Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.725/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_725/2007/bnm

Urteil vom 14. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher,
Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Wick,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Thomas Schwarz,

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht,
1. Kammer, vom 23. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ (Ehemann), geb. 1958, und Y.________ (Ehefrau), geb. 1943,
heirateten Mitte 1991. Im März 2003 trennten sie sich. Die Ehe blieb kinderlos.
Aus erster Ehe hat die Ehefrau vier Kinder mit den Jahrgängen 1962-1966.

B.
Am 8. Januar 2007 schied der Gerichtspräsident von Laufenburg die Ehe und
regelte die Nebenfolgen. Dabei verpflichtete er den Ehemann zu nachehelichem
Unterhalt während 15 Jahren von anfänglich Fr. 1'950.-- und ab Mai 2007 von Fr.
2'892.60 abzüglich Renteneinkommen.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2007 verpflichtete das Obergericht den Ehemann zu
nachehelichem Unterhalt während 15 Jahren ab Rechtskraft des Scheidungsurteils
von Fr. 2'542.60 abzüglich der AHV-Rente, über deren Höhe alljährlich Auskunft
zu geben ist.

C.
Dagegen hat der Ehemann am 10. Dezember 2007 Beschwerde in Zivilsachen erhoben
mit den Begehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der Ehefrau sei
kein nachehelicher Unterhalt zuzusprechen, eventuell sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann verlangt er unentgeltliche Rechtspflege. Es
wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten sind die Fr. 30'000.-- übersteigenden vermögensrechtlichen Folgen
eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; auf die Beschwerde ist
somit einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und
Art. 90 BGG).

2.
Das Obergericht hat festgestellt und erwogen, dass das eheliche Zusammenleben
knapp 12 Jahre dauerte und die Ehefrau, die über keine berufliche Ausbildung
verfügt, bei der Trennung knapp 60-jährig und gesundheitlich angeschlagen war.
Während der Ehe sei sie zugunsten der gemeinsamen Haushaltsführung keiner
Erwerbsarbeit nachgegangen, sondern lediglich im Sinn eines Hobbys als
Lebensberaterin und Wahrsagerin tätig gewesen.

3.
Der Beschwerdeführer kritisiert zunächst die Erwägung, dass das eheliche
Zusammenleben knapp zwölf Jahre gedauert hat. Er macht geltend, faktisch habe
die Gemeinschaft weniger als fünf Jahre bestanden, nämlich bis zur Einreichung
der ersten Scheidungsklage durch die Ehefrau im September 1996. Spätestens ab
da seien die ehelichen Verhältnisse heillos zerrüttet gewesen. Die Ehefrau habe
selbst angegeben, dass sie von ihm während Jahren brutal geschlagen, zu Boden
gedrückt, gewürgt, etc. worden sei und die Misshandlungen grundlos erfolgt
seien. Sie verhalte sich widersprüchlich, wenn sie einerseits die Beziehung
(jedenfalls seit 1996) als Ehehölle darstelle, andererseits aber aus dieser
Beziehung ein schützenswertes Vertrauen auf deren Fortführung behaupte.
Bei der lebensprägenden Ehe haben beide Parteien Anspruch auf Fortführung der
ehelichen Lebenshaltung (BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 594 f.), weil das Vertrauen
des ansprechenden Ehegatten auf den Weiterbestand der Ehe und der bisherigen,
frei vereinbarten Aufgabenteilung als objektiv schutzwürdig anzusehen ist
(Entscheide 5C.169/2006, E. 2.4; 5C.244/2006, E. 2.4.8). Der Beschwerdeführer
verkehrt diese Formel mit dem Verweis auf die Behandlung der Ehefrau ins
Gegenteil; seine Ausführungen laufen darauf hinaus, dass man durch blosse
Misshandlung des Partners dessen gesetzlichen Unterhaltsansprüche vereiteln
könnte. Ein solches Resultat wäre unhaltbar. Im Übrigen lässt die Tatsache,
dass die Ehefrau das als Ehehölle bezeichnete Zusammenleben weiter ertragen und
gewissermassen in der Ehe ausgeharrt hat, auf das Gegenteil der Behauptung des
Beschwerdeführers schliessen, nämlich darauf, dass sie trotz aller Widrigkeiten
den Willen zur Fortführung der Ehe hatte und auch auf deren Fortbestand baute.
Dieses Vertrauen, das als schutzwürdig zu erachten ist, wurde erst mit der
Auflösung des gemeinsamen Haushaltes im März 2003 zerstört, weshalb zusammen
mit dem Obergericht von einer massgebenden Ehedauer von knapp zwölf Jahren
auszugehen ist.

4.
Ehen, die mehr als zehn Jahre gedauert haben, sind vermutungsweise
lebensprägend (Entscheide 5C.171/2005, E. 3.1; 5A_167/2007, E. 4). Diese
Vermutung versucht der Beschwerdeführer mit dem Argument umzustossen, dass das
Leben der Ehefrau in erster Linie durch ihre vier aus erster Ehe stammenden
Kinder geprägt worden sei, zumal sie im Zuge ihrer sehr frühen ersten Heirat
und der Kinder weder über eine berufliche Ausbildung verfüge noch je einer
Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.

Es trifft zu, dass die Lebensprägung vor dem geschilderten Hintergrund weniger
stark ist, als wenn ein Ehegatte seine Erwerbstätigkeit aufgibt oder gar auf
eine nicht mehr wiederholbare berufliche Karriere verzichtet, um fortan den
gemeinsamen Haushalt zu führen und gemeinsame Kinder aufzuziehen. Im letzteren
Fall ist die lebensgestaltende und ökonomische Schicksalsgemeinschaft zwischen
den Ehegatten besonders stark. Indes hat das Obergericht zu Recht darauf
hingewiesen, dass sich die Ehefrau gerade angesichts ihres fortgeschrittenen
Alters von 48 Jahren und ihrer weitgehend fehlenden beruflichen Erfahrung
vollständig in die finanzielle Abhängigkeit des Ehemannes begeben hat, was sie
offensichtlich nur vor dem Hintergrund des in die Ehe gesetzten Vertrauens
konnte. Lebensprägend war in dieser Situation die auf Art. 163 ZGB gestützte
partnerschaftliche Versorgungslage, die mit der Scheidung verloren geht. Wenn
das Obergericht vor diesem Hintergrund davon ausgegangen ist, die Vermutung der
Lebensprägung sei nicht widerlegt, so hat es jedenfalls von dem ihm bei der
Unterhaltsfestsetzung zukommenden weiten Ermessen (Art. 4 ZGB; BGE 127 III 136
E. 3a S. 141; Botschaft, BBl 1996 I S. 115 f.), bei dessen Überprüfung das
Bundesgericht Zurückhaltung übt (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382; 131 III 12 E. 4.2
S. 15; 132 III 97 E. 1 S. 99), keinen unsachgemässen Gebrauch gemacht.

5.
Die fehlende Eigenversorgungskapazität der Ehefrau und die eigene
Leistungsfähigkeit werden vom Beschwerdeführer ebenso wenig in Frage gestellt
wie die Höhe des angemessenen Unterhaltsbeitrags. Was die Ausführungen im
Zusammenhang mit dem Erwerb einer IV-Rente anbelangt, so sind diese angesichts
des eingetretenen AHV-Alters der Ehefrau gegenstandslos (Art. 30 IVG).
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit
darauf getreten werden kann.

6.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an
aussichtslos betrachtet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen
der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das betreffende
Gesuch abzuweisen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Möckli