Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.266/2007
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6B_266/2007 /bri

Urteil vom 31. Juli 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wiprächtiger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel.

Angriff,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 18. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Der Strafgerichtspräsident von Basel-Stadt verurteilte X.________ am 3. April
2006 wegen Angriffs (Art. 134 StGB) und Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB) zu
einer bedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen. Er hielt für erwiesen, dass
X.________, Torhüter des SC A.________, am 2. November 2003, nach einem
hektischen Fussballspiel gegen den FC B.________, den gegnerischen Stürmer
C.________ bedroht ("er werde ihn kaputtmachen") und anschliessend im
Kabinengang zusammen mit D.________, E.________, F.________ und G.________
tätlich angegriffen und geschlagen hat.

Auf Appellation des X.________ hin stellte das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt das Verfahren am 18. April 2007 wegen Drohung zufolge
Verspätung des Strafantrags ein. Es sprach ihn des Angriffs schuldig und
verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 80
Franken.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, dieses Urteil des
Appellationsgerichts aufzuheben und ihn freizusprechen oder eventuell die
Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen ans Appellationsgericht
zurückzuweisen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf den Aussagen seiner
Mitangeklagten; er selber hat die Vorwürfe zurückgewiesen, und der
Angegriffene hat ihn nicht als Angreifer erkannt.

Unbestritten ist, dass C.________ nach dem Spielende im Garderobengang von
mehreren Spielern des FC A.________ angegriffen und geschlagen wurde.
D.________, E.________, F.________ haben zugegeben, an diesem Angriff
beteiligt gewesen zu sein und sind dafür in der Zwischenzeit rechtskräftig
verurteilt worden. Auch wenn sie den Ablauf der Schlägerei im Detail
unterschiedlich schildern, so haben alle drei in der staatsanwaltschaftlichen
Befragung ausgesagt, dass der Beschwerdeführer (und sein Bruder) daran aktiv
teilgenommen haben. An der erstinstanzlichen Hautpverhandlung, welche 2 Jahre
und 5 Monate nach dem Vorfall stattfand, sagte D.________ gemäss
handschriftlichem Protokoll aus, er habe C.________ geschlagen. Im Anschluss
daran sagte er auf Grund einer nicht protokollierten Frage, die indessen nach
dem Zusammenhang nur dahingehend gelautet haben kann, wer sonst noch
zugeschlagen habe: "Alle, die in diesem Raum waren, halt, nicht namentlich."
Auf ebenfalls nicht protokollierte Frage hin führte der Beschwerdeführer
anschliessend aus: "Ja, ich musste durch diesen Raum nach oben. Ich habe gar
nichts gemacht." Auch der Sinn dieses Satzes kann nicht zweifelhaft sein. Der
Beschwerdeführer bestätigte, zur Tatzeit am Tatort gewesen zu sein, bestritt
indessen, sich an der Schlägerei beteiligt zu haben. E.________ gab zu
Protokoll, er sei vergesslich und könne sich an nichts erinnern. F.________
bestätigte, selber zugeschlagen zu haben. Zum Tatbeitrag des
Beschwerdeführers äusserte er sich nicht und wurde dazu auch nicht gefragt.

Der Strafgerichtspräsident hielt den Beschwerdeführer auf Grund der Aussagen
des D.________, E.________ und des F.________ für überführt, am Angriff auf
C.________ mitgewirkt zu haben. Dessen Bestreitung schenkte er keinen
Glauben, weil sie widersprüchlich sei: so habe er im Ermittlungsverfahren
ausgesagt, den Angriff auf C.________ mitbekommen und einen
Schlichtungsversuch unternommen zu haben, während er an der Hauptverhandlung
ausgesagt habe, er habe nach Spielende sofort das Spielfeld gewechselt, da er
aushilfsweise noch für eine andere Mannschaft gespielt habe. Für das
Appellationsgericht ist die Täterschaft ebenfalls erstellt, da die
geständigen D.________, E.________ und F.________ keinen Anlass gehabt
hätten, ihren Mannschaftskameraden zu Unrecht anzuschwärzen und keiner von
ihnen das Eingreifen des Beschwerdeführers als Schlichtungsversuch gedeutet
habe.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Recht, Fragen an die
Belastungszeugen - seine drei Mitangeklagten - zu stellen, sei verletzt, da
er mit diesen nie in einer den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK
entsprechenden Weise konfrontiert worden sei. Die einzige Gegenüberstellung
habe an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung stattgefunden. An dieser sei
er indessen von den drei Mitangeklagten nicht konkret beschuldigt worden.
E.________ habe sich an nichts mehr erinnern können. F.________ habe einzig
zu Protokoll gegeben, dass er selber auch geschlagen habe. D.________ habe
ebenfalls zugestanden, selber geschlagen zu haben. Nach dem Protokoll habe er
dann auf eine Frage hin geantwortet: "Alle, die in diesem Raum waren, halt,
nicht namentlich". Es sei nicht nachvollziehbar, auf welche Frage D.________
geantwortet habe. Auch wenn diese Antwort bedeuten sollte, alle Anwesenden -
auch der Beschwerdeführer - hätten auf C.________ eingeschlagen, so sei
dieser Hinweis äusserst pauschal und erst auf Nachfrage hin ergangen.
Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass er an der Hauptverhandlung
von keinem der Mitangeklagten beschuldigt worden sei, C.________ geschlagen
zu haben, weshalb er den vermeintlichen Belastungszeugen keine
Ergänzungsfragen habe stellen können. Wiederhole aber ein Zeuge seine
Belastungen anlässlich der Konfrontation nicht, so dürften diese, wie wenn
keine Konfrontation stattgefunden hätte, nicht verwertet werden. Seine
Verurteilung aufgrund der Aussagen seiner Mitangeklagten sei daher
unzulässig.

2.2 Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ausdrücklich verankerte Anspruch des
Angeklagten, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen, gehört zu den
Grundzügen des von Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie von den Art. 29 - 32 BV
garantierten rechtsstaatlichen Verfahrens, weshalb ihm nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich absoluter Charakter zukommt
(BGE 125 I 127 E. 6c/cc S. 135). Danach muss der Beschuldigte einmal während
des Verfahrens die Gelegenheit erhalten, dem Belastungszeugen Fragen zu
stellen (BGE a.a.O. E. 6c/aa S. 134 und 6c/ee S. 136 f.).
2.3 An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wurde der Beschwerdeführer mit
den ihn belastenden Mitangeklagten konfrontiert. Dabei wurde er von
D.________ erneut belastet. Er erhielt Gelegenheit, sich dazu zu äussern, und
er machte davon Gebrauch und bestritt, sich am Angriff beteiligt zu haben.
Damit wurde seinem verfassungs- und konventionsrechtlichen
Konfrontationsrecht Genüge getan. Dass die beiden anderen Mitangeklagten ihre
Beschuldigung an der Hauptverhandlung nicht wiederholten, macht ihre Aussagen
nicht ohne weiteres unverwertbar. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK kann naturgemäss
nur ein Fragerecht einräumen und nicht garantieren, dass die Belastungszeugen
an der Konfrontationseinvernahme ihre Belastungen wiederholen. Ob die
gemeinsame Befragung der vier Mitangeklagten an der erstinstanzlichen
Hauptverhandlung sämtliche konventions- und verfassungsrechtlichen
Anforderungen erfüllte, kann indessen letztlich offen bleiben, da der
Verteidiger des Beschwerdeführers an der appellationsgerichtlichen
Hauptverhandlung ausdrücklich auf die Wiederholung von Beweisanträgen und
damit auch auf eine (erneute) Konfrontation des Beschwerdeführers mit seinen
Mitangeklagten verzichtete. Ein solcher Verzicht ist zulässig, der
Beschwerdeführer kann sich im späteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens
nicht mehr darauf berufen, die Konfrontation an der erstinstanzlichen
Hauptverhandlung habe den konventions- und verfassungsrechtlichen
Anforderungen nicht genügt, die Rüge ist unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer wirft dem Appellationsgericht willkürliche
Beweiswürdigung vor.

3.1 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen). In diesem Sinne ist auch Art. 97 Abs. 1 BGG zu verstehen,
welcher in der Beschwerde ans Bundesgericht Kritik an den gerichtlichen
Sachverhaltsfeststellungen nur zulässt, wenn diese für den Ausgang des
Verfahrens erheblich ist und die Vorbringen geeignet sind, sie als
offensichtlich unrichtig - willkürlich - nachzuweisen.

3.2  Der Beschwerdeführer bringt gegen die appellationsgerichtliche
Beweiswürdigung etwa vor, die Aussagen der drei Mitangeklagten seien weniger
glaubhaft als vom Appellationsgericht angenommen, da sie den Vorfall
unterschiedlich geschildert hätten und nicht auszuschliessen sei, dass sie,
nachdem sie u.a. vom Beschwerdeführer bei der Polizei angeschwärzt worden
seien, diesen aus Groll zu Unrecht beschuldigt haben könnten. Ausserdem hätte
es dem Augenzeugen H.________, obwohl kurzsichtig, angesichts der
unterschiedlichen Tenues auffallen müssen, wenn ausser dem Ersatzgoalie
seiner Mannschaft (E.________) auch der Goalie (Beschwerdeführer) an der
Schlägerei beteiligt gewesen wäre. Damit legt der Beschwerdeführer indessen
lediglich dar, wie die Beweise aus seiner Sicht zu würdigen wären. Den
Nachweis, dass die Beweiswürdigung widersprüchlich und unhaltbar bzw.
offensichtlich unrichtig ist, ist mit diesen Einwänden offensichtlich nicht
zu erbringen. Solche rein appellatorische Kritik an den
appellationsgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen ist unzulässig, darauf
ist nicht einzutreten.

4.
Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 31. Juli 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: