Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.766/2007
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5A_766/2007

Urteil vom 22. Januar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Edmund Schönenberger,

gegen

Klinik K.________.

Fürsorgerische Freiheitsentziehung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer,
vom 21. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (Beschwerdeführerin) wurde am 13. November 2007 wegen
"Selbstgefährdung durch Verfolgungswahn" vom Kreisspital S.________ im Rahmen
einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in die Klinik K.________
eingewiesen. Am 28. November 2007 ersuchte sie um Entlassung aus der Anstalt,
welchem Begehren die ärztliche Leitung der Klinik mit Schreiben vom
29. November 2007 nicht statt gab.

A.b Die Beschwerdeführerin gelangte mit ihrem Gesuch um Entlassung an den
Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich, welcher sie und den gerichtlichen
Gutachter am 4. Dezember 2007 anhörte und mit Urteil vom gleichen Tag das
Entlassungsgesuch sowie das Begehren der Beschwerdeführerin um Bestellung
eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes abwies.

B.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 wies das Obergericht des Kantons Zürich
die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ab, bestätigte dieses Urteil
und gab dem Entlassungsgesuch nicht statt. In Abänderung der
erstinstanzlichen Verfügung ordnete es der Beschwerdeführerin einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand für das erstinstanzliche Verfahren bei und
bestellte ihr einen unentgeltlichen Rechtsbeistand für das
Berufungsverfahren.

C.
Die Beschwerdeführerin gelangt mit einer als Berufung und
Verfassungsbeschwerde bezeichneten Eingabe an das Bundesgericht mit dem
Begehren, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und sie aus der Anstalt
zu entlassen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie um
unentgeltliche Rechtspflege. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung
verzichtet.

D.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung ist mit Verfügung
vom 27. Dezember 2007 abgewiesen worden.
Die Beschwerdeführerin hat sich am 28. Dezember 2007 unaufgefordert zur
Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 75 Abs. 1
BGG) betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung, gegen den die Beschwerde
in Zivilsachen gegeben ist (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Mit der
Beschwerde in Zivilsachen kann eine Verletzung von Bundesrecht gerügt werden
(Art. 95 lit. a BGG), zu dem laut der Begriffsbestimmung des BGG auch das
Verfassungsrecht gehört. Gerügt werden kann ferner eine Verletzung des
Völkerrechts (Art. 95 lit. b BGG). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde
erübrigt sich damit.

2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, soweit die Beschwerdeführerin darin
die Zwangsbehandlung anspricht, hat sie doch im kantonalen Berufungsverfahren
keinen diesbezüglichen Antrag gestellt. Insoweit liegt kein
letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) vor.

3.
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde ferner, soweit die
Beschwerdeführerin um Feststellung der Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Ziff. 4
EMRK ersucht, steht doch hierfür die Klage nach Art. 429a ZGB offen, mit
welcher als Form der Genugtuung eine entsprechende Feststellung verlangt
werden kann (BGE 118 II 254 E. 1c S. 258.)

4.
Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit,
Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer
Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten
werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden
kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Die Zurückbehaltung in einer Anstalt kann nur
unter den in Art. 397a Abs. 1 ZGB aufgeführten Voraussetzungen erfolgen (vgl.
Botschaft des Bundesrates über die Änderung des schweizerischen
Zivilgesetzbuches [Fürsorgerische Freiheitsentziehung] und den Rückzug des
Vorbehaltes zu Artikel 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten, BBl. 1977 III S. 27). Wie bei der Einweisung in eine Anstalt
(vgl. Schnyder, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung, in Zeitschrift für
öffentliche Fürsorge, 1979, S. 119) ist somit auch bei der Zurückbehaltung
des oder der Betroffenen als der anderen Form des Freiheitsentzuges
(BBl. 1977 III S. 27) das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu
berücksichtigen; vorausgesetzt ist mit anderen Worten, dass der oder die
Betroffene infolge der im Gesetz umschriebenen Schwächezustände persönlicher
Fürsorge bedarf, die ihm bzw. ihr nur in einer Anstalt gewährt werden kann
(BGE 114 II 213 E. 5). Zu berücksichtigen ist ferner die Belastung, welche
die Person für ihre Umgebung bedeutet (Art. 397a Abs. 2 ZGB). Nach der
ausdrücklichen Vorschrift des Art. 397a Abs. 3 ZGB muss denn auch die von der
fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffene Person entlassen werden,
sobald ihr Zustand es erlaubt.
Die Zurückbehaltung in einer Anstalt im Rahmen der fürsorgerischen
Freiheitsentziehung ist namentlich gerechtfertigt, wenn im Fall der
Entlassung die professionelle Nachbetreuung der betroffenen Person nicht
sichergestellt ist, wenn diese über keine Wohngelegenheit verfügt, ihr
Verwahrlosung droht oder wenn sie sich selbst oder andere gefährdet.

5.
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, die fürsorgerische
Freiheitsentziehung sei unverhältnismässig. Sie habe sich wegen eines
"Männerproblems" an das Spital S.________ gewandt, weil eine bis zwei dieser
"species" ihr nachstellten und jemand während ihrer Abwesenheit auch in ihre
Wohnung eingedrungen sei, und habe deshalb um ein Bett zum Übernachten
ersucht. Dieser Vorfall sei zum Anlass genommen worden, sie in die Klinik
K.________ einzuweisen. Sodann bestreitet die Beschwerdeführerin das
Vorliegen einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche im Sinn von Art. 397a
Abs. 1 ZGB sowie jegliche Fremd- und Selbstgefährdung (Suizidgefahr).

5.1 Mit ihren Ausführungen bestreitet die Beschwerdeführerin in erster Linie
die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einweisung im Rahmen von Art. 397a
Abs. 1 ZGB. Der gerichtliche Gutachter sowie der Eintrittsbericht des
einweisenden Arztes diagnostizierten bei der Beschwerdeführerin eine
paranoide Schizophrenie. Das Obergericht ist diesen Ausführungen gefolgt.
Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, beanstandet sie
verbindliche tatsächliche Feststellungen zum Gesundheitszustand (Art. 97
Abs. 1 BGG; BGE 91 II 338; 90 II 12; 81 II 263), ohne allerdings darzulegen,
inwiefern diese Feststellungen offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich
sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder auf einer anderen Rechtsverletzung im
Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen (vgl.
BGE 133 II 249 E. 1.2.2 und 1.4.3 S. 255). Darauf ist nicht einzutreten. Die
festgestellte Schizophrenie gilt als Geisteskrankheit im Sinn von Art. 397a
Abs. 1 ZGB. Nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Obergerichts
befand sich die Beschwerdeführerin in einem akuten psychotischen Zustand, als
sie am 13. Oktober 2007 in die Anstalt eingewiesen wurde. Sie war zum
damaligen Zeitpunkt somit fürsorgebedürftig, wobei ihr diese Fürsorge
aufgrund des Zustandes offensichtlich nicht auf andere Weise als durch die
Einweisung in eine Anstalt gewährt werden konnte. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin waren damit die Voraussetzungen für eine Einweisung nach
Art. 397a Abs. 1 ZGB, insbesondere auch die Verhältnismässigkeit des
Eingriffs, gegeben.

5.2 Die Beschwerdeführerin erachtet ebenso die weitere Zurückbehaltung in der
Anstalt als gesetzes- und konventionswidrig.
Das Obergericht begründet die weitere Zurückbehaltung gestützt auf die
Ausführungen des gerichtlichen Gutachters einmal mit dem Hinweis, die
Beschwerdeführerin werde nach einer Entlassung die Medikamente nicht mehr
einnehmen, so dass sich ihre Wahnvorstellungen weiter ausprägen und
chronifizieren würden, was alsbald weitere Probleme mit dem Vermieter und
einen weiteren sozialen Abbau nach sich zöge. In diesem Zustand sei die
Beschwerdeführerin unfähig, einer Arbeit nachzugehen, woraus sich finanzielle
Probleme ergäben, die sie aus eigener Kraft nicht zu bewältigen vermöchte.
Zwar fehlten Hinweise auf eine akute Suizidalität, doch bestehe aufgrund des
oft verzweifelten Zustandes der Beschwerdeführerin ein erhöhtes Risiko. Aus
dem angefochtenen Beschluss ergibt sich aber ebenso, dass die
Heilungsaussichten der Beschwerdeführerin höchst ungewiss sind und die
Beschwerdeführerin eine weitere Behandlung ausdrücklich ablehnt. Das
Obergericht hat dies nicht übersehen, erachtet aber unter Berücksichtigung
des bereits Ausgeführten eine weitere Zurückbehaltung dennoch als
gerechtfertigt, da mit einer kontinuierlichen Behandlung zumindest die
Auswirkungen der Krankheit auf das Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich
gemildert werden können. Eine Entlassung könnte in Betracht gezogen werden,
wenn die Beschwerdeführerin zur Einsicht gelange, dass eine ärztliche
Behandlung weiterhin (ambulant) notwendig sei und diese auch organisiert
werde.
Die Ausführungen des Obergerichts zu den möglichen Folgen im Fall einer
Entlassung der Beschwerdeführerin, namentlich auch im Zusammenhang mit der
angeblich drohenden Arbeitslosigkeit, und zu den Auswirkungen der Behandlung
sind sehr vage und allgemein gehalten. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass
weder konkrete Suizidgefahr noch drohende Fremdgefährdung oder
Verwahrlosungsgefahr besteht. In Anbetracht dessen sowie der ungewissen und
damit nicht konkreten Heilungschancen erweist sich eine weitere
Zurückbehaltung als nicht gerechtfertigt, zumal die Beschwerdeführerin die
beabsichtigte Therapie strikte ablehnt. Bei dieser Sachlage bleibt vorerst
nichts anderes übrig, als die Beschwerdeführerin ohne Zwang zu einer
angemessenen Therapie zu motivieren, die zumindest ihre Beschwerden lindern
kann. Was schliesslich die angeschlagenen finanziellen Verhältnisse betrifft,
so ist diesem Problem ohnehin nicht mit einer fürsorgerischen
Freiheitsentziehung beizukommen. In diesem Zusammenhang kann allenfalls
geprüft werden, ob sich andere vormundschaftliche Massnahmen aufdrängen.

6.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der
angefochtene Beschluss ist in den massgebenden Punkten (Ziffern 1, 4 und 5)
aufzuheben und die sofortige Entlassung der Beschwerdeführerin anzuordnen.
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren Eingaben um Wiedererwägung des
Entscheides der aufschiebenden Wirkung ersucht, wird dieses Gesuch mit dem
vorliegenden Entscheid in der Sache gegenstandslos.

7.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat indes die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).

8.
Mit der vorliegenden Kosten- und Entschädigungsregelung wird das Gesuch der
Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Die Ziffern
1, 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses werden aufgehoben und die ärztliche
Leitung der Klinik K.________ wird angewiesen, die Beschwerdeführerin
unverzüglich aus der Klinik zu entlassen.

2.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Klinik K.________ und dem
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden