Art. 43 StGB. Wenn und soweit die Legalprognose des Täters nicht
schlecht ausfällt, verlangt die Bestimmung, dass zumindest ein Teil der
Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass bei einer
Schlechtprognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe nicht
gerechtfertigt ist. Denn wo keinerlei Aussicht besteht, der Täter werde sich
in irgendeiner Weise durch den - ganz oder teilweise - gewährten
Strafaufschub beeinflussen lassen, muss die Strafe in voller Länge vollzogen
werden. Die Auffassung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 42 StGB
auch für die Anwendung von Art. 43 StGB gelten müssen, entspricht ganz
überwiegender Lehrmeinung (statt vieler Stratenwerth, a.a.O., § 5 Rz. 50 S.
144; Greiner, a.a.O., S. 111 ff.; Schwarzenegger/Hug/Jositsch, Strafrecht II,
8. Aufl., Zürich 2007, S. 130 ff.; a.M. Kuhn, a.a.O., ZStrR 121/2003 S. 273
und Anm. 36).

6.3.2 Die objektiven Voraussetzungen der beiden Bestimmungen stimmen hingegen
nicht überein, wodurch sich der bedingte Strafvollzug (Art. 42 StGB) vom
teilbedingten Vollzug (Art. 43 StGB) abgrenzt. Teilbedingte Freiheitsstrafen
bis zu einem Jahr sind unzulässig. Für Strafen bis zu zwei Jahren ergibt sich
ein überschneidender Anwendungsbereich mit Art. 42 StGB, während für Strafen
von zwei bis drei Jahren ausschliesslich Art. 43 StGB zur Anwendung gelangt.
Rechtsvergleichend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Schweiz
praktisch als einzige europäische Rechtsordnung (mit Ausnahme von Österreich)
für den bedingten und den teilbedingten Strafvollzug verschiedene zeitliche
Begrenzungen kennt (Greiner, a.a.O., S. 110 und 119 ff.).
6.3.3 Die Voraussetzung, dass eine teilbedingte Strafe nach Art. 43 StGB
notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen,
d.h. in angemessener Weise (so der französische Wortlaut: de façon
appropriée), ist weitgehend unklar. Unter dem Begriff des Verschuldens ist
das Mass der Vorwerfbarkeit des Rechtsbruchs zu verstehen, er umfasst den
gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat (BGE 129 I 6 E.
6.1). Der Begriffsinhalt richtet sich nach der Legaldefinition von Art. 47
Abs. 2 StGB. Gemeint ist die Strafzumessungsschuld. Das Verschulden ist daher
zunächst und vor allem ein Bemessungskriterium bei der Strafzumessung.

Für die Beurteilung, ob eine teilbedingte Strafe wegen des Verschuldens des
Täters und unter Berücksichtigung seiner Bewährungsaussichten als notwendig
erscheint, kann es indessen auf die Strafzumessungsschuld nicht mehr in
gleicher Weise ankommen. Denn im Zeitpunkt, in dem das Gericht über die
Gewährung des Strafaufschubes befindet, muss die Strafhöhe bereits
feststehen, und es geht nur noch um die angemessene Vollzugsform. Allerdings
verknüpft das Gesetz die Frage nach der schuldangemessenen Strafe und jene
nach deren Aufschub insoweit, als es den bedingten Strafvollzug für Strafen
ausschliesst, die zwei Jahre übersteigen. Die Notwendigkeit einer
teilbedingten Freiheitsstrafe ergibt sich dann als Folge der Schwere des
Verschuldens, das sich in einer Strafhöhe zwischen zwei und drei Jahren
niederschlägt. Darin liegt ein Anhaltspunkt für die Bedeutung der
Verschuldensklausel.

6.4 Zu klären ist, ob für Freiheitsstrafen bis zwei Jahre (im
überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB) eine ähnliche
Verknüpfung im Hinblick auf anerkannte Strafzwecke zu erfolgen hat.

6.4.1 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die Strafzwecke
gegeneinander abzuwägen und in eine Rangfolge zu bringen, wobei dem Anliegen
der Spezialprävention grundsätzlich ein Vorrang zukommt. Zum einen dient das
Strafrecht in erster Linie nicht der "Vergeltung", sondern der
Verbrechensverhütung (BGE 129 IV 161 E. 42 S. 164, mit Hinweisen). Dies
bringt der Gesetzgeber nicht nur mit der Bezeichnung der Resozialisierung als
Ziel des Strafvollzuges zum Ausdruck (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 StGB), sondern
insbesondere auch mit der Ausweitung des bedingten Strafvollzugs als
ausgesprochen spezialpräventive Einrichtung (E. 2; Hans Schultz, Einführung
in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Zweiter Band, 4. Aufl., Bern 1982,
S. 96). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Konfliktsfall ein
"Vorrang" der Generalprävention spezialpräventive Ziele zu vereiteln droht,
die Bevorzugung der Spezialprävention hingegen die generalpräventiven
Wirkungen einer Sanktion nicht zum Vornherein ausschliesst, sondern höchstens
in einer schwer messbaren Weise abschwächt. Die Strafzwecke bilden ein
komplexes Verhältnis wechselseitiger Ergänzung, wobei je nach
Sachzusammenhang das eine oder das andre Kriterium stärker hervortritt (BGE
124 IV 246 E. 2b S. 248; 120 IV 1 E. 2b S. 4, je mit Hinweisen).

6.4.2 Der Sinn des Instituts der teilbedingten Freiheitsstrafen ist vor dem
Hintergrund der kriminalpolitischen Auseinandersetzung um die kurze
Freiheitsstrafe zu verstehen. Vereinfachend lässt sich diese auf zwei
Argumentationsmodelle zurückführen. Nach dem einen dient der Teilvollzug zur
Abschreckung Dritter oder zur exemplarischen Bestrafung bei weit verbreiteten
Delikten der kleineren und mittleren Kriminalität (z.B. SVG-Delikte),
orientiert sich also vornehmlich an generalpräventiven und
Vergeltungszwecken. Der Gefahr, dass der bedingte Strafvollzug seine
Warnwirkung verliere, sei mit einer spürbaren Reaktion in Form eines kurzen
Freiheitsentzuges zu begegnen (sog. short sharp shock). Das zweite Modell
betont den Strafzweck der Spezialprävention und zielt auf eine Milderung
strafrechtlicher Eingriffsintensität hin. Der Teilvollzug soll nur zur
Anwendung gelangen, wenn eine unbedingte Freiheitsstrafe ohnehin unumgänglich
ist, und dadurch einen Beitrag zur Zurückdrängung des Freiheitsentzuges und
zur Entlastung der Gefängniskapazitäten leisten (zum Ganzen Markus Hans
Knüsel, Die teilbedingte Freiheitsstrafe, Diss. Bern 1995, S. 92, 124, 175
ff. und passim).

6.4.3 Erklärtes Ziel der Revision war, mit teilbedingten Strafen im Sinne von
Art. 43 StGB die Sanktion in erhöhtem Masse zu individualisieren und den
Strafvollzug zu entlasten, namentlich dort, wo früher eine unbedingte Strafe
verhängt werden musste. Das gilt ohne Einschränkung für zwei Jahre
übersteigende Freiheitsstrafen, wobei die Möglichkeit zur Individualisierung
durch die Obergrenze des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 Abs. 1 StGB) bzw.
die Verschuldensklausel (Art. 43 Abs. 1 StGB) begrenzt wird. Wohl trifft zu,
dass solche Freiheitsstrafen, selbst wenn deren Aufschub unter
spezialpräventiven Gesichtspunkten vorzuziehen wäre, immerhin zum
Schuldausgleich teilweise vollstreckt werden müssen. Etwas anderes muss
jedoch für Freiheitsstrafen gelten, die zwei Jahre nicht überschreiten (in
diesem Sinn Schwarzenegger/Hug/Jositsch, a.a.O., S. 126 ff., 131, 139 ff.;
Markus Hug, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, 17. Aufl., Zürich 2006, zu
Art. 43 StGB; a.M. offenbar Stratenwerth, a.a.O., § Rz. 50 S. 144; vgl. aber
Ders., Die Wahl der Sanktionen, insbesondere nach revidiertem AT StGB, in:
Strafjustiz und Rechtsstaat, hrsg. von Marcel Alexander Niggli/Nicolas
Queloz, Zürich 2003, S. 12). Das Gesetz statuiert hier nämlich die Regel von
Art. 42 StGB, die vorgeht. Daran knüpft sich die Erwartung, der Verurteilte
werde sich unter dem Eindruck des drohenden Strafvollzuges (und allfälliger
Weisungen und Bewährungshilfen) in Freiheit selbst bessern, ohne dass ein
unmittelbarer Zugriff zum Ausgleich des bewirkten Unrechts angeordnet werde
dürfte. Der Strafzweck des Schuldausgleichs (das Vergeltungsprinzip) besagt
denn auch nur, dass die Strafe der Grösse der Schuld entsprechen soll, was
eine drastische Bestrafung des Täters bei geringem Verschulden verbietet
(Claus Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl., München 2006, §
3 Rz. 2 ff., insbes. 7 S. 72). Über diese begrenzende Funktion hinaus kommt
ihm keine weitere Bedeutung zu, nicht bei der Strafzumessung und erst recht
nicht beim Vollzug, weil dieser dem vorrangigen Anliegen der
Spezialprävention dient. So hat das Bundesgericht in Vollzugsfragen
wiederholt auf den Grundsatz "nil nocere" hingewiesen, der gebietet, den
Verurteilten bei einer sich abzeichnenden Resozialisierung möglichst wenig zu
gefährden (BGE 121 IV 97 E. 2c, mit Hinweis).
Ebenso wenig kann massgebend sein, ob die teilweise Vollstreckung der Strafe
unter generalpräventiven Gesichtspunkten als geboten erscheint, um andere von
der Begehung von Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Eine solche
Vorbehaltsklausel, wie sie das Strafgesetzbuch Österreichs zum Zwecke der
Generalprävention kennt (§ 43 Abs. 1 österr. StGB) sieht Art. 43 StGB nicht
vor. Auf eine entsprechende Anpassung des Gesetzestextes wurde ausdrücklich
verzichtet (Botschaft 2005, S. 4708). Hinzuzufügen ist, dass der Gesetzgeber
dem Konzept des short sharp shock eine Absage erteilt hat mit der Vorschrift,
dass mindestens sechs Monate der Freiheitsstrafe (Art. 43 Abs. 3 StGB) zu
vollziehen sind (Riklin, a.a.O., S. 87; Ders., Die Sanktionierung von
Verkehrsdelikten nach der Strafrechtsreform, ZStrR 122/2004 S. 171), was
nicht zulässt, zur Befriedigung generalpräventiver Bedürfnisse am
individuellen Täter ein Exempel zu statuieren. Aus diesen Gründen darf die
Gewährung des bedingten Strafvollzuges im Sinne von Art. 42 StGB nicht
zugunsten anderer Strafzwecke als jenen der Spezialprävention verweigert
werden.

6.5 Nach den dargelegten Grundsätzen ist der Anwendungsbereich der
teilbedingten Freiheitsstrafen im Sinne von Art. 43 StGB zu konkretisieren.

6.5.1 Für Freiheitsstrafen, die über der Grenze für bedingte Strafen liegen
(zwischen zwei und drei Jahren), sieht Art. 43 StGB einen eigenständigen
Anwendungsbereich vor. An die Stelle des vollbedingten Strafvollzuges, der
hier ausgeschlossen ist (Art. 42 Abs. 1 StGB), tritt der teilbedingte
Vollzug, wenn die subjektiven Voraussetzungen dafür gegeben sind (E. 2.2).
Der Zweck der Spezialprävention findet seine Schranke am gesetzlichen
Erfordernis, dass angesichts der Schwere des Verschuldens wenigstens ein Teil
der Strafe zu vollziehen ist. Hierin liegt die "hauptsächliche Bedeutung"
bzw. der "Hauptanwendungsbereich" von Art. 43 StGB
(Schwarzenegger/Hug/Jositsch, a.a.O., S. 140; Thomas Manhart, Bedingte und
teilbedingte Strafen sowie kurze unbedingte Freiheitsstrafen, in: Die
Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, hrsg. von Brigitte Tag/Max
Hauri, Zürich 2006, S. 131).

6.5.2 Für Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art.
42/43 StGB (zwischen einem und zwei Jahren) gilt Folgendes: Der Strafaufschub
nach Art. 42 StGB ist die Regel, die grundsätzlich vorgeht. Der teilbedingte
Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Sie ist nur zu bejahen, wenn der Aufschub
wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert,
dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird (Robert Jerabek, in:
Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Frank Höpfel/Eckart Ratz, 2.
Aufl., Wien 2003, N. 11 zu § 43a Abs. 3). Damit verhält es sich ähnlich wie
bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Fall eines Widerrufs einer
bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe (BGE 116 IV 97). Ergeben sich -
inbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an
der Legalbewährung des Täters, die bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände
eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht zu begründen vermögen, so kann
das Gericht an Stelle des Strafaufschubs den teilbedingten Vollzug gewähren.
Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma
"Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat die Bedeutung, dass die
Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten
Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt.
Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe
für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich erscheint. Das trifft
nicht zu, solange die Gewährung des bedingten Strafvollzugs, kombiniert mit
einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (Art. 42 Abs. 4 StGB),
spezialpräventiv ausreichend ist. Diese Möglichkeit hat das Gericht vorgängig
zu prüfen.

6.6 Schliesslich hat das Gericht, wenn es auf eine teilbedingte Strafe
erkennt, im Zeitpunkt des Urteils den aufgeschobenen und den zu vollziehenden
Strafteil festzusetzen und die beiden Teile in ein angemessenes Verhältnis zu
bringen. Nach Art. 43 muss der unbedingt vollziehbare Teil mindestens sechs
Monate betragen (Abs. 3), darf aber die Hälfte der Strafe nicht übersteigen
(Abs. 2). Im äussersten Fall (Freiheitsstrafe von drei Jahren) kann das
Gericht demnach Strafteile im Ausmass von sechs Monaten Freiheitsstrafe
unbedingt mit zweieinhalb Jahren bedingt verbinden. Innerhalb des
gesetzlichen Rahmens liegt die Festsetzung im pflichtgemässen Ermessen des
Gerichts. Als Bemessungsregel ist das "Verschulden" zu beachten, dem in
genügender Weise Rechnung zu tragen ist (Art. 43 Abs. 1 StGB). Das Verhältnis
der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der
Legalbewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits
hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die
Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte
Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf dabei das unter
Verschuldensgesichtspunkten (Art. 47 StGB) gebotene Mass nicht
unterschreiten.

7.
7.1 Vorliegend wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 2
Jahren verurteilt. Diese Strafe ist grundsätzlich nach Art. 42 StGB
aufzuschieben (vgl. E. 6.5.2 hiervor). Das Obergericht hat ausgeführt, dass
die Tatumstände für eine ungünstige Prognose nach Art. 42 StGB sprechen
würden. Es hat jedoch auch Gründe aufgeführt, welche eine günstige Prognose
nahelegen und aufgrund welcher es eine vollständige Verbüssung der Strafe
nicht als notwendig erachtet (vgl. E. 3.1 hiervor). Trotz Nennung von
mehreren positiven Faktoren hat das Obergericht nicht begründet, wieso ganz
erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Beschwerdeführers bestehen, so
dass aus spezialpräventiver Sicht ein Strafteil unbedingt vollzogen werden
muss. Das Obergericht hat verkannt, dass der teilbedingte Strafvollzug die
Ausnahme darstellt. Seinen Ausführungen folgend wäre der bedingte
Strafaufschub grundsätzlich zu gewähren. Die Rüge der unrichtigen Anwendung
von Art. 42 und 43 StGB erweist sich deshalb als begründet. Die Beschwerde
ist gutzuheissen und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht
zurückzuweisen. Dabei wird das Obergericht die Anordnung einer
Strafenkombination nach Art. 42 Abs. 4 StGB zu prüfen haben.

7.2 Nach dem Gesagten braucht auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, das
Obergericht habe auf Faktoren abgestellt, die nicht als Grundlage für die
Erteilung einer ungünstigen Prognose dienen dürfen, nicht einzugehen.
Gleiches gilt für die Rüge der fehlenden Begründung der Festlegung der
Strafteile.

8.
Ausgangsgemäss sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Dem
Beschwerdeführer ist eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art.
68 Abs. 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64
Abs. 1 und 2 BGG) gegenstandslos. Die Entschädigung ist jedoch dem Vertreter
des Beschwerdeführers zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 26. April 2007 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Roger
Baumberger, Aarau, eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz