Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.287/2007
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


6B_287/2007 /rom

Urteil vom 5. Oktober 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt J. Mischa Mensik,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Wiederaufnahme (mehrfacher Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung),

Beschwerde in Strafsachen gegen den Sitzungsbeschluss des Obergerichts des
Kantons Zürich, Revisionskammer, vom 7. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, verbot mit Urteil vom
10. November 1995 X.________ unter Androhung der Bestrafung wegen Ungehorsam
gegen eine amtliche Verfügung nach Art. 292 StGB, "die Entgrat- bzw.
Kantenfräsmaschine des Typs "Swiss Speedy" selber oder durch Dritte
herzustellen, zum Verkauf anzubieten oder sonst in irgendeiner Weise in
Verkehr zu bringen".

B.
Die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkgerichts Zürich sprach
X.________ am 23. August 2005 des mehrfachen Ungehorsams gegen eine amtliche
Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB schuldig und bestrafte ihn mit 7 Tagen
Haft, unter Aufschub des Strafvollzugs und Ansetzung einer Probezeit von
einem Jahr. Die von X.________ dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht
des Kantons Zürich, I. Strafkammer (nachfolgend Obergericht), mit Urteil vom
20. Dezember 2006 ab. Mit Eingabe vom 20. Februar 2007 stellte X.________ ein
Gesuch um Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Revisionskammer des Obergerichts
des Kantons Zürich (nachfolgend Revisionskammer) wies das Gesuch mit
Sitzungsbeschluss vom 7. Mai 2007 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der Beschluss der
Revisionskammer sei aufzuheben und die Rechtssache sei nach Massgabe des
Verfassungsrechts in billiger Weise und fair zu beurteilen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

3.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Anspruchs auf ein faires
Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 BV. Er bringt vor, das Obergericht habe sich im
Urteil vom 20. Dezember 2006 auf ein ungültiges Zivilurteil des
Bezirksgerichts Dielsdorf (nachfolgend Bezirksgericht) vom 2. März 2006
berufen, welches vom Obergericht, II. Zivilkammer, am 30. Oktober 2006
aufgehoben worden sei.

3.1 Gemäss den Ausführungen der Revisionskammer war das Urteil des
Bezirksgerichts für die Entscheidfindung des Obergerichts ohne Bedeutung.
Daran vermöge auch der Umstand, dass das Obergericht zweimal den Entscheid
des Bezirksgerichts erwähnte, nichts zu ändern. Das Obergericht habe
bezüglich der Fragen des Konkurrenzverbots und der Kündigung während des
Konkurrenzverbots auf die rechtskräftigen, vom Bundesgericht bestätigten
Urteile der II. Zivilkammer des Obergerichts vom 10. November 1995 und des
Handelsgerichts vom 29. September 1997 verwiesen. Daraus ergebe sich, dass
das Obergericht auch in Kenntnis des Rückweisungsbeschlusses der II.
Zivilkammer des Obergerichts vom 30. Oktober 2006 nicht anders entschieden
hätte (angefochtenes Urteil Ziff. 3 S. 5).

3.2 Der Beschwerdegegner bringt dagegen vor, das Urteil des Bezirksgerichts
sei für das Urteil des Obergerichts von entscheidungserheblicher Bedeutung
gewesen, habe es doch dieses Urteil auf zwei Seiten seiner Urteilserwägungen
zitiert. Indem die Revisionskammer ausführe, das Obergericht hätte auch in
Kenntnis des Rückweisungsbeschlusses der II. Zivilkammer nicht anders
entschieden, habe es unzulässigerweise präjudiziert, dass er das
Konkurrenzverbot tatsächlich verletzt habe. Verneine der Zivilrichter die
Verletzung des Konkurrenzverbots, so werde die Anklage gegenstandlos. Die
Revisionskammer nehme in unbilliger Weise in Kauf, dass im Kanton Zürich
Strafurteile mit "ungültigen Entscheidungsgrundlagen" begründet werden
könnten. Eine "Rechtsquelle dieser Art" widerspreche dem Billigkeitsprinzip.
Obschon das Obergericht um die Rechtshängigkeit des Rechtsmittelverfahrens
gewusst habe, habe es den Entscheid, ob er das Konkurrenzverbot tatsächlich
verletzt habe, nicht abgewartet. Die spekulative Annahme der Revisionskammer,
wonach das Obergericht auch in Kenntnis des Rückweisungsbeschlusses nicht
anders entschieden hätte, sei unbillig. Ein auf ein ungültiges Zivilurteil
gestütztes Strafurteil widerspreche zudem dem Grundsatz von Treu und Glauben
des rechtsstaatlichen Handelns nach Art. 9 BV (Beschwerde Ziff. 5.4 - 5.7 S.
5 f.).
3.3 Gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG prüft das Bundesgericht die Verletzung von
Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und begründet worden ist. Es gelten dieselben Begründungsanforderungen wie
bisher nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG bei der staatsrechtlichen Beschwerde.
Danach muss eine Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche
Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid
verletzt worden sind. Dabei prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen
und bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495, mit
Hinweisen).

3.4 Die Revisionskammer hat unter teilweiser Bezugnahme auf das Urteil des
Obergerichts ausgeführt, wieso der Entscheid des Obergerichts nicht auf einem
ungültigen Zivilurteil beruhe (vgl. E. 3.1 hiervor). Insofern liegt weder
eine ungültige Entscheidungsgrundlage noch ein Präjudiz vor, dass der
Beschwerdeführer das Konkurrenzverbot tatsächlich verletzt habe. Der
Beschwerdeführer setzt sich überdies nicht in genügender Weise mit den
Begründungen der Revisionskammer auseinander. Seine Rügen, wonach das
rechtsungültige Urteil des Bezirksgerichts einen wesentlichen Bestandteil des
angefochtenen Urteils bilde und seine Verurteilung auf einem rechtsungültigen
Zivilurteil basiere, hat er bereits in seinem Gesuch um Wiederaufnahme
vorgebracht. Seine Vorbringen erschöpfen sich deshalb in einer
appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. Die Rügen des
Beschwerdeführer erweisen sich als unbegründet, soweit darauf einzutreten
ist.

3.5 Weiter rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf das
rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Revisionskammer habe sich weder
formell noch materiell mit seiner Einrede der Verjährung auseinandergesetzt
(Beschwerde Ziff. 6 S. 6).

3.6 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergibt sich
für den Richter die Pflicht, seinen Entscheid zu begründen. Er muss
wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen aufzeigen, von denen er sich
leiten liess, so dass der Betroffene den Entscheid in voller Kenntnis der
Sache anfechten kann. Der Bürger soll wissen, warum entgegen seinem Antrag
entschieden wurde. Dabei muss sich der Richter nicht mit allen tatsächlichen
Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinandersetzen. Er kann sich
vielmehr auf die für seinen Entscheid erheblichen Gesichtspunkte beschränken
(BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f., mit Hinweisen).

3.7 Nach Art. 449 Ziff. 3 StPO ZH ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zu
Gunsten eines Verurteilten möglich, wenn Tatsachen und Beweismittel geltend
gemacht werden, die dem erkennenden Richter nicht bekannt gewesen waren.

3.8 Die Revisionskammer hat hinlänglich begründet, wieso die Aufhebung des
Zivilurteils keine neue, rechtserhebliche Tatsache darstellt (vgl.
angefochtenes Urteil Ziff. 3 S. 5). Bei dem vom Beschwerdeführer erhobenen
Einwand der Verjährung handelt es sich demgegenüber weder um eine Tatsache
noch um ein Beweismittel. Diese Rüge war für die Entscheidfindung der
Revisionskammer somit nicht entscheidrelevant. Indem sie nicht darauf
eingegangen ist, hat sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf das
rechtliche Gehör nicht verletzt.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, Revisionskammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Oktober 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: