Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.189/2007
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6B_189/2007 /hum

Urteil vom 11. Juli 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau.

Verkehrsregelverletzung,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 5. April 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Strafbefehl vom 19. Juli 2006 verurteilte das Bezirksamt Lenzburg
X.________ zu 10 Tagen Gefängnis bedingt und einer Busse von 800 Franken. Es
hielt für erwiesen, dass er am 17. März 2006, um 20:16 Uhr, am Steuer eines
Personenwagens auf der Autobahn A1 bei Brunegg die zulässige
Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h überschritten hatte.

Auf Einsprache X.________s hin verurteilte ihn der Bezirksgerichtspräsident
von Lenzburg am 12. Januar 2007 wegen grober Verkehrsregelverletzung durch
Missachten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn gemäss Art.
90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV zu einer Geldstrafe von 40
Tagessätzen à Fr. 30.--.

Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Berufung X.________s am 5. April
2007 ab.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des
Obergerichts aufzuheben und ihn freizusprechen.

Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid des Obergerichts erging nach dem Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG), weshalb sich das Verfahren
nach dessen Bestimmungen richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG).

Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Strafsachen,
gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80
Abs. 1, Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer ist durch seine Verurteilung in
seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit befugt, sie zu
erheben (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Art. 9 und Art. 32
Abs. 1 BV sowie von Art. 6 Ziff. 2 EMRK geltend, was zulässig ist (Art. 95
lit. a und b BGG). In tatsächlicher Hinsicht geht das Bundesgericht vom
Sachverhalt aus, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat, es sei denn, dieser
erweise sich als offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Verletzung
von Bundesrecht (Art. 105 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig"
bedeutet dabei "willkürlich" (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4338). Will der
Beschwerdeführer eine tatsächliche Feststellung der Vorinstanz angreifen,
muss er nachweisen, dass diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels geeignet ist, den
Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen (Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht eine Verletzung des Grundsatzes
"in dubio pro reo" (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) sowie
willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) vor. Seine Ausführungen erschöpfen
sich indessen in Willkürvorwürfen. Die Rüge, das Obergericht habe den
Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt, begründet der Beschwerdeführer nicht
in einer den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise. Darauf
ist nicht einzutreten.

2.2 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung steht
den kantonalen Instanzen ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen
oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich
der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist;
eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis
verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je
mit Hinweisen).

3.
Der Beschwerdeführer wurde auf Grund einer Nachfahrmessung der Kantonspolizei
Aargau und den Aussagen von Wm A.________ verurteilt. Dieser hatte, zusammen
mit Wm B.________, die Geschwindigkeit des Beschwerdeführers in einem
neutralen Dienstfahrzeug durch eine "Nachfahrmessung mit variablem Abstand"
gemessen. Nach dem vom Beschwerdeführer visierten Messprotokoll betrug die
Messstrecke 1135.1 m, die Messzeit 22 Sekunden und die maximale
Geschwindigkeit 194 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit für diese Strecke
betrug 185 km/h, was nach dem Abzug der für dieses Messverfahren
vorgeschriebenen Toleranz von 8 % eine massgebende Geschwindigkeit von 170
km/h ergab. Damit wurde dem Beschwerdeführer bei einer zulässigen
Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h eine Geschwindigkeitsübertretung um 50
km/h vorgeworfen.

3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht sei aktenwidrig davon
ausgegangen, die Messung sei nicht auf Video aufgezeichnet worden. Dies habe
dazu geführt, dass es die Einhaltung der Technischen Weisungen des UVEK über
Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr vom 10. August 1998 (im
Folgenden: Weisungen) nicht korrekt überprüft habe. Bei Nachfahrkontrollen
mit Geschwindigkeitsmessgerät, Rechner und Video hätte nach Ziff. 7.7.1 das
kontrollierte Fahrzeug während der Messung dauernd von der Kamera erfasst
sein müssen; dies sei nicht nachvollziehbar, da sich das Videoband aus
unbekannten Gründen nicht bei den Akten befände. Das Messprotokoll sei
entgegen Ziff. 7.7.3 von keinem der beiden Beamten unterzeichnet worden.
Ausserdem stehe keineswegs fest, dass das Polizeifahrzeug während der Messung
nicht aufgeholt und dadurch die Messung verfälscht habe. Die Weisungen seien
somit verletzt worden, weshalb die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit des
Beschwerdeführers nicht mehr nachvollzogen werden könne. Dieser Umstand dürfe
nicht zu seinen Lasten gewertet werden.

3.2 Die Weisungen sind nicht Bestandteil des Bundesrechts im Sinne von Art.
95 lit. a BGG, dessen Verletzung vom Bundesgericht zu prüfen wäre (BGE 121 IV
64 E. 3, 102 IV 271 zu Art. 269 Abs. 1 BStP). Rügen, die Polizeibeamten
hätten die Weisungen verletzt, sind damit nur insofern zu prüfen, als sie
geeignet sind, die Messung in Frage zu stellen bzw. das Abstellen auf das
Messergebnis als willkürlich erscheinen zu lassen.

3.3 Unbestritten ist, dass es mit dem verwendeten Gerät möglich ist, den
Messvorgang auf Video aufzuzeichnen, dass sich indessen bei den Akten kein
Videoband befindet. Es steht daher nicht fest, ob kein solches existiert, wie
das Obergericht annimmt, oder ob, wofür das Messprotokoll zu sprechen
scheint, der Messvorgang zwar aufgezeichnet, das Videoband indessen nicht zu
den Akten genommen wurde. Der Beschwerdeführer hat allerdings auch nie
beantragt, das Videoband zu den Akten zu nehmen.

Ob das Video lief oder nicht, hat auf das Ergebnis der Messung indessen
keinen Einfluss. Es ist nicht bestritten, dass die Messung den
Beschwerdeführer betraf und nicht etwa einen unbekannten Dritten. Insofern
ist es für den Ausgang des Verfahrens unerheblich, ob die Messung auf Video
aufgezeichnet wurde oder nicht. Das Gleiche gilt für die Frage, ob die
Polizeibeamten das Messprotokoll hätten unterschreiben müssen: Der
Beschwerdeführer hat dies getan und mit seiner Unterschrift jedenfalls
bestätigt, dass dieses von der ihn betreffenden Nachfahrmessung stammt.

3.4 Bei einer Nachfahrmessung mit variablem Abstand muss die Distanz zwischen
Mess- und Zielfahrzeug am Ende der Messung grösser sein als zu Beginn
(Weisungen, Ziff. 7.3 S. 7 und Ziff. 7.6.4 S. 8). Der Fahrer des
Messfahrzeuges, Wm. A.________, hat als Zeuge ausgesagt, dass er während der
gesamten Messung einen gleichbleibenden Abstand einhielt; er habe dies "von
Auge gesehen", nach einer gewissen Anzahl Videofahrten entwickle man dafür
ein Gespür. Das Obergericht hat dazu erwogen, beim Zeugen handle es sich um
einen erfahrenen Beamten der mobilen Einsatzpolizei, dem die Weisungen
bekannt seien. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass er diese nicht
eingehalten und während der Messung aufgeschlossen hätte.

Der Beschwerdeführer hat an seiner Befragung durch den Gerichtspräsidenten
von Lenzburg ausgesagt, er habe nicht bemerkt, dass das Messfahrzeug über
einen Kilometer hinter ihm her gefahren sei. Hat er somit das Polizeifahrzeug
während der Messung nicht gesehen, kann seinen Aussagen nichts zum Abstand
entnommen werden, welchen dieses dabei einhielt. Nebst der durch nichts
belegten Behauptung des Beschwerdeführers, das Polizeifahrzeug habe während
der Messung den Abstand zu ihm weisungswidrig verringert, bestehen keine
weiteren Anhaltspunkte, die gegen die Aussage des Polizeibeamten sprechen
würden. Unter diesen Umständen konnte das Obergericht willkürfrei darauf
abstellen. Es hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass bei dieser
Messmethode ein Toleranzabzug von 8 % gemacht wird, was ausreicht, um einen
allfälligen kleineren Schätzfehler des Polizeibeamten aufzufangen. Diese
Beurteilung ist jedenfalls nicht willkürlich, die Rüge ist unbegründet.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juli 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: