Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.85/2007
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{T 0/2}
5A_85/2007 /blb

Urteil vom 17. April 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

1. X.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kriesi,

gegen

Obergerichtskommission des Kantons Obwalden,
als Rekursinstanz in Zivilsachen, Postfach 1260, 6061 Sarnen 1.

Unentgeltliche Rechtspflege im Zivilprozess,

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid
der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden
vom 7. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Im Rahmen eines Forderungsprozesses über den Betrag von rund Fr. 162'000.--
ersuchten X.________ und Y.________ beim Kantonsgerichtspräsidenten des
Kantons Obwalden um vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege, welchem
Gesuch die angerufene Instanz mangels Bedürftigkeit der Gesuchsteller nicht
entsprach.

B.
Den hiergegen erhobenen Rekurs der Gesuchsteller wies die
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 7. Februar 2007
ab, weil auch sie die Bedürftigkeit als nicht erstellt erachtete.

C.
Die Gesuchsteller führen beim Bundesgericht Beschwerde mit den Begehren, den
Entscheid der Obergerichtskommission aufzuheben, ihnen für sämtliche
Instanzen die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und einen amtlichen
Rechtsbeistand zu ernennen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersuchen sie
ebenso um unentgeltliche Rechtspflege.

D.
Mit Verfügung vom 22. März 2007 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, nachdem sich die
Obergerichtskommission zu diesem Antrag nicht hatte vernehmen lassen.

E.
In der Sache verweist die Obergerichtskommission auf die Erwägungen des
angefochtenen Entscheides und beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen
(act. 6).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft
getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid
ist nach Inkrafttreten des Gesetzes ergangen, weshalb dieses Gesetz
anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Angefochten ist ein in einem hängigen kantonalen Verfahren ergangener
letztinstanzlicher Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege; dabei
handelt es sich um einen Zwischenentscheid, welcher in der Regel einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirkt (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I
129 E. 1.1). Der Rechtsweg von Zwischenentscheiden folgt grundsätzlich jenem
der Hauptsache. In der Hauptsache geht es um eine Forderungsstreitigkeit aus
Werkvertrag, so dass insoweit die Beschwerde in Zivilsachen zulässig ist
(Art. 72 Abs. 1 BGG), wobei sie allerdings in vermögensrechtlichen
Streitigkeiten nur bei einem Streitwert von mindestens Fr. 30'000.-- gegeben
ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Bei Zwischenentscheiden bestimmt sich der
Streitwert nach den Begehren, die vor der Instanz streitig sind, wo die
Hauptsache hängig ist (Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG). In der Hauptsache geht es
nach den Feststellungen des angefochtenen Entscheides um eine Forderung von
rund Fr. 162'000.--, womit sich die Beschwerde in Zivilsachen gegen den
angefochtenen Zwischenentscheid als zulässig erweist. Gemäss Art. 95 BGG kann
mit der Beschwerde in Zivilsachen namentlich die Verletzung von Bundesrecht
(lit. a), Völkerrecht (lit. b) und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten
(lit. c) gerügt werden.

2.
2.1 Die Obergerichtskommission hat ein relevantes Einkommen der
Beschwerdeführer von Fr. 9'102.15 ermittelt und dabei insbesondere die
monatliche Mietzinseinnahme für eine vermietete Wohnung der Beschwerdeführer
im Betrag von Fr. 1'500.-- berücksichtigt. Dem Einkommen stellte sie einen
Bedarf von Fr. 8'101.90 gegenüber, wobei sie die von den Beschwerdeführern
geltend gemachten Kosten für die vermietete Liegenschaft nicht darin aufnahm.
Zur Begründung hielt sie dafür, unter dem Titel Wohnkosten seien nur die
Kosten für die tatsächlich von den Beschwerdeführern bewohnte Liegenschaft
anzurechnen; das Institut des Notbedarfs dürfe nicht dazu missbraucht werden,
neben den Auslagen für die selber bewohnte Liegenschaft auch die Aufwendungen
für vermietetes Grundeigentum zu sichern (Entscheid S. 12 f.). Im Weiteren
hielt die Vorinstanz dafür, den Beschwerdeführern verbleibe ein Überschuss
von Fr. 1'000.25 pro Monat bzw. Fr. 12'003.-- pro Jahr, womit sie in der Lage
seien, die mutmasslichen Gerichts- und Anwaltskosten des Prozesses von
Fr. 10'000.-- innert eines Jahres zu tilgen. Dabei könne offen bleiben, ob
auf der Vermögensseite aus der Gegenüberstellung der Liegenschaftswerte und
der Hypothekarschulden ein Passivenüberschuss resultiere, seien doch diese
Schulden grundsätzlich ohne Belang (Entscheid S. 13 f. E. c).

2.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, es sei mit ihrem Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege nicht zu vereinbaren, die aus der Vermietung der
Liegenschaft resultierenden Mietzinseinnahmen als relevantes Einkommen zu
berücksichtigen, die Kosten der betreffenden Liegenschaft aber vom
massgebenden Bedarf auszuklammern. Bei einer Berücksichtigung des im Rekurs
geltend gemachten Aufwandes aber ergebe sich kein Überschuss, sondern ein
Fehlbetrag, so dass die Bedürftigkeit ohne weiteres gegeben sei; daran
vermöchten auch die Vermögenswerte nichts zu ändern, zumal auf der
Vermögensseite ein Passivenüberschuss von knapp Fr. 190'000.-- resultiere
(Beschwerde S. 10 ff. Ziff. 14 und 15).

3.
3.1 Die Beschwerdeführer berufen sich in ihrer Eingabe mit Bezug auf den
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auf Art. 11 Abs. 4 KV OW, Art. 29
Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Sie erläutern jedoch nicht, inwiefern
ihnen das kantonale Recht einen weitergehenden Anspruch gewährt als Art. 29
Abs. 3 BV (BGE 124 I 1 E. 2). Ob Art. 6 Ziff. 1 EMRK in Zivilverfahren einen
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege einräumt, ist umstritten, kann hier
aber offen bleiben, zumal ein allfälliger Anspruch nicht weiter ginge als
jener gemäss Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 119 Ia 264 E. 3). Die Prüfung
hinsichtlich des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege erfolgt daher
einzig im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV. Insoweit erweist sich die Beschwerde
als begründet:
3.2 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach
Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer
Rechte notwendig ist, steht ihr überdies von Verfassungs wegen ein
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt
sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im
Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche
finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je
mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll
nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt,
sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger
Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem
Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall
zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia
369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr
ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines
Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob
die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage
ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer
Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a
S. 370).

3.3 Der Kanton hält den Beschwerdeführern nicht entgegen, sie könnten ihre
Liegenschaften höher belehnen oder mit Gewinn verkaufen, um so den Prozess zu
finanzieren (dazu: BGE 119 Ia 11 E. 5 S. 12 f.; Bühler, Die Prozessarmut, in:
Christian Schöbi [Hrsg.], Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution,
unentgeltliche Prozessführung, Bern 2001, S. 150). Im Lichte der unter E. 3.2
aufgezeigten Grundsätze geht es nicht an, zwar die Einnahmen aus der
Vermietung einer Liegenschaft, nicht jedoch den Aufwand zu berücksichtigen.
Damit wird im Ergebnis den Beschwerdeführern ein Einkommensanteil
angerechnet, über den sie gar nicht oder nicht vollumfänglich verfügen. Der
angefochtene Entscheid ist auch insoweit im Ergebnis verfassungswidrig, als
den Beschwerdeführern bei Berücksichtigung des Aufwandes der besagten
Liegenschaft jedenfalls ein beträchtlich geringerer Freibetrag verbleiben
wird.

3.4 Laut den Ausführungen in der Beschwerde beträgt der Anteil der auf die
vermietete Wohnung entfallenden Kosten Fr. 1'235.-- (Beschwerde S. 10).
Aufgrund der Feststellungen der Obergerichtskommission steht nicht fest, wie
hoch die Kosten der vermieteten Liegenschaft insgesamt ausfallen, werden doch
im angefochtenen Entscheid nur gerade die diesbezüglichen Hypothekarzinsen
erwähnt (Entscheid S. 12 E. cc: 25 % von Fr. 2'949.--), die übrigen
Positionen (Entsorgungsgebühren, Gebäudeversicherung, sowie notwendige
aufgelaufene Kosten für Heizung, unaufschiebbaren Unterhalt usw.) aber
ausgespart, da die Kosten der vermieteten Liegenschaft nach Auffassung der
Obergerichtskommission nicht zu berücksichtigen waren. Fehlen die Angaben zur
Ermittlung der Bedürftigkeit, ist das Bundesgericht nicht in der Lage, über
den materiellen Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für den
Zivilprozess zu befinden, weshalb die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen
Feststellungen und zu neuem Entscheid an die Obergerichtskommission
zurückzuweisen ist (Art. 107 Abs. 2 BGG).

4.
Über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege ist zwar - entgegen dem
Antrag der Beschwerdeführer - nicht entschieden worden, doch sind sie mit
ihrem Begehren auf Aufhebung durchgedrungen. Vom Kanton ist keine Gebühr zu
erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Damit rechtfertigt es sich, auf eine
Gerichtsgebühr zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton hat den
Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren dem nicht gänzlichen
Obsiegen entsprechend eine reduzierte Entschädigung zu entrichten (Art. 68
Abs. 1 BGG).

5.
Mit dem Entscheid über die Kosten und die Entschädigung wird das Gesuch der
Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid der
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden vom 7. Februar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zu neuem
Entscheid an die Obergerichtskommission zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Kanton Obwalden hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und der Obergerichtskommission des
Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. April 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: