Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.729/2007
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5A_729/2007

Urteil vom 29. Januar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.

A. X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

B.X-Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Silvan Fahrni,
Pulver & Fahrni, Rechtsanwälte.

Definitive Rechtsöffnung (Fristwiederherstellung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 24. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 3. Juli 2007 erteilte das Gerichtspräsidium 3 Baden
B.X-Y.________ (Gläubigerin) in der gegen A.X.________ (Schuldner)
eingeleiteten Betreibung Nr. 00000000 des Betreibungsamtes Birmenstorf
definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 57'105.-- nebst Zins zu 5 %
seit dem 24. Mai 2007, die Kosten des Zahlungsbefehls von Fr. 100.--, den
Kostenansatz von Fr. 500.-- sowie die Parteientschädigung von Fr. 986.50. Das
Gerichtspräsidium gab den Rechtsöffnungsentscheid am 4. Juli 2007 als
Gerichtsurkunde bei der Post Baden auf; die Sendung wurde dem Schuldner am 5.
Juli 2007 von der Post Birmenstorf avisiert. Nachdem der Schuldner die
Gerichtsurkunde nicht abgeholt hatte, sandte sie die Post mit dem Vermerk:
"nicht abgeholt" an den Absender zurück, worauf sie am 16. Juli 2007 beim
Gerichtspräsidium Baden eintraf. Dieses schickte dem Schuldner am 14. August
2007 mit gewöhnlicher Post eine Kopie des Rechtsöffnungsentscheids und wies
ihn darauf hin, dass die Rechtsmittelfrist abgelaufen und der Entscheid am 7.
August 2007 in Rechtskraft erwachsen sei.

B.
Der Schuldner ersuchte am 20. August 2007 um Wiederherstellung der
Rechtsmittelfrist, welches Begehren das Obergericht des Kantons Aargau mit
Entscheid vom 24. Oktober 2007 abwies.

C.
Der Schuldner gelangt mit Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, den
Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Gesuch um Wiederherstellung der
Rechtsmittelfrist gutzuheissen.

Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

D.
Mit Eingabe vom 25. Januar 2008 ersucht der Beschwerdeführer darum, der
Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist eine Verfügung über die Wiederherstellung der Frist zur
Erhebung eines kantonalen Rechtsmittels gegen ein erstinstanzliches Urteil
über die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Entscheide in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gelten als Zivilsache (Art. 72 Abs. 2
lit. a BGG) und damit auch der vorliegende, im Zusammenhang mit der
Rechtsöffnung ergangene Entscheid. Die angefochtene Verfügung ist überdies
letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG). Der strittige Rechtsöffnungsbetrag
beläuft sich auf über Fr. 50'000.--, womit auch das Streitwerterfordernis des
Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt ist. Anders als der Entscheid, der eine
Frist wiederherstellt (dazu: Urteil U 162/96 vom 17. Juli 1997, E. 1),
schliesst die vorliegende, die Fristwiederherstellung verweigernde Verfügung
das Verfahren ab. Dem Beschwerdeführer wird damit der Rechtsmittelweg
versperrt. Sie gilt somit nicht als Zwischenentscheid, sondern als
Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG. Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen
gegeben.

2.
2.1 In der angefochtenen Verfügung wird definitiv über die Wiederherstellung
der Rechtsmittelfrist entschieden. Sie stellt damit keine vorsorgliche
Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG dar, welche ausschliesslich die Rüge der
Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässt. Mit der Beschwerde in
Zivilsachen kann somit eine Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95
BGG). Das Bundesgericht überprüft die behauptete Verletzung dieses Rechts mit
freier Kognition, währenddem es seinem Beschwerdeentscheid den von der
Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde zu legen hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn die für
den Verfahrensausgang entscheidenden Feststellungen offensichtlich unrichtig,
d.h. willkürlich (Art. 9 BV) sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.

2.2 Die Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG hat nebst einem Antrag eine
Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird,
inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2
BGG), ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten wird (Art. 108 Abs. 1
lit. b BGG). Das bedeutet, dass in der Beschwerdeschrift entsprechend den
altrechtlichen Begründungsanforderungen des Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
(Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001,
Ziff. 4.1.2.4, BBl. 2001, S. 4294) auf die Erwägungen des angefochtenen
Entscheids einzugehen und im Einzelnen zu zeigen ist, inwiefern der
angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt. Die Gesetzesartikel brauchen
allerdings nicht ausdrücklich genannt zu werden, falls aus den Vorbringen
hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz verstossen
haben soll (BGE 116 II 745 E. 3 S. 749).

2.3 Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der
Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung willkürlich
oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29
Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (vgl. BGE 133 II 249 E.
1.2.2 und 1.4.3 S. 255). In der Beschwerde in Zivilsachen dürfen überdies
keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, es sei denn, erst
der Entscheid der Vorinstanz habe dazu Anlass gegeben (Art. 99 BV). Wird ein
Novum vorgetragen, ist in der Beschwerde darzutun, inwiefern die erwähnte
Voraussetzung erfüllt ist (BGE 133 III 393 E. 3).

2.4 Zu beachten ist, dass dem Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein
erheblicher Ermessensspielraum zusteht (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Das
Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht sein
Ermessen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht,
erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (vgl.
BGE 132 III 209 E. 2.1; 129 I 8 E. 2.1; 120 Ia 31 E. 4b S. 40; 118 Ia 28 E.
1b S. 30). Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen im dargelegten Sinn
missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3). Namentlich genügt es nicht, einzelne
Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet
werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene
Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem die freie Prüfung aller Tat- und
Rechtsfragen zukäme (vgl. BGE 116 Ia 85 E. 2b).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer hatte vor der kantonalen Instanz sein
Fristwiederherstellungsgesuch damit begründet, die Abholungseinladung der
Post sei nie bei ihm angelangt, obwohl er nicht abwesend gewesen sei. Er habe
auch kein Interesse gehabt, dieses Dokument zu unterschlagen. Zudem bestehe
nach den Angaben des Poststellenleiters die Möglichkeit eines Restrisikos,
dass er die Zustellungsinformation nicht erhalten habe.

Gegen diese Darstellung spricht nach Ansicht des Obergerichts, dass die
Sendung gemäss den Zustellungsinformationen der Post dem Beschwerdeführer am
5. Juli 2007 avisiert wurde, also bei ihm angelangt ist. Dies bestätige - so
das Obergericht - auch der Poststellenleiter in seiner Mail an den
Beschwerdeführer vom 20. August 2007, werde doch darin ausgeführt, laut
Unterlagen der Post sei für den Beschwerdeführer am 5. Juli 2007 eine GU
(Gerichtsurkunde) aus Baden avisiert worden. Von einem Restrisiko, dass der
Beschwerdeführer die Abholungseinladung nicht erhalten haben könnte, sei
darin nicht die Rede. Der Poststellenleiter führe vielmehr aus, ob ein Avis
für die Gerichtsurkunde ausgestellt worden sei, lasse sich schwer ermitteln.
Die Tatsache aber, dass vom zeitlichen Ablauf her alles korrekt abgelaufen
sei, lasse auf eine normale Ankündigung der Sendung schliessen. Davon sei -
so das Obergericht - auszugehen, habe doch der Beschwerdeführer seinen
Angaben zufolge gerichtliche Sendungen bisher immer korrekt erhalten; es sei
nicht zu sehen, weshalb es sich im konkreten Fall anders verhalten haben
sollte, und der Beschwerdeführer erläutere dies auch nicht näher. Zwar
bestehe die theoretische Möglichkeit, dass die Abholungseinladung an einem
falschen Ort eingeworfen worden sei, doch sei dies höchst unwahrscheinlich,
da angenommen werden dürfe, dass der falsche Adressat in einem solchen Fall
die Abholungseinladung entweder an den Beschwerdeführer weitergeleitet oder
sie der Post übergeben hätte.

3.2 Vor Bundesgericht macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend,
auch der Poststellenleiter schliesse ein Restrisiko nicht aus. Bestehe aber
ein solches, sei es tatsächlich möglich, dass ein Avis ohne Verschulden des
Betroffenen nicht an ihn gelange. Treffe dies zu, dürfe dieser Umstand nicht
zum Nachteil des Betroffenen gereichen, zumal das Gerichtspräsidium als
Absender der Gerichtsurkunde nach der allgemeinen Beweisregel von Art. 8 ZGB
die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung und damit auch die Folgen
einer allfälligen Beweislosigkeit trage. Das habe das Obergericht verkannt
und damit die in Art. 8 ZGB enthaltene Grundregel verletzt.

4.
4.1 Artikel 8 ZGB regelt für das Bundeszivilrecht einerseits die
Beweislastverteilung und gibt anderseits der beweispflichtigen Partei einen
Anspruch darauf, für rechtserhebliche Vorbringen zum Beweis zugelassen zu
werden (BGE 130 III 591 E. 5.4 mit Hinweisen). Artikel 8 ZGB ist daher
insbesondere verletzt, wenn das kantonale Sachgericht unbewiesene
Behauptungen einer Partei unbekümmert darum, dass sie von der Gegenpartei
bestritten worden sind, als richtig hinnimmt, oder über rechtserhebliche
Tatsachen überhaupt nicht Beweis führen lässt (BGE 114 II 289 E. 2a S. 291).
Wo der Richter allerdings in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung gelangt,
eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die
Beweislastverteilung gegenstandslos. Diesfalls liegt freie Beweiswürdigung
vor, die bundesrechtlich nicht geregelt ist, auch nicht durch Art. 8 ZGB.
Eine beschränkte Beweisabnahme verletzt Art. 8 ZGB daher nicht, wenn der
Richter schon nach deren Ergebnis von der Sachdarstellung einer Partei
überzeugt ist, gegenteilige Behauptungen also für unbewiesen hält (vgl. zum
Ganzen BGE 114 II 289 E. 2a mit zahlreichen Hinweisen; 130 III 591 E. 5.4 mit
Hinweisen).

Das Obergericht ist gestützt auf die Zustellungsinformationen der Post und
die Mail des Poststellenleiters vom 20. August 2007 zur Überzeugung gelangt,
dass dem Beschwerdeführer die GU aus Baden, d.h. der umstrittene
Rechtsöffnungsentscheid, am 5. Juli 2007 avisiert worden ist. Damit hat das
Obergericht aufgrund der abgenommenen Beweise die gegenteilige Behauptung des
Beschwerdeführers als widerlegt erachtet. Bei diesem Beweisergebnis wird die
Beweislastverteilung gegenstandslos. Die Ausführungen des Beschwerdeführers
beschlagen denn auch die obergerichtliche Beweiswürdigung, welche - wie
gesagt - durch Art. 8 ZGB nicht geregelt wird. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB
ist nicht ersichtlich.

4.2 Ebenso wenig ist der Beschwerde Erfolg beschieden, soweit der
Beschwerdeführer dem Obergericht überhaupt den Begründungsanforderungen
entsprechend willkürliche Beweiswürdigung vorwirft:

Aufgrund der Postinformation, die den Prozess der Zustellung der
Abholungseinladung bis ins Detail beschreibt, aber auch der Mitteilung des
Poststellenleiters, wonach für den Beschwerdeführer am 5. Juli 2007 eine GU
(Gerichtsurkunde) aus Baden avisiert worden sei, durfte das Obergericht ohne
Willkür auf eine Zustellung der Abholungseinladung an den Beschwerdeführer
schliessen. Aus dem handschriftlichen Fristvermerk auf dem Umschlag der
fraglichen Sendung ("Fr. 12.7.") erhellt, dass der mit der Übermittlung
beauftragte Postbote eine Abholungseinladung mit gleichlautender Frist
ausgefüllt hat. Zwar ist es theoretisch möglich, dass die Abholungseinladung
nicht in den Briefkasten des Beschwerdeführers, sondern versehentlich in
denjenigen einer unbeteiligten Drittperson gelangt ist. Indem die Vorinstanz
aber dieser rein theoretischen Möglichkeit kein Gewicht beigemessen hat, ist
sie nicht in Willkür verfallen, da in einem solchen Fall ohne Willkür
angenommen werden darf, dass der unbeteiligte Dritte die nicht für ihn
bestimmte Sendung der Post übergeben oder sie dem Beschwerdeführer direkt
überbracht hätte. Damit erübrigen sich Mutmassungen darüber, weshalb der
Beschwerdeführer auf die Sendung nicht reagiert hat.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 BGG). Eine Entschädigung ist nicht geschuldet, da bei der
Beschwerdegegnerin keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

6.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Januar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden