Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.701/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_701/2007/bnm

Urteil vom 10. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher,
Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Möckli.

Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Haltiner,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Knus,

Gegenstand
Ehescheidung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 25. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________ (Ehemann), geb. 1951, und Y.________ (Ehefrau), geb. 1947,
heirateten Mitte 1993 und trennten sich Mitte 1998. Die Ehe blieb kinderlos.

B.
Am 23. Oktober 2006 schied das Bezirksgericht Hinwil die Ehe der Parteien und
regelte die Nebenfolgen. Es sprach der Ehefrau keinen nachehelichen Unterhalt
zu.

Demgegenüber verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich den Ehemann mit
Urteil vom 25. Oktober 2006 zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 2'400.-- pro
Monat bis Juni 2011.

C.
Dagegen hat der Ehemann am 27. November 2007 Beschwerde in Zivilsachen erhoben
mit den Begehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der Ehefrau sei
kein nachehelicher Unterhalt zuzusprechen, eventuell sei die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten sind die Fr. 30'000.-- übersteigenden vermögensrechtlichen Folgen
eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; auf die Beschwerde ist
somit einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und
Art. 90 BGG).

2.
Nach den obergerichtlichen Feststellungen und Erwägungen lebten die Parteien
seit 1981 oder 1982 zusammen. Indes könne eine Anrechnung der Konkubinatszeit
nicht in Betracht fallen, weil die Ehefrau bis Ende 1994 zu 60-80% erwerbstätig
gewesen sei und die Partner kinderlos geblieben seien. Demgegenüber ergebe sich
aus verschiedenen Schreiben des Ehemannes, dass die Ehefrau nach der Trennung
noch bis anfangs 2000 auf eine Wiedervereinigung habe hoffen dürfen, weshalb
von einer massgebenden Ehedauer von gegen sieben Jahren auszugehen sei. Aus dem
Umstand, dass die Ehefrau zweimal während der Schwangerschaft das Kind
verlorenen habe, lasse sich keine Lebensprägung ableiten. Sodann sei weder die
physische noch die psychische Beeinträchtigung ehebedingt. Hingegen ergebe sich
eine Lebensprägung aus dem Umstand, dass die Ehefrau während der Ehe ihre
Erwerbstätigkeit aufgegeben habe, um den gemeinsamen Haushalt zu führen. Als
sie ab dem Jahr 2000 nicht mehr auf den Fortbestand der Ehe habe vertrauen
dürfen, sei sie bereits 53-jährig gewesen. Heute sei sie 60-jährig, weshalb ihr
unabhängig von der zur Zeit ausgerichteten vollen IV-Rente keine Erwerbsarbeit
mehr zuzumuten sei. Der Ehemann sei deshalb für die Zeit bis zu ihrem Eintritt
ins AHV-Alter zu nachehelichem Unterhalt zu verpflichten. Ausgehend von einem
Bedarf der Ehefrau von Fr. 4'229.-- und einer IV-Rente von Fr. 1'823.--
verbleibe eine Differenz von gerundet Fr. 2'400.--. Mit einem Nettoeinkommen
von Fr. 6'658.-- und einem Eigenbedarf von Fr. 2'862.-- sei der Ehemann in der
Lage, einen entsprechenden Betrag zu bezahlen.

3.
Der Ehemann bestreitet weder die Höhe des gebührenden Unterhalts der Ehefrau
noch deren fehlende Eigenversorgungskapazität, sondern einzig die Annahme, dass
die Ehe lebensprägend gewesen sei. Seiner Ansicht nach ist die knapp
fünfjährige Zeit zwischen Eheschluss und Trennung massgebend. Aber selbst wenn
die Zeit bis Anfang 2000 miteinberechnet werde und die massgebliche Ehedauer
somit 6½ Jahre betrage, sei die Ehe nicht prägend gewesen, weil die Aufgabe der
Erwerbstätigkeit angesichts der Tatsache, dass weder Kinder noch ein grosses
Haus zu betreuen gewesen seien, auf das Risiko der Ehefrau hin erfolgt sei. Im
Übrigen habe er weit mehr an die ehelichen Lasten beigetragen. Aus dieser Bürde
ergebe sich keine Vertrauensposition zugunsten der Ehefrau. Schliesslich habe
er seit der 9½ Jahre zurückliegenden Trennung hohe Unterhaltszahlungen
geleistet. Nach einer nicht einmal sieben Jahre dauernden Ehe bestehe keine
Schicksalsgemeinschaft, die es rechtfertige, für eine längere Zeit als die
Ehedauer selbst Unterhaltsbeiträge zuzusprechen.

4.
Bei Kurzehen von weniger als fünf Jahren wird vermutet, dass keine
Lebensprägung vorliegt, während eine Ehe, die mehr als zehn Jahre gedauert hat,
vermutungsweise lebensprägend war (Entscheide 5C.171/2005, E. 3.1; 5A_167/2007,
E. 4). Bei einer Ehedauer zwischen fünf und zehn Jahren spielt keine
eigentliche Vermutung; vielmehr kommt es darauf an, ob die tatsächlichen
Umstände die Lebensverhältnisse der Ehegatten nachhaltig geprägt haben oder
nicht (Entscheid 5C.169/2006, E. 2.4). Bei der lebensprägenden Ehe haben beide
Parteien Anspruch auf Fortführung der ehelichen Lebenshaltung (BGE 132 III 593
E. 3.2 S. 594 f.), weil das Vertrauen des ansprechenden Ehegatten auf
Fortführung der Ehe und auf den Weiterbestand der bisherigen, frei vereinbarten
Aufgabenteilung als objektiv schutzwürdig anzusehen ist (Entscheide 5C.169/
2006, E. 2.4; 5C.244/2006, E. 2.4.8).

Bei der Unterhaltsfestsetzung ist der Richter in verschiedener Hinsicht auf
sein Ermessen verwiesen (Art. 4 ZGB; BGE 127 III 136 E. 3a S. 141; Botschaft,
BBl 1996 I S. 115 f.). Was die Frage der Lebensprägung angeht, kommt ihm
insbesondere dort ein weites Ermessen zu, wo nicht die eine oder andere
Vermutung zum Tragen kommt, sondern auf die konkreten Verhältnisse des
Einzelfalles abzustellen ist. Ermessensentscheide dieser Art überprüft das
Bundesgericht an sich frei; es übt dabei allerdings Zurückhaltung und schreitet
nur ein, wenn die kantonale Instanz von dem ihr zustehenden Ermessen falschen
Gebrauch gemacht hat, d.h. wenn sie grundlos von in Lehre und Rechtsprechung
anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt
hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt
rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat. Aufzuheben und zu
korrigieren sind ausserdem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis
offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 129
III 380 E. 2 S. 382; 131 III 12 E. 4.2 S. 15; 132 III 97 E. 1 S. 99).

5.
Vorliegend ist vom verbindlich festgestellten Sachverhalt auszugehen (Art. 105
Abs. 1 BGG), dass die Ehefrau nach der Trennung aufgrund verschiedener Briefe
des Ehemannes und der Mitunterzeichnung eines Mietvertrages noch bis Anfang
2000 auf die Wiedervereinigung und somit auf den Fortbestand der Ehe hat
vertrauen dürfen. Mit der blossen gegenteiligen Behauptung ist keine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung darzutun, und der Ehemann macht dies
letztlich auch gar nicht geltend. Auszugehen ist damit von der Feststellung,
dass die Ehe knapp sieben Jahre gedauert hat, so dass keine Vermutung für oder
gegen eine Lebensprägung spielt, sondern die Umstände des Einzelfalles
massgebend sind.

Bei deren Wertung hat das Obergericht darauf abgestellt, dass sich die Ehefrau
mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit zwecks Haushaltführung angesichts ihres
fortgeschrittenen Alters vollständig in die finanzielle Abhängigkeit des
Ehemannes begeben hat, was sie offensichtlich nur vor dem Hintergrund des in
die Ehe gesetzten Vertrauens durfte. Diese Umstände mussten auch dem Ehemann
klar sein; wer sich (auch stillschweigend) auf eine klassische Rollenteilung
einigt oder diese duldet, übernimmt für die sich hieraus ergebenden
ökonomischen Konsequenzen Verantwortung. Wenn das Obergericht vor diesem
Hintergrund auf eine Lebensprägung geschlossen hat, so lässt sich jedenfalls
nicht von einer falschen Ermessensausübung im erwähnten Sinn sprechen. Dabei
ist nicht zu übersehen, dass der Ehemann während der inzwischen geraumen
Trennungsdauer Unterhaltsleistungen erbracht hat. Indes ist die nacheheliche
Unterhaltspflicht auf Mitte 2011, d.h. auf wenige Jahre beschränkt; der Ehemann
wird mithin ab dem Zeitpunkt, als die Ehefrau nicht mehr auf den Fortbestand
der Ehe vertrauen durfte, während gut zwölf Jahren Unterhalt geleistet haben.
Dies hält vor Bundesrecht stand, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

6.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger
Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Möckli