Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.742/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_742/2007
5A_745/2007/don

Urteil vom 28. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Parteien
5A_742/2007
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Kistler,

und

5A_745/2007
Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecherin Esther Weigl-Eichenberger.

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
1. Kammer, vom 6. November 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ und Y.________ heirateten am 19. August 1988. Ihre Ehe blieb
kinderlos. Seit dem 9. Juni 2004 leben sie getrennt.
A.b Am 31. Oktober 2006 schied das Bezirksgericht Kulm die Ehe der Parteien auf
deren gemeinsames Begehren und regelte die noch strittigen Nebenfolgen. Es
verpflichtete insbesondere Y.________ bis zu dessen AHV-Alter oder vorheriger
unfreiwilliger Pensionierung zu einem nachehelichen Unterhaltsbeitrag von
monatlich Fr. 3'260.-- an X.________.

B.
Dagegen gelangte Y.________ mit Appellation an das Obergericht des Kantons
Aargau. Er beantragte unter anderem, seine Unterhaltsverpflichtung auf
monatlich Fr. 1'464.-- herabzusetzen, wogegen X.________ ihren
Unterhaltsanspruch auf Fr. 3'830.-- festgelegt haben wollte. Im Verlaufe des
Verfahrens reichte X.________ zwei Rentenverfügungen der IV-Stelle Aargau vom
5. bzw. 12. Juni 2007 ein, wonach ihr aufgrund eines Invaliditätsgrades von 50%
ab 1. Oktober 2005 bzw. von 100% ab 1. April 2006 die entsprechende ordentliche
Invalidenrente zusteht. Ab 1. Januar 2007 beträgt ihre Invalidenrente Fr.
1'803.-- im Monat. Mit Urteil vom 6. November 2007 setzte das Obergericht den
nachehelichen Unterhaltsbeitrag von Y.________ auf monatlich Fr. 2'106.50 fest,
befristet auf dessen AHV-Alter. Diesem liegt ein Nettoeinkommen von Y.________
von monatlich Fr. 6'789.-- und ein solches von X.________ von Fr. 1'803.--
(Invalidenrente) zu Grunde.

C.
Beide Parteien haben das obergerichtliche Urteil mit einer Beschwerde in
Zivilsachen beim Bundesgericht angefochten. X.________ (nachfolgend:
Beschwerdeführerin) beantragt mit Eingabe vom 13. Dezember 2007 die
Heraufsetzung ihres Unterhaltsbeitrages auf monatlich Fr. 3'950.--, mindestens
aber auf Fr. 3'830.--, eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei von einem massgeblichen Einkommen des
Unterhaltspflichtigen von monatlich Fr. 10'484.60 auszugehen. Y.________
(nachfolgend: Beschwerdeführer) verlangt mit Eingabe vom 14. Dezember 2007 die
Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages auf monatlich Fr. 1'588.--. In Ergänzung
seiner Beschwerde verlangt er mit Eingabe vom 23. Februar 2008 die Festlegung
des Unterhaltsbeitrages auf monatlich Fr. 940.--.
Es sind keine Antworten eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Strittig ist vorliegend die Höhe des nachehelichen Unterhaltsbeitrages.
Dabei handelt es sich um eine letztinstanzlich beurteilte Zivilsache mit
Vermögenswert, welche dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen
vorgetragen werden kann, da der Streitwert von Fr. 30'000.-- überschritten ist
(Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG, Art. 75 Abs. 1 BGG).

1.2 Sowohl der Unterhaltspflichtige wie die Unterhaltsberechtigte sind an das
Bundesgericht gelangt. Beide Beschwerden richten sich gegen denselben Entscheid
und beschlagen jeweils den Unterhaltsbeitrag, weshalb sich deren Beurteilung in
einem einzigen Urteil aufdrängt (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP).

1.3 Nach Art. 99 Abs. 2 BGG sind neue Begehren unzulässig. Soweit die
Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nunmehr einen monatlichen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'950.-- statt wie bisher von Fr. 3'830.-- verlangt,
ist auf ihren Antrag nicht einzutreten. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist
die nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangene Ergänzung des
Beschwerdeführers (Art. 100 Abs. 1 BGG) und insbesondere sein neuer Antrag auf
Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages auf monatlich Fr. 940.--.

1.4 Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht,
Völkerrecht und kantonaler verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden
(Art. 95 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Auf die Vorbringen beider Parteien
ist nur soweit einzutreten, als sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen
genügen. Die Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG hat nebst einem Antrag eine
Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird,
inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG;
BGE 133 III 350 E. 1.3). Auch Verfassungsrügen sind in der Beschwerdeschrift
vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit die
Beschwerdeführerin Ergänzungen zu den Verdienstmöglichkeiten des
Beschwerdeführers macht und in allgemeiner Weise auf die Akten Bezug nimmt,
sind ihre Vorbringen nicht zu berücksichtigen, da sie mit keiner konkreten Rüge
verbunden sind. Der Beschwerdeführer seinerseits versucht ebenfalls, die
vorinstanzlichen Feststellungen in verschiedener Hinsicht zu ergänzen, worauf
bei den konkreten Rügen zurückzukommen ist.

2.
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die Ehe der Parteien als lebensprägend
anzusehen und der Beschwerdeführer daher zu einem nachehelichen
Unterhaltsbeitrag an die Beschwerdeführerin zu verpflichten sei. Grundsätzlich
bestehe ein Anspruch auf Fortführung des zuletzt gemeinsam gelebten Standards,
wobei auch die Mehrkosten von zwei Haushalten zu berücksichtigen seien.
Zwischen den Parteien ist vor Bundesgericht einzig noch die Höhe der Rente
strittig. Die Beschwerdeführerin besteht im Wesentlichen darauf, dass der
Beschwerdeführer ein höheres Einkommen erzielt, als die Vorinstanz annimmt.
Demgegenüber will der Beschwerdeführer seinen Lebensaufwand umfassender
angesetzt haben.

2.1 Der Beschwerdeführer ist Inhaber der net-commerce-GmbH, welche seit Anfang
2003 für ihre Kunden Dienstleistungen im Informatikbereich anbietet. Zuvor war
er Inhaber der Einzelunternehmung net-commerce mit dem gleichen Tätigkeitsfeld.
Die Vorinstanz beurteilte sein Einkommen als alleinbeherrschender Unternehmer
unter Hinweis auf die Praxis wie dasjenige eines selbständig Erwerbenden. Bei
grossen Einkommensschwankungen sei in der Regel auf das Ergebnis der letzten
drei Jahre abzustellen, wobei auffallend gute oder schlechte Jahresrechnungen
nicht zu berücksichtigen und nötigenfalls auch Korrekturen für geschäftsmässig
nicht begründete Aufwendungen vorzunehmen seien. Der Beschwerdeführer habe im
Jahre 2005 einen Nettolohn von monatlich Fr. 4'018.65 und im Jahre 2006 einen
solchen von monatlich Fr. 7'481.25 bezogen sowie einen Nettogewinn von
monatlich Fr. 2'078.30 erzielt. Das Durchschnittseinkommen der Jahre 2005 und
2006 betrage somit monatlich Fr. 6'789.--.

Dagegen will die Beschwerdeführerin entweder nur auf die monatlichen Einkünfte
im Jahre 2006 von Fr. 9'559.95 abstellen oder vom Durchschnitt der Jahre
2001-2006 ausgehen und das Jahr 2004 vernachlässigen, womit sich monatliche
Einkünfte von Fr. 10'273.-- ergäben. Soweit sich ihre Vorbringen als zulässig
erweisen (E.1.4), geht daraus nicht hervor, weshalb die von der Vorinstanz
berücksichtigten Jahre 2005 und 2006, unter Weglassung des Jahres 2004, nicht
aussagekräftig sein sollten und stattdessen auf einen Zeitraum von insgesamt
sechs Jahren abzustellen ist. Insbesondere bleibt sie die Antwort auf die Frage
schuldig, ob bei einem derart langen Zeitraum noch ein einzelnes Jahr zu
vernachlässigen ist. Stellt man hingegen auf ein einziges Jahr ab, so erweist
sich das Ergebnis bei Einkommensschwankungen als eher zufällig, wie die
Vorinstanz zu Recht bemerkt. Dazu nimmt die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht
Stellung, sondern begnügt sich mit der Behauptung, das Einkommen des
Beschwerdeführers sei steigend.

In diesem Zusammenhang wirft sie der Vorinstanz zudem Willkür vor, da sie beim
Einbezug des monatlichen Gewinnanteils des Beschwerdeführers im Jahre 2006 die
Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Abzug gebracht
habe, welche Ansätze zudem aus den Akten nicht hervorgingen. Offensichtlich
möchte die Beschwerdeführerin Lohn und Gewinn in Bezug auf die Sozialabgaben
unterschiedlich behandeln, ohne jedoch darzutun, inwiefern sich ihr
Unterhaltsbeitrag dadurch erhöhen würde. Steht dem Beschwerdeführer ein Gewinn
zu, so verringert sich dieser nämlich durch die gesetzlichen Sozialabgaben und
wird - wie der Lohn - als Nettobetrag ausgerichtet. Wäre dies nicht der Fall,
müsste ihm vom Bruttogewinnanteil ein privater Abzug für diese Abgaben
zugestanden werden, womit sich seine verfügbaren Mittel entsprechend verringern
würden. Hinsichtlich der Abgaben nahm die Vorinstanz auf die Vorbringen des
Beschwerdeführers im kantonalen Verfahren Bezug. Dass es sich hiebei nicht um
die gesetzlichen Ansätze handelt, wird zu Recht nicht behauptet.

Auf die Kritik der Beschwerdeführerin an der Einkommensbemessung beim
Beschwerdeführer ist damit insgesamt nicht einzugehen. Damit fehlen die
Grundlagen für eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages sowie für die Überprüfung
des vorinstanzlich festgehaltenen Ausgangswertes für das monatliche
Nettoeinkommen des Beschwerdeführers.

2.2 Bei der Bemessung des Lebensaufwandes auf Seiten des Beschwerdeführers hat
die Vorinstanz seiner Tätigkeit als selbständig Erwerbender Rechnung getragen
und ihm entsprechende Berufsauslagen zugebilligt. Dabei wies sie auf die im
Lohnausweis 2005 und in der Erfolgsrechnung 2005 sowie 2006 aufgeführten Reise-
und Weiterbildungskosten sowie die Auslagen für Zeitschriften und Bücher hin.
Dass durch die genannten Spesen seine beruflich bedingten Aufwendungen nicht
gedeckt sein sollten, sei nicht dargetan. Für die geltend gemachten Zuschläge
im Existenzminimum bestehe daher kein Platz.

Soweit der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren höhere Auslagen als im
kantonalen Verfahren berücksichtigt haben will, sind seine Vorbringen neu und
daher ohnehin nicht zulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Im Übrigen setzt er sich mit
dem angefochtenen Urteil in keiner Weise auseinander. Weshalb die Vorinstanz
nicht auf seine eigenen Angaben im Lohnausweis und in der Buchhaltung eingehen
durfte, wird nicht dargelegt. Stattdessen schildert der Beschwerdeführer seinen
Bedarf an Auslagen und Bekleidung, welche den üblichen Standards im Berufsleben
entsprächen. Mit solchen rein appellatorischen Vorbringen genügt der
Beschwerdeführer seiner Rügepflicht in keiner Weise (E. 1.4).

2.3 Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist bei der Berechnung seines
Existenzminimums auch der steuerlichen Belastung Rechnung zu tragen, ansonsten
stossende Ungleichheiten zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem
Unterhaltsberechtigten drohen würden. Er verweist in diesem Zusammenhang auf
die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 128 III 257 E. 4a). Zwar
trifft es zu, dass der Beschwerdeführer im kantonalen Rechtsmittelverfahren bei
der Berechnung seines Existenzminimums einen Betrag für Steuern eingesetzt hat,
wenn auch ohne weitere Begründung und ohne Belege, und dass die Vorinstanz auf
den steuerrechtlichen Aspekt der Unterhaltspflicht nicht eingegangen ist. Dass
dadurch sein rechtliches Gehör verletzt worden wäre, macht der Beschwerdeführer
indes nicht geltend.

Hingegen stellt er im vorliegenden Verfahren Berechnungen über die steuerliche
Erfassung seines von der Vorinstanz errechneten Einkommens sowie der
Unterhaltsrente auf Seiten der Berechtigten durch den Bund (Art. 23 lit. f DBG)
und den Kanton an und berücksichtigt dabei auch die Abzugsfähigkeit der
Unterhaltsbeiträge auf Seiten des Pflichtigen (Art. 33 Abs. 1 lit. c DBG).
Demzufolge stehe der Beschwerdeführerin im Vergleich zu ihm der doppelte Betrag
zur freien Verfügung. Um hier ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen, müsste
nach Ansicht des Beschwerdeführers seine Unterhaltspflicht auf monatlich Fr.
1'890.-- herabgesetzt werden. Diese Vorbringen können insoweit nicht
berücksichtigt werden, als die angeführten Steuerbeträge über die gegenüber der
Vorinstanz vorgebrachten Ansätze hinausgehen und daher neu sind (Art. 99 Abs. 1
BGG). Zudem sind nicht die Rechtsgrundlagen für die steuerliche Behandlung von
Unterhaltsbeiträgen strittig, sondern einzig die Höhe der an Bund und Kanton zu
entrichtenden Steuern. Diese bilden nun aber Teil des Sachverhaltes, welchen
die Vorinstanz für das Bundesgericht in verbindlicher Weise festlegt (Art. 105
Abs. 1 BGG). Da hiezu jegliche Angaben im angefochtenen Urteil fehlen, kann der
Einfluss der zu entrichtenden Steuern auf die verfügbaren Mittel und damit auf
die Höhe der Unterhaltspflicht nicht geprüft werden. Eine Rückweisung der Sache
zu Vervollständigung des Sachverhaltes kommt insoweit nicht in Frage, als die
Parteien den Sachverhalt vorzubringen haben, welcher für die Festlegung der
Unterhaltspflicht notwendig ist und allfällige Versäumnisse im kantonalen
Verfahren nicht wieder gut gemacht werden können. Der Vorinstanz kann auch
keine Verletzung der Untersuchungsmaxime vorgeworfen werden, zumal die im
vorliegenden Fall zu regelnden Folgen der Scheidung rein vermögensrechtlicher
Natur sind und keine Kinderbelange betreffen (vgl. BGE 128 III 411 E. 3.2). Ob
und inwieweit die steuerliche Erfassung von Einkünften bei der Festlegung des
Unterhaltsbeitrages grundsätzlich zu berücksichtigen ist, muss damit vorliegend
offen bleiben.

3.
Nach dem Gesagten ist beiden Beschwerden kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss
tragen die Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 5A_742/2007 und 5A_745/2007 werden vereinigt.

2.
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 5000.-- werden jeder Partei zur Hälfte auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden