Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.313/2007
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6B_313/2007 /rom

Urteil vom 9. August 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wiprächtiger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Y.________,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Louis Fiabane,

Ehrverletzung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
Strafkammer, vom 24. April 2007.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
X. ________, vertreten durch seinen Vater, wirft seiner geschiedenen Ehefrau
vor, im Rahmen eines Verfahrens auf Abänderung des Scheidungsurteils zwischen
dem 17. Januar und dem 4. Juni 2005 gegenüber Gutachtern in Kreuzlingen
(Kanton Thurgau) Äusserungen über Verhaltensweisen ihres früheren Ehemannes
gemacht zu haben, die dieser für ehrverletzend hält. Am 5. Oktober 2005
begehrte X.________ beim Vermittleramt Goldach (Kanton St. Gallen / Kreis
Rorschach) den Vermittlungsvorstand an. Dieser wurde am 8. November 2005
abgehalten, und der Leitschein datiert vom 9. November 2005. Am 11. November
2005 erhob X.________ beim Kreisgerichtspräsidium Rorschach unter Beilage des
Leitscheins Strafklage gegen die frühere Ehefrau wegen Ehrverletzung. Mit
Entscheid vom 9. Juni 2006 trat der Gerichtspräsident des Kreisgerichts
Rorschach auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Gegen
diesen Entscheid erhob X.________ Berufung. Das Kantonsgericht St. Gallen
stellte das Strafverfahren mit Entscheid vom 24. April 2007 ein.

X. ________, vertreten durch seinen Vater, wendet sich mit Beschwerde ans
Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid des Kantonsgerichts sei
zurückzuweisen. Das eingestellte Strafverfahren sei gemäss seiner Berufung
durchzuführen. Es sei ihm die kostenlose Prozessführung zu bewilligen.

2.
Da der Vater nicht Anwalt ist, kann er seinen Sohn in Strafsachen vor
Bundesgericht nicht vertreten (Art. 40 Abs. 1 BGG), weshalb in Anwendung von
Art. 42 Abs. 5 BGG Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen wäre. Darauf
kann indessen aus prozessökonomischen Gründen verzichtet werden.

3.
Die Staatsanwaltschaft war am kantonalen Verfahren nicht beteiligt, weshalb
der Beschwerdeführer als Privatstrafkläger gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
4 BGG zur Beschwerde vor Bundesgericht legitimiert ist. Die Frage, ob es um
eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" geht (Antrag 4), ist nur bei
gewissen Beschwerden in Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zu prüfen. Die Beschwerde in Strafsachen ist demgegenüber
auch dann zulässig, wenn es nicht um Fragen grundsätzlicher Bedeutung geht.

4.
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG muss in der Beschwerde in gedrängter Form dargelegt
werden, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Ausführungen des
Beschwerdeführers beziehen sich zur Hauptsache nicht auf den angefochtenen
Entscheid. Darauf ist nicht einzutreten.

5.
Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe zwar fristgerecht am 5.
Oktober 2005 den Vermittlungsvorstand anbegehrt. Die Strafklage wegen
Ehrverletzung habe er jedoch erst am 11. November 2005 und damit nach Ablauf
der Strafantragsfrist beim Kreisgerichtspräsidium Rorschach eingereicht.
Selbst wenn indessen die Wiederherstellung dieser Frist möglich wäre, seien
sowohl das Vermittlungsbegehren als auch die Strafklage bei örtlich
unzuständigen Behörden gestellt worden. Weil diese Behörden nach kantonalem
Recht nicht von Amtes wegen zur Weiterleitung verpflichtet gewesen seien, sei
die gesetzliche Verwirkungsfrist dennoch nicht gewahrt worden (angefochtener
Entscheid S. 15 E. 4).

Dazu macht der Beschwerdeführer geltend, seine Sache sei "mit
formaljuristischen Einwänden ... abgewürgt" worden (Beschwerde S. 7 oben).
Damit verkennt er, dass es nicht von vornherein unzulässig ist, ein
Strafverfahren aus formaljuristischen Gründen einzustellen. Nur überspitzter
Formalismus ist unzulässig. Dieser liegt vor, wenn der Richter
Prozessvorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt, und setzt voraus,
dass die strikte Anwendung von Formvorschriften durch keine schutzwürdigen
Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die
Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder
verhindert (BGE 132 I 249 E. 5 S. 253 mit Hinweisen). Überspitzter
Formalismus kann z.B. vorliegen, wenn eine Eingabe rechtzeitig an eine
unzuständige Behörde gelangt ist, von der erwartet werden kann, dass sie die
Eingabe an die zuständige Behörde weiterleitet (vgl. z.B. 118 Ia 241 E. 3c).

Im vorliegenden Fall liegt kein überspitzter Formalismus vor. Obwohl sich das
angeblich strafbare Verhalten der Beschuldigten in Kreuzlingen im Kanton
Thurgau ereignete, begehrte der Beschwerdeführer den Vermittlungsvorstand in
Goldach im Kanton St. Gallen an. Dem Leitschein des Vermittleramtes Goldach
ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer anlässlich des Vorstands keine
Angaben darüber machte, ob die angeblich strafbaren Äusserungen der
Beschuldigten in Goldach oder in Kreuzlingen gefallen sind. Der Vermittler
machte den Beschwerdeführer deshalb im Leitschein in einer besonders
hervorgehobenen "einleitenden Bemerkung zur örtlichen Zuständigkeit"
ausdrücklich darauf aufmerksam, dass Ehrverletzungen am Ort eingeklagt werden
müssen, wo sie begangen wurden. Ohne sich um diesen Hinweis zu kümmern, erhob
der Beschwerdeführer in der Folge am 11. November 2005 in Rorschach/St.
Gallen unter Beilage des Leitscheins Anklage. Dieses grob unsorgfältige
Verhalten muss er sich nun zurechnen lassen. Es wäre an ihm gewesen, den
Hinweis im Leitschein und die örtliche Zuständigkeit zu beachten. Unter den
gegebenen Umständen war es nicht überspitzt formalistisch, wenn das Gericht
in Rorschach mangels örtlicher Zuständigkeit ohne Weiteres auf die Klage
nicht eintrat. Die Beschwerde ist in diesem Punkt als offensichtlich
unbegründet abzuweisen.

6.
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer
die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil
die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist durch eine herabgesetzte Gerichtsgebühr Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Entschädigung
auszurichten, weil sie vor Bundesgericht keine Umtriebe hatte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. August 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: