Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.105/2007
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


6B_105/2007 /hum

Urteil vom 2. November 2007
Strafrechtliche Abteilung

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Marc Engler,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Strafzumessung (BetmG-Widerhandlung,
Geldwäscherei usw.),

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, I. Strafkammer,
vom 21. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde mit Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 30. November 2004 der Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz und gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen und mit
6 1/4 Jahren Zuchthaus und einer Busse von Fr. 30'000.-- bestraft. Eine
dagegen erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 2. Oktober 2006 teilweise gut. Das
Bundesgericht hielt darin unter anderem fest, dass X.________ auch wegen
Geldwäscherei zu bestrafen sei.

B.
Mit Urteil vom 21. Februar 2007 entschied die I. Strafkammer des Obergerichts
neu und verurteilte X.________ zusätzlich der qualifizierten Geldwäscherei.
Die im Urteil vom 30. November 2004  ausgefällte Strafe wurde bestätigt. Mit
Eingabe vom 23. März 2007 erhob X.________ kantonale Nichtigkeitsbeschwerde,
auf welche das Kassationsgericht mit Zirkulationsbeschluss vom 14. Juni 2007
nicht eintrat.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, er sei mit 4 1/2
Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen, unter Anrechnung von 1521 Tagen
Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft und vorzeitigem Strafvollzug.
Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht X.________ um
unentgeltliche Rechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Weil die angefochtene Entscheidung - das Urteil des Obergerichts vom 21.
Februar 2007 - nach dem Datum des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über das
Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007 (AS 2006, 1242), ergangen
ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Auf die Beschwerde kann grundsätzlich eingetreten werden, da sie unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42
BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81
Abs. 1 lit. b BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten
kantonalen Instanz gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
80 Abs. 1 BGG) richtet.

3.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht, weil das
Obergericht bei der Strafzumessung eine Verletzung des Beschleunigungsgebots
zu Unrecht nicht berücksichtigt habe.

3.1 Der Beschwerdeführer rügte bereits anlässlich des Verfahrens vor
Obergericht (kantonale Akten, Urkunde 213) die Verletzung des
Beschleunigungsgebotes. Das Obergericht hat diese Rüge verworfen. Es führt
zum Strafpunkt aus, dass nur die Zumessungsgründe neu zu berücksichtigen
seien, die mit dem Gegenstand der Rückweisung, daher mit der Änderung im
Schuldpunkt untrennbar verknüpft seien. Weil der Beschwerdeführer neu der
Geldwäscherei verurteilt werde, komme eine Strafreduktion nicht in Betracht.
Im Verfahren vor Kassationsgericht und Bundesgericht sei keine
verfassungswidrige Verfahrensverzögerung auszumachen, so dass auch unter
diesem Aspekt nichts an der Strafzumessung ändere (angefochtenes Urteil S.
29).

3.2 Der Beschwerdeführer bringt im Einzelnen vor, das vorliegende Verfahren
habe ab dem massgeblichen Zeitpunkt vom 17. Oktober 2000, in welchem er im
Rahmen seiner Verhaftung über die Strafuntersuchung informiert worden sei,
bis zur Eröffnung des angefochtenen Urteils vom 21. Februar 2007 insgesamt
rund 6 Jahre und 5 Monate gedauert. Vorliegend handle es sich um ein
typisches bandenmässiges Zusammenwirken einer familiär verbundenen
Personenmehrheit und nicht um einen Fall von aussergewöhnlicher Dimension,
dessen Komplexität eine derart lange Verfahrensdauer rechtfertigen würde.
Deshalb verletze die Verfahrensdauer das Beschleunigungsgebot. Dies gelte
auch für die Verfahrensdauer von 2 Jahren und 5 Monaten zwischen dem
erstmaligen Urteil des Obergerichts und dem angefochtenen Urteil des
Obergerichts. Diese Dauer sei von der Untersuchungsbehörde, welche die
entsprechenden Rechtsmittel ergriffen habe, zu verantworten. Das
Kassationsgericht sei auf die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der
Staatsanwaltschaft nicht eingetreten, weil die erhobenen Rügen nicht mit
kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden konnten und weil
sich die Staatsanwaltschaft nur ungenügend mit den Erwägungen der Vorinstanz
auseinandergesetzt habe. Das Bundesgericht habe im Rahmen der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde die zentrale Rüge der Untersuchungsbehörde, wonach
eine kriminelle Organisation vorliege, abgewiesen. Das Beschleunigungsgebot
sei demnach sowohl im Hinblick auf die gesamte Verfahrensdauer als auch die
Dauer zwischen dem ersten und zweiten Urteil des Obergerichts verletzt
worden. Das Obergericht habe Bundesrecht verletzt, weil es die Verletzung des
Beschleunigungsgebotes verneint und nicht als Strafzumessungskriterium im
Sinne von Art. 47 nStGB berücksichtigt habe.

3.3 Nach Art. 33 StPO Zürich, Art. 29 Abs. 1 BV sowie Art. 5 Ziff. 3 und Art.
6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Beurteilung innert angemessener
Frist. Das Beschleunigungsgebot gebietet den Behörden, das Strafverfahren von
dem Augenblick an, in dem der Angeklagte über den auf ihm lastenden Verdacht
in Kenntnis gesetzt ist, ohne Verzögerung durchzuführen, um ihn nicht
unnötigerweise verfahrensbedingten Ängsten auszusetzen. Dabei handelt es sich
um eine an die Strafverfolgungsbehörde gestellte (An-)Forderung, die sich vom
mildernden Umstand der verhältnismässig langen Zeit unterscheidet (Art. 64
vorletzter Absatz aStGB). Dieser mildernde Umstand steht im Zusammenhang mit
der nahe bevorstehenden Verjährung und setzt voraus, dass sich der Angeklagte
in der Zwischenzeit wohl verhalten hat. Da Verzögerungen im Strafverfahren
nicht geheilt werden können, hat das Bundesgericht aus der Verletzung des
Beschleunigungsgebotes Folgen im Bereich der Strafe abgeleitet. So führt die
Verletzung dieses Grundsatzes in den meisten Fällen zu einer Strafreduktion,
bisweilen sogar zum Verzicht auf jegliche Strafe, oder auch zu einer
Einstellungsverfügung (BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170, mit Hinweis). Die Frage
der Vertretbarkeit der Dauer eines Verfahrens bemisst sich nach den Umständen
des Einzelfalles. Diese Umstände gebieten im Allgemeinen eine
Gesamtbetrachtung, die insbesondere der Komplexität der Angelegenheit, dem
Verhalten des Angeklagten und demjenigen der zuständigen Behörden Rechnung
trägt (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 S. 56, mit Hinweis; Pra 2005 Nr. 10). Die
angefochtene Entscheidung kann nur aufgehoben werden, wenn eine
Strafminderung notwendig ist; dazu ist es nötig, dass eine krasse Zeitlücke
(im Ablauf) seitens der Strafbehörde zu Tage tritt; es genügt nicht
festzustellen, diese oder jene Handlung hätten ein bisschen rascher
vorgenommen werden können, wenn schliesslich, mit Rücksicht auf die zu
bewältigende Arbeit, die Gesamtdauer des Verfahrens vernünftig erscheint.
Gemäss europäischer Rechtsprechung erscheinen als krasse Lücken eine
Untätigkeit von 13 oder 14 Monaten im Stadium der Untersuchung, eine Frist
von vier Jahren, um über eine Beschwerde gegen eine Anklagehandlung zu
entscheiden, eine Frist von zehn oder elfeinhalb Monaten für die
Weiterleitung eines Falles an die Beschwerdeinstanz (BGE 124 I 139 E. 2c S.
144, mit Hinweis; Pra 1998 Nr. 117).

3.4 Hinsichtlich des Verfahrensganges ist erstellt, dass sich die im Jahre
2000 aufgenommene Strafuntersuchung gegen eine Gruppe von
Betäubungsmittelhändlern richtete. Im Jahre 2004 erliess das Bezirksgericht
Zürich in zwei Verfahren gegen 8 Angeschuldigte zwei Urteile. Die Verfahren
wurden am Obergericht des Kantons Zürich vereinigt, nachdem beide Urteile mit
Berufung angefochten worden waren. Am 30. November 2004 erging gegen 7
Angeklagte das zweitinstanzliche Urteil, wovon 5 Angeklagte zu einer
Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Gegen dieses Urteil erhoben die
Staatsanwaltschaft und ein Angeklagter kantonale Nichtigkeitsbeschwerde
(kantonale Akten, Urkunde 200), die Staatsanwaltschaft und eine andere
Angeklagte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht
(kantonale Akten, Urkunde 202 f.). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in
Bezug auf 4 Angeklagte gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an das
Obergericht zurück. Aus dem Verfahrensablauf ist ersichtlich, dass das
vorliegende Dossier umfangreich ist und die Rollen der Beschuldigten eng
miteinander verbunden sind. Zudem stellen die in der Anklageschrift der
Bezirksanwaltschaft enthaltenen Delikte (Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz, Beteiligung an einer kriminellen Organisation,
Geldwäscherei und Begünstigung) schwerwiegende Tatvorwürfe gegenüber dem
Beschwerdeführer dar, die umfangreiche Ermittlungen erforderten. Entgegen der
Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich um einen komplexen Fall. Zum
Verhalten der Behörden und des Beschwerdeführers wendet jener ein, nicht er,
sondern die Untersuchungsbehörde habe die jeweiligen Rechtsmittel ergriffen.
Dem ist zu entgegnen, dass sowohl die kantonale als auch die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde nicht nur von der Staatsanwaltschaft, sondern auch von
je einem Angeklagten ergriffen wurden. Aus Art. 343 nStGB ergibt sich, dass
mehrere Personen, die in ein und derselbe Angelegenheit verwickelt sind,
grundsätzlich gleichzeitig gerichtlich beurteilt werden müssen. Der Prozess
gegen die Beteiligten bildet ein Ganzes. Der Einwand des Beschwerdeführers,
dass nur die Untersuchungsbehörden Rechtsmittel gegen das zweitinstanzliche
Urteil ergriffen hätten, schlägt deshalb fehl. Zwischen Erlass der Urteile
des Bezirks-, Ober-, Kassations- und Bundesgerichts sind nie mehr als zwei
Jahre vergangen. In Anbetracht dieser Tatsache und des umfangreichen Dossiers
ist keine Verletzung des Beschleunigungsgebotes betreffend die
Verfahrensdauer nach dem obergerichtlichen Urteil (2 Jahre und 5 Monate)
ersichtlich. Für die Verfahrensdauer insgesamt ist zu beachten, dass das
Urteil des Bezirksgerichts rund 4 Jahre nach Verhaftung des Beschwerdeführers
ergangen ist. Auch in dieser Verfahrensdauer ist keine krasse Lücke
ersichtlich. Mit Rücksicht auf die zu bewältigende Arbeit ist die Gesamtdauer
des Verfahrens nicht zu beanstanden. Somit liegt keine Verletzung des
Beschleunigungsgebotes vor, die eine Herabsetzung der Strafe erfordern würde.
Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich deshalb als unbegründet. Demnach
ist die Beschwerde abzuweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Rechtsbegehren des
Beschwerdeführers erschienen von vornherein aussichtslos, weshalb sein
Ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist. Seiner finanziellen
Lage ist mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. November 2007

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: