Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.663/2007
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2007
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2007


5A_663/2007

Urteil vom 28. Januar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Gerichtspräsident I des Bezirksgerichts Aarau, 5001 Aarau.

Unentgeltliche Rechtspflege (Abänderung des Scheidungsurteils),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 10. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ reichte am 21. März 2007 beim Bezirksgericht Aarau Klage auf
Abänderung des Scheidungsurteils ein und ersuchte um unentgeltliche
Rechtspflege für dieses Verfahren. Am 14. Juni 2007 gab der Präsident I des
Bezirksgerichts Aarau dem Gesuch wegen Aussichtslosigkeit der Klage nicht
statt.

B.
Mit Entscheid vom 10. Oktober 2007 wies das Obergericht des Kantons Aargau
die dagegen erhobene Beschwerde ab. Es kam zum Schluss, der Beschwerdeführer
sei nicht bedürftig, und liess deswegen die Frage der Aussichtslosigkeit
offen.

C.
X.________ gelangt mit Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, ihm
für das Abänderungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und
einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bestellen. Ebenso ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht.
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG),
mit dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Dabei handelt
es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1),
dessen ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen
Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai
2007, E. 1.2).
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese
betrifft ein Verfahren betreffend Abänderung des Scheidungsurteils, welches
die elterliche Sorge und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind beschlägt.
Da somit nicht ausschliesslich finanzielle Belange zur Diskussion stehen,
unterliegt die Beschwerde in der Hauptsache nicht dem Streitwerterfordernis
(Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG; vgl. dazu: Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007,
E. 1.2 und Urteil 5D_60/2007 vom 9. August 2007, E. 1.2). Die Beschwerde
gegen die Hauptsache ist somit zulässig und daher auch gegen den
angefochtenen Zwischenentscheid gegeben. Mit der Beschwerde kann eine
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), zu dem laut
der Begriffsbestimmung des BGG auch das Verfassungsrecht gehört. Beanstandet
werden kann ferner eine Verletzung des Völkerrechts (Art. 95 lit. b BGG).

2.
Der Umfang des Anspruches auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
bestimmt sich nach den Vorschriften des kantonalen Rechts, ergibt sich aber
auch direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV. Der Beschwerdeführer legt nicht dar,
inwiefern ihm das kantonale Recht einen über Art. 29 Abs. 3 BV hinausgehenden
Schutz gewährt. Allein im Lichte der Verfassungsnorm ist somit zu prüfen, ob
die Beschwerde bezüglich der unentgeltlichen Rechtspflege begründet ist (BGE
124 I 1 E. 2).

3.
Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint,
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig ist, hat sie ausserdem Anrecht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.

3.1 Als bedürftig gilt, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen
vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen
Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale
Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des
Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören
einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2,
je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll
nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt,
sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger
Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem
Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall
zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia
369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr
ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines
Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob
die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage
ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer
Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a
S. 370).

3.2 Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der
Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn die für den
Verfahrensausgang entscheidenden Feststellungen offensichtlich unrichtig,
d.h. willkürlich (Art. 9 BV) sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder auf einer
anderen Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.

4.
4.1 Das Obergericht hat im Bedarf des Beschwerdeführers die Mietkosten von
gesamthaft Fr. 930.-- pro Monat nicht voll, sondern lediglich im Umfang von
Fr. 810.-- berücksichtigt (Abzug für die Garage von Fr. 120.--). Zur
Begründung führt es aus, selbst wenn dem Fahrzeug des Beschwerdeführers
Kompetenzcharakter zukäme, könnte der Aufwand für die Garage nicht in die
Rechnung aufgenommen werden, zählte doch dieser nicht zu den unabdingbaren
Lebenskosten. Es sei dem Beschwerdeführer unbenommen, die Miete für die
Garage zu kündigen oder die Kosten aus dem Zuschlag zum
betreibungsrechtlichen Grundbetrag von Fr. 275.-- zu tilgen.

4.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Garage gehöre zur Wohnung; er
habe weder einen Estrich noch einen Keller, in dem er seine Sachen abstellen
könne. Überdies seien zusätzlich Heizkosten geschuldet, welche das
Obergericht nicht berücksichtigt habe. Diese Kosten belegt der
Beschwerdeführer mit einer Rechnung für Heiz- und Nebenkosten für die Periode
vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006.

4.3 In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die monatlichen
Mietkosten für einen alleinstehenden Gesuchsteller den Betrag von
Fr. 1'000.-- bzw. 30 % des Lohnes nicht übersteigen sollten (siehe dazu:
Bühler, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution,
unentgeltliche Rechtspflege, Bern 2001, S. 164). Im Lichte dieses Grundsatzes
erweisen sich die Mietkosten des alleinstehenden Beschwerdeführers im Betrag
von Fr. 930.-- insgesamt betrachtet nicht als unangemessen und sind daher
ohne weiteres zu berücksichtigen. Sodann sieht der einschlägige Mietvertrag
eine Nebenkostenanzahlung von Fr. 100.-- vor, die im Mietzins der Wohnung
berücksichtigt ist. Zudem hat der Beschwerdeführer aufrund des Vertrages mit
einer Nachzahlung für Nebenkosten zu rechnen. Dies hat das Obergericht nicht
beachtet. Im vorliegenden Fall lässt sich somit nicht eruieren, wieviel der
Gesamtaufwand der Nebenkosten ausmacht. Darauf kommt es indes auch gar nicht
an: Werden nämlich allein die Mietkosten von Fr. 930.-- inkl. Anzahlung an
die Nebenkosten berücksichtigt, verbleibt dem Beschwerdeführer nur gerade ein
Überschuss von Fr. 659.35 (vom Obergericht errechneter Überschuss von
Fr. 779.35 - Fr. 120.-- [Kosten für die Garage]), was auf das Jahr
umgerechnet Fr. 7'912.20 ausmacht. Es ist höchst fraglich, ob der
Beschwerdeführer mit dem errechneten Überschuss in der Lage ist, die
Gerichts- und Parteikosten des Abänderungsverfahrens innert eines Jahres zu
zahlen, vor allem wenn auch in Betracht gezogen wird, dass innert nützlicher
Frist angemessene Anwalts- und Gerichtskostenvorschüsse zu leisten sind. In
diesem Zusammenhang hat das Obergericht in Missachtung der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht festgestellt, mit welchen Gerichts-
und Anwaltskosten der Beschwerdeführer für das Abänderungsverfahren zu
rechnen hat, weshalb sich die Bedürftigkeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht
abschliessend beurteilen lässt. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und
die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen bezüglich der zur
erwartenden Gerichts- und Parteikosten und zur abschliessenden Beurteilung
der Bedürftigkeit, zur Prüfung der Aussichtslosigkeit des Verfahrens und der
Notwendigkeit anwaltlicher Verbeiständung zurückzuweisen.

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66
Abs. 1 und 4 BGG). Der Beschwerdeführer war für das vorliegende Verfahren
nicht anwaltlich verbeiständet, so dass sich die Frage der Entschädigung
nicht stellt.

6.
Mit der vorstehenden Kostenregelung wird das Gesuch des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau vom 10. Oktober 2007 wird aufgehoben und die Sache im Sinn
der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Gerichtspräsident I des
Bezirksgerichts Aarau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht,
4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden