Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.741/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_741/2007/bnm

Urteil vom 29. Dezember 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________ selig,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Rüegg,

gegen

Z.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Monika Lütolf-Geiser,

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 31.
Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ selig und Z.________ führten seit Februar 1993 einen gemeinsamen
Haushalt. Am 6. Juni 1997 heirateten sie, im Juni 1998 wurde der gemeinsame
Haushalt aufgelöst. Aus der Beziehung gingen die Kinder S.________, geb. 1994,
und T.________, geb. 1997, hervor. Ausserdem lebten die beiden Kinder aus
erster Ehe von Z.________ (geb. 1982 und 1984) im gemeinsamen Haushalt.

B.
Mit Urteil vom 13. September 2005 schied das Kantonsgericht Obwalden die Ehe
und teilte die elterliche Sorge über die gemeinsamen Kinder der Mutter zu,
unter Regelung weiterer Kinderbelange. Sodann verpflichtete es X.________
namentlich zu Unterhaltsbeiträgen von Fr. 861.-- je Kind und von Fr. 2'150.--
bzw. ab August 2010 von Fr. 1'851.-- an die Ehefrau, zu einer güterrechtlichen
Leistung von Fr. 26'751.90 und zur Überweisung von Fr. 30'000.-- auf ein
Freizügigkeitskonto.

Mit Bezug auf gewisse kinderrechtliche und die finanziellen Belange erhoben
beide Parteien Appellation. In finanzieller Hinsicht verpflichtete das
Obergericht des Kantons Obwalden X.________ mit Urteil vom 31. Oktober 2007 zur
Bezahlung von Kinderunterhaltsbeiträgen von Fr. 1'000.-- bzw. Fr. 1'200.--, von
nachehelichem Unterhalt an Z.________ von Fr. 2'026.-- bis 5. Juli 2010, von
Fr. 2'363.-- zwischen 6. und 31. Juli 2010, von Fr. 2'773.-- zwischen 1. August
2010 und 16. August 2012 und von Fr. 2'800.-- ab 17. August 2012
(lebenslänglich), zu einer güterrechtlichen Leistung von Fr. 19'251.90 und zur
Überweisung von Fr. 30'000.-- auf ein Freizügigkeitskonto.

C.
Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts, des Güterrechts, der
Freizügigkeitsleistung und der Kostenverteilung erhob X.________ selig am 13.
Dezember 2007 eine Beschwerde in Zivilsachen. Er verlangte insbesondere, von
der Festsetzung nachehelichen Unterhalts abzusehen, die vollzogene
güterrechtliche Auseinandersetzung mit dem aktuellen Besitzstand festzustellen
und die Sache für die kantonale Kostenverlegung an das Obergericht
zurückzuweisen. Mit Vernehmlassung vom 14. März 2008 schloss die
Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Sodann verlangten beide Seiten die unentgeltliche Rechtspflege.
Am 10. Mai 2008 verstarb X.________, worauf das Verfahren mit
Präsidialverfügung vom 15. Mai 2008 sistiert wurde (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 6
Abs. 2 und 3 BZP).

Gemäss Erbenverzeichnis der Einwohnergemeinde A.________ vom 2. Juni 2008 sind
die gesetzlichen Erben von X.________ seine beiden Kinder aus erster Ehe,
U.________, geb. 1969, und V.________, geb. 1977, sowie die beiden Kinder
S.________ und T.________ aus der Ehe mit der Beschwerdegegnerin. Für die
Letzteren wurde Rechtsanwalt R.________ als Vertretungsbeistand gemäss Art. 392
Ziff. 2 ZGB ernannt.

Das vom Konkursamt des Kantons Obwalden erstellte öffentliche Inventar im Sinn
von Art. 580 ff. ZGB hat ergeben, dass der Nachlass von X.________ selig
überschuldet ist. Gemäss Beschluss des Einwohnergemeinderates A.________ vom
20. Oktober 2008 haben alle vier Kinder die Erbschaft ausgeschlagen.

Am 10. bzw. 19. Dezember 2008 haben die beiden Rechtsvertreter ihre Kostennoten
eingereicht.

Erwägungen:

1.
Die Frage des nachehelichen Unterhaltes ist unmittelbar mit dem Ableben von
X.________ gegenstandslos geworden, weil die Beitragspflicht mit dem Tod der
berechtigten oder verpflichteten Person erlischt (Art. 130 Abs. 1 ZGB).

Die weiteren finanziellen Nebenfolgen sind mit der Ausschlagung des Nachlasses
durch die Erben gegenstandslos geworden. Diese haben im Übrigen alle bekannt
gegeben, an einer Weiterführung des Prozesses vor Bundesgericht nicht
interessiert zu sein (Schreiben Rechtsanwalt R.________ vom 11. September 2008
für die Kinder S.________ und T.________; Schreiben U.________ vom 25. November
2008; Schreiben V.________ vom 10. Dezember 2008).

2.
Bei Gegenstandslosigkeit sind die Gerichts- und Parteikosten nach dem
mutmasslichen Ausgang des Verfahrens zu beurteilen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72
BZP).

Mit Bezug auf den nachehelichen Unterhalt hätte sich mutmasslich ergeben, dass
die Ehe aufgrund des äusserst kurzen ehelichen Zusammenlebens nicht als
lebensprägend anzusehen gewesen wäre, zumal in der betreffenden Zeitspanne
keine Kinder gezeugt oder zur Welt gebracht worden sind (vgl. zur Publikation
bestimmtes Urteil 5A_538/2008, E. 4.4 und 4.5); sodann wäre zu berücksichtigen
gewesen, dass der Ehemann während der zehnjährigen Trennungsphase
Unterhaltsleistungen erbracht hat (vgl. Urteil 5A_538/2008, E. 4.6), so dass
mutmasslich kein Raum für nachehelichen Unterhalt geblieben wäre.

Was die Entschädigung gemäss Art. 124 ZGB anbelangt, war diese nur für den Fall
angefochten, dass nachehelicher Unterhalt gesprochen würde; die
Entschädigungsfrage wäre folglich aufgrund des dargestellten mutmasslichen
Ausganges der Unterhaltsfrage gegenstandslos geworden.

Mit Bezug auf das Güterrecht hätte eine Vermutung für die Zugehörigkeit von
Guthaben und Schulden zur Errungenschaft gesprochen (Art. 200 Abs. 3 bzw. Art.
209 Abs. 2 ZGB). Indes wird die Beweislastverteilung und die damit
zusammenhängende Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB gegenstandslos, wo das
Gericht aufgrund einer Würdigung von Beweisen zu einem Schluss gelangt ist (BGE
130 III 591 E. 5.4 S. 602). Dies war vorliegend der Fall, indem das Obergericht
die Darlehensschulden aufgrund einer Beweiswürdigung auf die beiden
Vermögensmassen aufgeteilt hat. Hat es aber diesbezüglich auf die eigenen
Parteiaussagen von X.________ selig abgestellt und hat dieser im Übrigen seiner
Auskunftspflicht über die Mittelverwendung nur unvollständig bzw. mit
zerstreuenden Aussagen nachgelebt, wäre mutmasslich keine Willkür zu erkennen
gewesen, wenn das Obergericht einzig die für Wohnkosten und Steuern verwendeten
Darlehensteile der Errungenschaft zugeschlagen hat.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass X.________ selig für den nachehelichen
Unterhalt mit seiner Beschwerde durchgedrungen und im Güterrecht unterlegen
wäre. Es rechtfertigt sich in der konkreten Situation, für das
bundesgerichtliche Verfahren auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten
(Art. 66 Abs. 2 BGG) und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Die Festsetzung und Verteilung der kantonalen Kosten entsprechend dem neuen
hypothetischen Ausgang des Verfahrens ist durch das Obergericht vorzunehmen
(Art. 68 Abs. 5 BGG).

3.
Angesichts der offensichtlichen Bedürftigkeit der Parteien sind die
beidseitigen Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren gutzuheissen und beide Seiten durch ihre jeweiligen Rechtsvertreter
zu verbeiständen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Diese sind aus der Gerichtskasse
für ihre Leistungen angemessen zu entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Es wird festgestellt, dass die Beschwerde in Zivilsachen gegenstandslos
geworden ist.

2.
Die beidseitigen Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden gutgeheissen und
beide Parteien werden durch ihre jeweiligen Rechtsvertreter verbeiständet.

3.
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Rechtsanwalt Victor Rüegg wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse mit Fr. 7'000.-- entschädigt.

5.
Rechtsanwältin Monika Lütolf-Geiser wird für das bundesgerichtliche Verfahren
aus der Gerichtskasse mit Fr. 3'890.30 entschädigt.

6.
Für die Bestimmung und Verteilung der kantonalen Kosten wird die Sache an das
Obergericht zurückgewiesen.

7.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Obwalden
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Dezember 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Möckli