Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.698/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_698/2007/bnm

Urteil vom 16. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, nebenamtlicher
Bundesrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Gysel.

Parteien
X.________ (Ehefrau),
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Walter Furrer,

gegen

Y.________ (Ehemann),
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Bruno Meier,

Gegenstand
Ehescheidung (Unterhaltsbeiträge),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts (Zivilrechtliche Abteilung) des
Kantons Zug vom 23. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Kantonsgericht (1. Abteilung) des Kantons Zug schied mit Urteil vom 25.
August 1999 die im August 1980 zwischen Y.________ (Ehemann) und X.________
(Ehefrau) geschlossene Ehe. Unter anderem wurde Y.________ verpflichtet,
X.________ gestützt auf (a)Art. 152 ZGB Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr.
5'000.-- bis und mit Dezember 2000 und von monatlich Fr. 3'500.-- ab 1. Januar
2001 bis zu seinem Eintritt ins AHV-Alter zu zahlen.

B.
Mit Berufung an das kantonale Obergericht verlangte X.________ unter anderem
eine - in der Berufungsverhandlung auf monatlich Fr. 9'000.-- bezifferte -
Erhöhung der Unterhaltsbeiträge, die ihr ohne Befristung zuzusprechen seien.
Y.________ erhob Anschlussberufung und beantragte unter anderem die
Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge auf monatlich Fr. 2'000.--.

In teilweiser Gutheissung der Berufung erkannte das Obergericht
(Zivilrechtliche Abteilung) des Kantons Zug am 23. Oktober 2007, dass
Y.________ (nunmehr gestützt auf Art. 125 Abs. 1 ZGB) verpflichtet werde,
X.________ ab Rechtskraft des Urteils und bis zu seinem Eintritt ins AHV-Alter
Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 5'000.-- und ab diesem Zeitpunkt bis zu
ihrem Eintritt ins AHV-Alter solche von monatlich Fr. 1'000.-- zu zahlen
(Dispositiv-Ziffer 3).

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 26. November 2007 Beschwerde in Zivilsachen
und verlangt, Dispositiv-Ziffer 3 des obergerichtlichen Urteils aufzuheben und
ihr Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 7'000.-- bis zum Eintritt des
Beschwerdegegners ins AHV-Alter, von monatlich Fr. 3'000.-- ab diesem Zeitpunkt
bis zu ihrem Eintritt ins AHV-Alter und von monatlich Fr. 1'000.-- für die Zeit
darnach zuzusprechen; allenfalls sei die Sache zur Durchführung eines
Beweisverfahrens zum Einkommen des Beschwerdegegners an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
Gegenstand der Beschwerde ist ein letztinstanzlicher Endentscheid in einer
Zivilsache vermögensrechtlicher Natur (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art.
90 BGG). Der für die Zulassung der Beschwerde erforderliche Streitwert von
30'000 Franken (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist angesichts der Begehren, die im
kantonalen Verfahren strittig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 lit. a und Abs. 4
BGG), offensichtlich erreicht. Auf die rechtzeitig eingereichte Beschwerde
(Art. 100 Abs. 1 BGG) ist aus der Sicht der angeführten Kriterien mithin ohne
weiteres einzutreten.

2.
Mit Beschwerde in Zivilsachen kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).

2.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist deshalb weder durch die in der Beschwerdeschrift erhobenen
Argumente noch durch die vorinstanzliche Begründung eingeschränkt; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem geltend gemachten Grund gutheissen, eine
Beschwerde aber auch mit einer von der vorinstanzlichen Argumentation
abweichenden Begründung abweisen. Angesichts der in Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG
festgelegten allgemeinen Begründungspflicht prüft das Bundesgericht allerdings
grundsätzlich nur die erhobenen Rügen. Es ist auf jeden Fall nicht gehalten,
wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden Rechtsfragen zu
untersuchen, soweit solche nicht (mehr) vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E.
1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Nach Art. 42 Abs. 2 erster Satz BGG ist in der
Begründung der Beschwerde darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid
Recht verletze: Es obliegt somit dem Beschwerdeführer, die behaupteten
Rechtsverletzungen zu nennen und diese Rügen zu begründen, was bedeutet, dass
er auf die Erwägungen der kantonalen Instanz einzugehen und sich damit
auseinanderzusetzen hat.

2.2 Unter das Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG fallen auch
verfassungsmässige Rechte des Bundes (BGE 133 III 446 E. 3.1 S. 447; 133 I 201
E. 1 S. 203). Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur
insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass - entsprechend den
altrechtlichen Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG - klar und
detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist,
inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 III
393 E. 6 S. 397; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).

2.3 Nach Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h.
willkürlich (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252), ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Wird eine willkürliche Feststellung von Tatsachen geltend gemacht, ist
neben der Erheblichkeit der gerügten Tatsachenfeststellung für den Ausgang des
Verfahrens klar und detailliert darzutun, inwiefern diese offensichtlich
unhaltbar sein soll, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stehe, auf einem offenkundigen Versehen beruhe oder sich sachlich in keiner
Weise rechtfertigen lasse (BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398 mit Hinweisen).
Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von Art. 105
Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 II 249 E.
1.4.3 S. 255).

3.
3.1 Der Beschwerdegegner ist der Ansicht, es sei auf die Anträge der
Beschwerdeführerin insofern nicht einzutreten, als diese Fr. 6'000.-- im Monat
übersteigende Unterhaltsbeiträge beanspruche; gemäss § 201 der Zuger
Zivilprozessordnung (ZPO) seien Anträge (im kantonalen Verfahren) spätestens
mit der Berufungsschrift zu stellen; zu einem späteren Zeitpunkt seien neue
Rechtsbegehren nur zulässig, wenn sie durch neue Tatsachen und Beweismittel
veranlasst worden seien (§ 205 ZPO); Derartiges sei hier aber nie geltend
gemacht worden.

Die Verletzung kantonalen Gesetzesrechts kann vor Bundesgericht nicht gerügt
werden (vgl. Art. 95 BGG). Zulässig wäre einzig die Rüge, es sei kantonales
Verfahrensrecht willkürlich, d.h. in einer Art. 9 BV verletzenden Weise,
angewendet worden. Eine derartige Rüge wird hier jedoch nicht erhoben, so dass
auf die Vorbringen des Beschwerdegegners nicht weiter einzugehen ist.

3.2 Der Beschwerdegegner macht ferner geltend, die Ausführungen der
Beschwerdeführerin verstiessen insofern gegen das (bundesrechtliche)
Novenverbot, als sie die erst anlässlich der Berufungsverhandlung wie auch in
der vorliegenden Beschwerde beantragte Erhöhung der Unterhaltsbeiträge auf
monatlich mehr als Fr. 6'000.-- beträfen. Nach Art. 99 BGG dürfen neue
Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als der Entscheid
der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Abs. 1), und sind neue Begehren unzulässig
(Abs. 2). Diese Bestimmungen kommen hier insofern nicht zum Tragen, als die
Beschwerdeführerin schon im kantonalen Berufungsverfahren die Festsetzung der
Unterhaltsbeiträge auf Fr. 9'000.-- verlangt hatte. Im Übrigen legt der
Beschwerdegegner, der sich mit einem pauschalen Hinweis auf die Akten der
Vorinstanz begnügt, nicht dar, welche Vorbringen der Beschwerdeführerin im
Sinne von Art. 99 BGG neu sein sollen.

4.
4.1 Das Obergericht ist von einem monatlichen Bedarf der Beschwerdeführerin von
Fr. 8'350.-- ausgegangen und hat dafür gehalten, dass es ihr in Anbetracht
ihres Gesundheitszustandes nicht möglich sei, durch eigene Erwerbstätigkeit
mehr als Fr. 3'350.-- im Monat zu decken. Somit ergebe sich ein nachehelicher
Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 5'000.--: Es seien keine
Ausschliessungsgründe im Sinne von Art. 125 Abs. 3 ZGB gegeben und das
Einkommen des Beschwerdegegners liege sicherlich in einer Höhe, die es ohne
weiteres ermögliche, den erwähnten Beitrag zu zahlen, was bei einem geschätzten
Einkommen in der Grössenordnung von rund 200'000 Franken der Fall sei.

4.2 Die Beschwerdeführerin, die weder die vom Obergericht ermittelte Höhe ihres
Bedarfs noch den angenommenen Umfang ihrer Eigenversorgungskapazität
beanstandet, macht im Wesentlichen geltend, es sei im Verfahren vor Obergericht
unmöglich gewesen, das Einkommen des Beschwerdegegners und damit dessen
Leistungsfähigkeit auch nur annähernd zu ermitteln; die Vorinstanz habe den
Beschwerdegegner trotz der sich für ihn aus Art. 170 ZGB ergebenden umfassenden
Pflicht nicht zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte angehalten und sich
statt dessen mit einer Schätzung des Einkommens des Beschwerdegegners begnügt;
abgesehen davon, sei zu bedenken, dass in einem Fall, da eine Partei im Wissen
um die Anträge der Gegenpartei keine konkreten Angaben zu ihrer finanziellen
Situation mache, ohne weiteres davon auszugehen sei, sie sei in der Lage, die
geforderten Beträge zu zahlen.
4.2.1 Nach Art. 170 Abs. 1 ZGB kann jeder Ehegatte vom anderen Auskunft über
dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen; auf sein Begehren kann das
Gericht den anderen Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen
Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen (Art. 170 Abs. 2
ZGB). Mit Schreiben vom 29. Januar 2002 wandte sich der obergerichtliche
Referent an die Parteien und setzte ihnen Frist an, um Angaben zu ihrer
Wohnsituation und zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen und
einschlägige Dokumente einzureichen. Am 10. März 2003 fand eine
Referentenaudienz statt, an der die Parteien ebenfalls zu ihren persönlichen
und finanziellen Verhältnissen befragt wurden, wobei Ergänzungsfragen an die
jeweilige Gegenpartei gestellt werden konnten. Dass sie konkret verlangt hätte,
der Beschwerdegegner sei zu gewissen Auskünften über Einkommen oder Vermögen
anzuhalten, und dass einem derartigen Begehren nicht stattgegeben worden wäre,
macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Eine Missachtung von Art. 170 ZGB
ist unter den angeführten Umständen nicht dargetan. Zu bemerken ist, dass bei
Auseinandersetzungen über den nachehelichen Unterhalt nicht die
Untersuchungsmaxime gilt. Die Beschwerdeführerin bringt im Übrigen auch nicht
etwa vor, sie habe Beweisanträge gestellt, die von der Vorinstanz in Verletzung
von Art. 8 ZGB übergangen worden wären. Schliesslich legt sie nicht dar,
inwiefern das Obergericht dadurch gegen Bundesrecht verstossen haben soll, dass
es das Einkommen geschätzt hat und trotz des Verhaltens des Beschwerdegegners
nicht einfach davon ausging, dieser vermöge die geforderten Unterhaltsbeiträge
ohne weiteres zu bezahlen.
4.2.2 Zur Schätzung als solcher bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was
die tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz zu den wirtschaftlichen Verhältnissen
des Beschwerdegegners als willkürlich erscheinen liesse. Soweit sie auf ihre
Ausführungen im obergerichtlichen Verfahren verweist, sind ihre Vorbringen von
vornherein unbeachtlich, da die Begründung des Rechtsmittels nach dem geltenden
Recht wie schon früher in der Rechtsschrift selbst enthalten sein muss (BGE 133
IV 286 E. 1.4 S. 287; 131 III 384 E. 2.3 S. 387 f. mit Hinweis). Die
Beschwerdeführerin verweist ausserdem auf Urkunden, die sie bereits vor
Obergericht eingereicht habe, ohne jedoch darzutun, wo in den kantonalen Akten
sich diese befinden sollen. Zum Hinweis auf die Handelsregisterauszüge ist
schliesslich zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin nicht erklärt, inwiefern
sich aus diesen Schlüsse über die finanziellen Verhältnisse des
Beschwerdegegners ziehen lassen sollen.

5.
Auf die Beschwerde ist nach dem Gesagten nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang
sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Diese ist ausserdem zu verpflichten, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (Zivilrechtliche Abteilung)
des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Gysel