Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.708/2007
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5A_708/2007/bnm

Urteil vom 7. Februar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Rapp.

X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich,
Beschwerdegegner.

Unentgeltliche Rechtspflege (Forderung aus Scheidungskonvention),

Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom
22. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 21. August 1987 genehmigte das Bezirksgericht Zürich die
Vereinbarung zwischen X.________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) und
Y.________ vom 9. Juli 1987 über die güterrechtliche Auseinandersetzung. In
dieser verpflichtete sich Letzterer, der Beschwerdeführerin zur Abgeltung
aller vermögensrechtlicher Ansprüche Fr. 700'000.-- in bar zu bezahlen. Da
damals noch Straf- und Nachsteuern in Aussicht standen, vereinbarten die
Vertragsparteien, dass die Beschwerdeführerin 50% der "Steuereinsparung"
erhalten sollte, falls der Steuerbetrag insgesamt unter die damals
angenommene Höchstlimite von Fr. 470'000.-- fallen sollte.

B.
Gestützt auf diese Klausel machte die Beschwerdeführerin gegenüber Y.________
mit Klage vom 3. November 2004 beim Bezirksgericht Zürich die Bezahlung des
Betrags von Fr. 177'388.75 nebst Zins geltend. Mit Urteil vom 20. Juni 2006
wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.

C.
Mit Eingaben vom 30. Juni sowie 15. September 2006 erklärte die
Beschwerdeführerin beim Obergericht des Kantons Zürich Berufung und
beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Zurückweisung
an das Bezirksgericht zur Durchführung eines Beweisverfahrens. Mit Beschluss
vom 8. Dezember 2006 entzog die I. Zivilkammer des Obergerichts der
Beschwerdeführerin infolge Aussichtslosigkeit ihres Prozessstandpunktes die
unentgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung für das Berufungsverfahren
und setzte ihr Frist zur Leistung einer Kaution von Fr. 12'000.-- an.
Das Obergericht begründete die Aussichtslosigkeit damit, dass die Forderung
der Beschwerdeführerin nach Ablauf einer Verjährungsfrist von 10 Jahren (Art.
127 OR) im Oktober 1999 abgelaufen sei. Die Beschwerdeführerin mache zwar
geltend, sie sei vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 2004 urteils- und
handlungsunfähig gewesen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei eine
Hemmung der Verjährung nach Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR jedoch nicht gegeben,
wenn der Gläubiger aus subjektiven Gründen daran gehindert sei, rechtzeitig
vor einem schweizerischen Gericht zu klagen. Eine Praxisänderung sei nicht
wahrscheinlich.

D.
Mit Eingabe vom 31. Januar 2007 erhob die Beschwerdeführerin gegen den
obergerichtlichen Beschluss kantonale Nichtigkeitsbeschwerde beim
Kassationsgericht des Kantons Zürich und beantragte die Aufhebung des
obergerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung an die Vorinstanz. Mit
Beschluss vom 22. Oktober 2007 wies das Kassationsgericht die Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

E.
Mit Beschwerde vom 29. November 2007 beantragt die Beschwerdeführerin dem
Bundesgericht im Wesentlichen die Aufhebung des Beschlusses des
Kassationsgerichts sowie des Entscheids des Obergerichts, eventualiter die
Zurückweisung an das Obergericht zu neuer Beurteilung. Sodann verlangt sie
unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 29. November 2007 wurde der
Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit
dem die unentgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung in einem
kantonalen Verfahren entzogen worden ist. Dabei handelt es sich um einen
Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131), dessen
ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen
Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai
2007, E. 1.2; Urteil 5A_531/2007 vom 9. November 2007, E. 1.1). Bei
Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese betrifft
eine Forderung aus einer Scheidungskonvention, mithin eine Zivilsache, deren
Streitwert den Betrag von Fr. 30'000.-- bei weitem übersteigt (Art. 72 Abs. 1
i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen
gegen den vorgenannten Zwischenentscheid gegeben.

Mit ihrer Beschwerde ficht die Beschwerdeführerin sowohl den
kassationsgerichtlichen als auch den obergerichtlichen Beschluss an, was
unzulässig ist, wenn mit dem ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel alle
vor Bundesgericht zulässigen Rügen geltend gemacht werden können (BGE 133 III
585 E. 3.1 S. 586). Nach § 281 Ziff. 1 ZPO ZH kann gegen Vor-, Teil-, und
Endentscheide sowie gegen Rekursentscheide und Rückweisungen im
Berufungsverfahren Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden, wenn geltend
gemacht wird, der angefochtene Entscheid beruhe zum Nachteil des
Nichtigkeitsklägers auf einer Verletzung eines wesentlichen
Verfahrensgrundsatzes. Darunter fallen nicht nur Vorschriften des kantonalen
Zivilprozessrechts, sondern ebenso bundesrechtliche Verfahrensgrundsätze (BGE
133 III 585 E. 3.4 S. 587 mit Hinweis). Indem sich die Beschwerdeführerin auf
Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR beruft, wendet sie sich gegen die vorinstanzliche
Annahme der Aussichtslosigkeit des von ihr vertretenen Prozessstandpunkts und
rügt damit sinngemäss eine Verletzung des Anspruchs auf unentgeltliche
Prozessführung gemäss § 84 ZPO ZH sowie Art. 29 Abs. 3 BV. Nach herrschender
Lehre und Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen vom Kassationsgericht
frei zu prüfenden wesentlichen Verfahrensgrundsatz i.S.v. § 281 Ziff. 1 ZPO
ZH (BGE 133 III 585 E. 3.4 S. 588 mit Hinweisen). Da mit der
Nichtigkeitsbeschwerde gegen den obergerichtlichen Beschluss an das
Kassationsgericht somit alle vor Bundesgericht zulässigen Rügen erhoben
werden konnten, kann einzig der Beschluss des Kassationsgerichts angefochten
werden (BGE 133 III 585 E. 3.5 S. 588). Insofern die Beschwerdeführerin den
obergerichtlichen Beschluss mitanficht, kann auf ihre Vorbringen nicht
eingetreten werden.

2.
Betreffend den Stillstand der Verjährung erwog das Kassationsgericht, die
persönliche (gesundheitliche) Situation der Beschwerdeführerin gebe keine
Anhaltspunkte für eine Änderung der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 134
Abs. 1 Ziff. 6 OR. Auch bestehe keine Notwendigkeit einer entsprechenden
Lückenfüllung durch den Richter. Somit habe das Obergericht die
Erfolgschancen des Prozessstandpunkts der Beschwerdeführerin richtig
eingeschätzt. Betreffend die Dauer der Verjährungsfrist führte das
Kassationsgericht aus, auch wenn die Höhe der Forderung von der
Steuerforderung des Staates möglicherweise beeinflusst gewesen sei, handle es
sich um eine Forderung zivilrechtlicher Natur, für welche die
Verjährungsfrist von 10 Jahren, und nicht diejenige von 15 Jahren nach § 161
Abs. 2 des kantonalen Steuergesetzes gelte. Insgesamt könne daher offen
bleiben, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich unter einer dauernden schweren
geistigen Störung gelitten habe.

3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Bundesgericht habe sich in seiner
Rechtsprechung betreffend den Stillstand der Verjährung noch nie zum Fall
geäussert, dass ein Gläubiger urteilsunfähig und nicht bevormundet sei.
Infolge einer schweren Geisteskrankheit sei es ihr faktisch unmöglich
gewesen, die Forderung geltend zu machen. Diese Krankheit habe ihr früherer
Ehemann erkannt und - indem er seinen Verpflichtungen ihr gegenüber nicht
nachgekommen sei - ausgenützt. Er habe somit nicht davon ausgehen dürfen,
dass sie auf eine Klageeinreichung verzichte.

Als aussichtslos sind Prozessbegehren anzusehen, bei denen die
Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die
deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1
S. 135; 133 III 614 E. 5 S. 616). Dagegen gilt ein Begehren nicht als
aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die
Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese.

Gemäss Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR beginnt die Verjährung nicht und steht sie
still, falls sie begonnen hat, solange eine Forderung vor einem
schweizerischen Gerichte nicht geltend gemacht werden kann. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist diese Voraussetzung nur dann erfüllt,
wenn der Gläubiger durch objektive, von seinen persönlichen Verhältnissen
unabhängige Umstände daran gehindert ist, in der Schweiz zu klagen,
namentlich also dann, wenn ein Gerichtsstand in der Schweiz fehlt (BGE 90 II
428 E. 9 S. 439 f.; 124 III 449 E. 4a S. 452 f.). Aus Art. 134 Abs. 1 Ziff.
1-4 OR ergibt sich abschliessend, inwieweit persönliche Verhältnisse des
Gläubigers die Verjährung zu hemmen vermögen (BGE 90 II 428 E. 9 S. 440). Es
verbietet sich somit, Art. 134 Ziff. 6 OR auch auf Fälle anzuwenden, wo - für
den Schuldner oft nicht erkennbare - subjektive Umstände der Erhebung einer
an sich möglichen Klage in der Schweiz entgegenstehen.

Diese Rechtsprechung wurde in einem jüngeren Entscheid bestätigt und die
Anwendbarkeit von Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR insbesondere für den Fall
abgelehnt, dass einem Gläubiger die Handlungsfähigkeit fehlt und eine
gesetzliche Vertretung nicht besteht (Urteil 5C.122/2006 vom 6. Oktober 2006,
E. 3.3, mit Hinweisen). Somit stösst der Einwand der Beschwerdeführerin ins
Leere, dass sich das Bundesgericht noch nie zu einem der vorliegenden
Konstellation entsprechenden Fall geäussert habe.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Prozessstandpunkt der
Beschwerdeführerin als aussichtslos zu betrachten. Unbehelflich ist auch der
Hinweis darauf, der frühere Ehemann der Beschwerdeführerin habe um ihre
angebliche Krankheit gewusst. Offen bleiben kann somit ebenfalls, ob die
Beschwerdeführerin tatsächlich unter einer psychischen Krankheit litt, welche
angeblich ihre zeitweise Urteilsunfähigkeit zur Folge hatte.

4.
Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, die Kaution beinhalte zu einem
Teil Gerichtskosten aus früheren Verfahren, die jedoch teilweise bereits von
ihr beglichen worden und teilweise verjährt seien. Da es die
Beschwerdeführerin unterlassen hat, die diesbezüglichen Vorbringen
vorinstanzlich geltend zu machen, handelt es sich um neue und somit
unzulässige Tatsachen (Art. 99 Abs. 1 BGG). Insoweit ist auf die Beschwerde
nicht einzutreten.

5.
Insgesamt ist damit die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an
kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen
der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das
betreffende Gesuch abzuweisen ist.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Februar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Rapp