Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.208/2007
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6B_208/2007 /hum

Urteil vom 7. August 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wiprächtiger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Peter J. Schmitt,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Anwaltskosten; Gerichtskosten.

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, vom 12. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Amtsstatthalterin von Luzern bestrafte X.________ am 14. November 2006
mit einer Busse von 120 Franken. Sie warf ihm vor, am 27. August 2006 auf der
A2 mit seinem Personenwagen die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 13 km/h
überschritten zu haben.

X. ________ liess am 27. November 2006 gegen die Strafverfügung durch seinen
Rechtsanwalt Einsprache erheben. Das fragliche Fahrzeug werde von
verschiedenen Familienangehörigen benutzt, und es sei derzeit nicht
nachvollziehbar, wer den Wagen am 27. August 2006 gesteuert habe. Ausserdem
mache er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Die Amtsstatthalterin stellte das Verfahren gegen X.________ am 12. Februar
2007 ein (Dispositiv-Ziffer 1), nahm die Kosten auf die Staatskasse
(Dispositiv-Ziffer 2) und entschied, er habe allfällige Parteikosten selber
zu tragen (Dispositiv-Ziffer 3). Zum letzten Punkt erwog sie, es habe sich um
einen Bagatellfall gehandelt, welcher weder in tatsächlicher noch in
rechtlicher Hinsicht schwierig gewesen sei. Der strafrechtliche Vorwurf sei
nicht schwer und die Folgen einer Verurteilung seien gering gewesen. Aus
diesen Gründen hätte X.________ seine Interessen selber wahrnehmen können,
weshalb ihm keine Parteientschädigung zugesprochen werde.

Die Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern wies
am 12. April 2007 den Rekurs X.________s ab, mit dem er die Aufhebung von
Dispositiv-Ziffer 3 der Einstellungsverfügung und die Zusprechung einer
Parteientschädigung beantragt hatte, und auferlegte ihm die Gerichtskosten.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ sinngemäss, diesen
obergerichtlichen Entscheid aufzuheben. Ausserdem ersucht er sinngemäss um
unentgeltliche Rechtspflege.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei grob rechtswidrig, ihm die
Anwaltskosten des Einspracheverfahrens nicht zu ersetzen.

1.1 Nach § 280 Abs. 1 der Luzerner Strafprozessordnung vom 3. Juni 1957
(StPO) kann dem Beschuldigten auf Antrag eine angemessene Entschädigung
zugesprochen werden, wenn das Verfahren eingestellt wird. Das Obergericht hat
im angefochtenen Entscheid dazu ausgeführt, das Recht, sich in einem
Strafverfahren verbeiständen zu lassen, gehöre zu den verfassungsmässig
geschützten Garantien. Dieser Grundsatz begründe allerdings dann keine
Entschädigungspflicht des Staates, wenn der Angeschuldigte ohne weiteres in
der Lage gewesen wäre, seine Rechte selber wahrzunehmen. Bei Übertretungen
beschränke sich die Vergütung der Anwaltskosten auf Fälle, in denen eine
Vertretung notwendig gewesen sei, weil der Fall in tatsächlicher oder
rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten geboten habe.

Diese Auslegung von § 280 Abs. 1 StPO ist keineswegs willkürlich. Nach der
Rechtsprechung gebieten weder die verfassungsrechtlich garantierten
Verteidigungsrechte noch Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK, dem in ein
Bagatellstrafverfahren verwickelten Beschuldigten, dem wegen einer
geringfügigen Verkehrsregelverletzung eine geringe Busse drohte, bei einer
Einstellung des Verfahrens die Kosten des von ihm objektiv ohne ausreichenden
Anlass zugezogenen Verteidigers zu vergüten (Entscheide des Bundesgerichts
1P.341/2004 vom 27. Juli 2004, E. 3.3, und 1P.482/1996 vom 11. November 1996
mit Hinweis auf BGE 110 Ia 156 E. 1b).

1.2 Gestützt auf diese Praxis hat das Obergericht im angefochtenen Entscheid
erwogen, weder der Sachverhalt noch der Tatvorwurf hätten besondere
Schwierigkeiten geboten. Der Sachverhalt sei von Anfang an einfach
überblickbar gewesen, und der Tatvorwurf wiege nicht schwer. Soweit sich der
Beschwerdeführer auf ein Schreiben der Amtsstatthalterin beziehe, in welchem
diese ihm eine polizeiliche Ausschreibung und Abklärungen in Aussicht stelle,
so datiere dieses Schreiben vom 1. Dezember 2006, mithin einem Zeitpunkt, in
welchem er bereits einen Anwalt beigezogen habe. Damit könne die
Notwendigkeit einer Verteidigung nicht begründet werden.

1.3 Dem Beschwerdeführer wurde eine wenig schwerwiegende
Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen, welche die Amtsstatthalterin mit
einer geringfügigen Busse von 120 Franken hätte ahnden wollen. Weitere Folgen
wie etwa einen Eintrag im Strafregister oder einen Führerausweisentzug hätte
der Vorfall für den Beschwerdeführer keine gehabt. Der der Amtssprache
mächtige, aus einem Land mit vergleichbarem Rechtssystem stammende
Beschwerdeführer hatte damit objektiv keinen Anlass, sich in diesem einfachen
Bagatellstrafverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Es war
selbstverständlich sein Recht, dies zu tun, ebenso wie er von seinem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen durfte. Mit dieser Erklärung fiel
indessen das Verfahren gegen ihn nicht einfach dahin; es lag im
pflichtgemässen Ermessen der Amtsstatthalterin, weitere
Untersuchungshandlungen anzuordnen oder das Verfahren wegen
Aussichtslosigkeit einzustellen. Solche Ermittlungshandlungen, wie sie die
Amtsstatthalterin in ihrem Schreiben vom 1. Dezember 2006 in Aussicht
stellte, sind zwar für den Betroffenen mit Unannehmlichkeiten verbunden,
begründen in einem Bagatellstrafverfahren aber noch keine Notwendigkeit,
einen Verteidiger beizuziehen. Im Übrigen hat das Obergericht zu Recht darauf
hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer schon von Beginn des Verfahrens
an anwaltlich vertreten liess, weshalb das erwähnte Schreiben schon aus
zeitlichen Gründen nicht der Grund für den Beizug des Anwalts gewesen sein
konnte. Es ist daher verfassungs- und konventionsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass die Anwaltskosten des Beschwerdeführers nicht entschädigt
wurden.

2.
Der Beschwerdeführer hat vor Obergericht ein Rekursverfahren angehoben und
ist dabei unterlegen. Ausgangsgemäss wurden ihm nach § 282 Abs. 1 StPO die
Verfahrenskosten überbunden. Er beanstandet, diese seien mehr als dreimal so
hoch als die ursprünglich ausgesprochene Busse und damit willkürlich. Er
mutmasst, damit sei einem aufmüpfigen ausländischen Staatsbürger eine
unangemessen hohe "Strafgebühr" auferlegt worden.

Nach der einschlägigen Verordnung des Obergerichts über die Kosten in Zivil-
und Strafverfahren sowie in weiteren Verfahren (Kostenverordnung, KoV) vom 6.
November 2003 betragen die Kosten vor Obergericht im schriftlichen Verfahren
zwischen 300 und 2'000 Franken. Mit 400 Franken wurde damit die
Gerichtsgebühr am unteren Rand des Zulässigen festgesetzt. Es kann daher
keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer mit der Auferlegung einer
übermässigen Gerichtsgebühr dafür bestraft wurde, dass er von seinem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Es ist zudem
offensichtlich, dass die ihm auferlegten 400 Franken die effektiven Kosten
des Rekursverfahrens, an dem drei Oberrichter und ein Gerichtsschreiber
beteiligt waren, bei weitem nicht decken. Die Willkürrüge ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Damit wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die
Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. August 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:   Der Gerichtsschreiber: