Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.238/2007
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6B_238/2007 /rom

Urteil vom 5. Oktober 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Bussenumwandlung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, II. Kammer, vom 14. März 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde mit Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 6.
Oktober 2006 wegen Widerhandlung gegen das SVG (Nichtbeachten eines
Lichtsignals) zu einer Busse von Fr. 250.-- verurteilt. Die Amtsstatthalterin
von Luzern wandelte diese Busse mit Entscheid vom 25. Januar 2007 gestützt
auf Art. 49 Ziff. 3 aStGB in acht Tage Haft um. Gegen diesen Entscheid
reichte X.________ am 15. Februar 2007 Rekurs ein. Das Obergericht des
Kantons Luzern, II. Kammer, wies den Rekurs mit Entscheid vom 14. März 2007
ab.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der Entscheid
des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter sei der angefochtene Entscheid
aufzuheben und es sei von einer Bussenumwandlung abzusehen. Zudem ersucht
X.________ um unentgeltliche Rechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen. Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch
Entscheide über den Vollzug von Strafen und Massnahmen (Art. 78 Abs. 2 lit. b
BGG). Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde.

3.
Am 1. Januar 2007 ist der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches in
Kraft getreten. Urteile, die in Anwendung des bisherigen Rechts ausgesprochen
worden sind, werden nach bisherigem Recht vollzogen (Art. 388 Abs. 1 StGB).
Im vorliegenden Fall ist somit das alte Recht anwendbar.

4.
Der Beschwerdeführer rügt willkürliche Tatsachenfeststellungen. Das
Obergericht halte eine Betreibung für aussichtslos, weil es davon ausgehe,
dass er seit der Ausstellung des letzten Verlustscheines im Jahre 1994 nicht
zu pfändbarem Vermögen gekommen sei und sich sein laufendes Einkommen
lediglich aus der nicht pfändbaren IV-Rente und aus der Ergänzungsleistung
zusammensetzen würde. Er habe jedoch vor zwei Jahren Vermögenswerte durch
eine Erbschaft erlangt. Trotzdem könne er Ergänzungsleistungen beziehen, bis
er über ein Vermögen von über Fr. 25'000.-- verfüge. Zudem habe das
Obergericht nicht abgeklärt, ob er der Eigentümer des Fahrzeuges sei, mit dem
er die Verkehrsverletzung begangen habe.

4.1 Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge
nach Art. 97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes
wegen nach Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um
die Frage geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger
Verletzung einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind
strenge Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde
gerechtfertigt. Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in
Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von
den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten. Vielmehr ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten
gesetzlichen Erfordernissen darzulegen, inwiefern diese Feststellungen
willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen
Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind. Andernfalls können Vorbringen
mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den Feststellungen im angefochtenen
Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.3, S.
245 f., mit Hinweis).

4.2 Wie das Obergericht zutreffend ausführt, ist unbestritten, dass gegen den
Beschwerdeführer insgesamt sieben Verlustscheine vorliegen und in sämtlichen
Pfändungsurkunden der Staat Luzern als Gläubiger erscheint. Der
Beschwerdeführer bezieht eine IV-Rente und darüber hinaus
Ergänzungsleistungen, welche beide gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 9a SchKG
unpfändbar sind. Gestützt darauf hat das Obergericht festgestellt, dass der
Beschwerdeführer nicht über pfändbares Vermögen verfügt. Der Beschwerdeführer
legt nicht substantiiert dar, inwiefern diese Feststellung willkürlich ist.
Bei seinen Angaben über seine finanzielle Situation handelt es sich lediglich
um Behauptungen. Auf seine ungenügend begründete Rüge ist deshalb nicht
einzutreten.

5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht habe Art. 49 Ziff. 2
aStGB verletzt, indem es vor dem Bussenumwandlungsverfahren keine Betreibung
eingeleitet habe. Das Obergericht sei in willkürlicher Weise und in
Überschreitung seines Ermessens davon ausgegangen, dass eine Betreibung
aufgrund fehlendem pfändbarem Vermögen erfolglos gewesen wäre. Der Entscheid
des Obergerichts sei zudem im Widerspruch zur eigenen Praxis ergangen. Zur
Begründung bringt er vor, bereits im Jahre 2003 habe er es versäumt,
rechtzeitig eine Busse zu bezahlen. Sein Rekurs gegen den damaligen
Umwandlungsentscheid sei bei analogem Sachverhalt vom Obergericht
gutgeheissen worden. Dies mit der Begründung, dass die Verlustscheine nicht
mehr aktueller Natur seien und deshalb eine verlässliche Prognose zur Frage,
ob von einer Betreibung ein Ergebnis zu erwarten sei, nicht möglich sei. Seit
jenem Entscheid seien keine neuen Verlustscheine ausgestellt worden. Der
vorliegend angefochtene Entscheid stehe im Widerspruch zum Urteil des
Obergerichts aus dem Jahre 2003. In BGE 124 IV 209 werde präzisiert, dass
"vor Einleitung des Umwandlungsverfahrens nicht in jedem Falle die Betreibung
vollständig durchgeführt sein müsse". Daraus gehe klar hervor, dass
grundsätzlich vor jedem Umwandlungsentscheid Zwangsvollstreckungsmassnahmen
zu erfolgen hätten.

5.1 Bezahlt der Verurteilte die Busse in der ihm bestimmten Zeit nicht und
verdient er sie nicht ab, so ordnet die zuständige Behörde die Betreibung
gegen ihn an, wenn ein Ergebnis davon zu erwarten ist (Art. 49 Ziff. 2
aStGB). Bezahlt der Verurteilte die Busse nicht und verdient er sie auch
nicht ab, so wird sie durch den Richter in Haft umgewandelt (Art. 49 Ziff. 3
aStGB).

5.2 Gemäss den Ausführungen des Obergerichts hat die Amtsstatthalterin zu
Recht auf eine vorgängige Betreibung verzichtet, weil sie diese im Rahmen
ihres Ermessens als aussichtslos erachten durfte. Der Beschwerdeführer sei
wegen der ausstehenden Busse gemahnt worden, und er habe es unterlassen, den
Nachweis zu erbringen, dass er in unverschuldeter Weise nicht in der Lage
sei, die Busse zu bezahlen oder diese abzuarbeiten. Die vorgängige Betreibung
solle den Verurteilten zur Verbüssung der Strafe zwingen, ihn aber nicht vor
übereilter Umwandlung schützen. Deshalb verfüge die Behörde über einen
gewissen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob eine Betreibung
Aussicht auf Erfolg biete. Dies gelte umso mehr, als der Verurteilte
jederzeit der umgewandelten Haftstrafe entgehen könne, indem er die Busse
nachträglich bezahle. Eine vorgängige Betreibung sei unter anderem
aussichtslos, wenn Verlustscheine bestehen. Da der Beschwerdeführer nach wie
vor Ergänzungsleistungen beziehe und diese ihrem Zweck entsprechend knapp
bemessen seien, habe die Amtsstatthalterin in guten Treuen davon ausgehen
dürfen, dass der Beschwerdeführer auch seit Ausstellung des letzten
Verlustscheines im Jahre 1994 nicht zu pfändbarem Vermögen gekommen sei.

5.3 In tatsächlicher Hinsicht ist erstellt, dass der Beschwerdeführer über
keine pfändbaren Vermögenswerte verfügt (vgl. E. 4.2 hiervor). Ausgehend
davon hat die Amtsstatthalterin von der Anhebung einer Betreibung abgesehen.
Der vorliegende Fall ist somit nicht mit dem BGE 124 IV 295 zugrunde
liegenden Sachverhalt vergleichbar, wo  gegen den zahlungsfähigen
Beschwerdeführer die Betreibung zwar angehoben, aber wegen des zu erwartenden
Eintritts der absoluten Vollstreckungsverjährung nicht vollständig
durchgeführt wurde. Unbehelflich ist auch der Verweis des Beschwerdeführers
auf einen früheren Entscheid des Obergerichts. Die Überprüfung jenes
Entscheides bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.  Die
Amtsstatthalterin hat vor ihrem Umwandlungsentscheid den Beschwerdeführer
erfolglos gemahnt. Durch den Verzicht auf die Anhebung einer Betreibung hat
sie ihr Ermessen nicht missbraucht. Das Obergericht hat kein Bundesrecht
verletzt, indem es die Umwandlung geschützt hat. Demnach ist die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Rechtsbegehren des
Beschwerdeführers erscheinen von vornherein aussichtslos, weshalb sein
Ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist. Seiner finanziellen
Lage ist mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'600.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. Oktober 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: