Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.649/2007
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5A_649/2007/bnm

Urteil vom 5. Februar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Koch,

Aufschiebende Wirkung (vorsorgliche Massnahmenverfahren nach Art. 137 ZGB),

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 6. November 2007.

Sachverhalt:

A.
In dem seit 17. Juli 2007 hängigen Scheidungsverfahren entzog das
Bezirksgericht Hinwil Y.________ (Ehefrau) mit Verfügung vom 19. Oktober 2007
die Obhut über die beiden Kinder R.________ (geboren 1994) und S.________
(geboren 1998) und teilte diese X.________ (Ehemann) zu. Einem allfälligen
Rekurs wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.

B.
Y.________ gelangte gegen die erstinstanzliche Verfügung an das Obergericht
des Kantons Zürich und verlangte die Obhut über die beiden Kinder. Mit
Präsidialverfügung vom 6. November 2007 wurde dem Rekurs die aufschiebende
Wirkung hinsichtlich der Obhut über die Tochter S.________ wieder erteilt.
Zudem wurde das Besuchsrecht gegenüber beiden Kindern für die Dauer des
Verfahrens neu festgelegt. Das Bezirksgericht Hinwil wurde aufgefordert,
innert 10 Tagen darzutun, ob es sich bei seiner Verfügung um eine
vorsorgliche Massnahme oder um eine einstweilige Anordnung innerhalb des
vorsorglichen Massnahmeverfahrens handle.

C.
X.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) ist mit Beschwerde in Zivilsachen
vom 7. November/7. Dezember 2007 an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt
die Aufhebung der obergerichtlichen Präsidialverfügung vom 6. November 2007.
Mit Verfügung vom 13. November 2007 erteilte der Präsident der II.
zivilrechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung. Die Akten
des Obergerichts sind um die in der angefochtenen Verfügung verlangte
Stellungnahme des Bezirksgerichts Hinwil zur Rechtsnatur seiner Verfügung
vervollständigt worden, wozu sich die Parteien haben äussern können.

In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist eine Verfügung über die Erteilung der aufschiebenden
Wirkung in einem kantonalen Rechtsmittelverfahren betreffend die Obhut über
zwei Kinder während der Dauer des Scheidungsverfahrens. Dabei handelt es sich
um eine vorsorgliche Massnahme in einer Zivilsache ohne Vermögenswert (Art.
72 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher grundsätzlich
gegeben, indes kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt
werden (Art. 98 BGG).

1.2 Bei dieser prozessleitenden Anordnung handelt es sich um einen
selbständig eröffneten Zwischenentscheid, der nur angefochten werden kann,
sofern er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte. Ein
solcher muss zudem rechtlicher Natur sein (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 133
III 629 E. 2.3.1; zur Publikation bestimmtes Urteil 4A_221/2007 vom 20.
November 2007, E. 3.1). Der im vorliegenden Fall angefochtene
Zwischenentscheid bewirkt, dass der Beschwerdeführer vorübergehend keine
Obhut über seine Tochter hat. Ob dieser Umstand einen Nachteil im genannten
Sinn darstellt, kann letztlich offen bleiben, da der Beschwerde aus einem
andern Grund kein Erfolg beschieden ist.

1.3 Indes kann das Bundesgericht erst nach Ausschöpfung des kantonalen
Instanzenzugs angerufen werden (Art. 75 Abs. 1 BGG). Gemäss der
bezirksgerichtlichen Stellungnahme vom 8. November 2007 handelt er sich bei
der erstinstanzlichen Verfügung um eine vorsorgliche Massnahme im
Scheidungsverfahren. Dagegen stand der Rekurs gemäss § 271 Ziff. 4 ZPO/ZH an
das Obergericht offen, wovon die Beschwerdegegnerin denn auch Gebrauch
gemacht hatte (Frank/ Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 30 zu § 271 ZPO). Gegen
Rekursentscheide betreffend vorsorgliche Massnahmen ist die
Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht nicht gegeben (§ 284 Ziff. 7
ZPO/ZH). Die angefochtene Verfügung erweist sich damit als letztinstanzlich.

2.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz die Verletzung des rechtlichen
Gehörs vor, da er vor Erlass der angefochtenen Verfügung sich nicht habe
äussern können.

2.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Daraus folgt insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass
eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheides zur Sache äussern zu
können (BGE 127 I 54 E. 2b; 133 I 270 E. 3.1).
2.2 Zwar trifft zu, dass dem Beschwerdeführer keine Frist zur Einreichung
einer schriftlichen Stellungnahme angesetzt worden war, bevor der Präsident
dem Rekurs der Beschwerdegegnerin teilweise aufschiebende Wirkung erteilte.
Indes fand am 2. November 2007 in dieser Frage eine Referentenaudienz statt.
Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, er habe sich bei dieser Gelegenheit
zum prozessualen Antrag um aufschiebende Wirkung nicht äussern können oder
durch den Umstand, dass sein Anwalt ihn nicht begleiten wollte, sei er
ungenügend vertreten gewesen. Von einer Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör kann somit nicht die Rede sein. Es besteht auch kein
Anlass, allfällige, an der Referentenaudienz nicht vorgebrachte Argumente,
nunmehr dem Bundesgericht vorzutragen. Die hier erhobene Rüge grenzt an
Mutwilligkeit.

3.
Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, der Grundsatz der
Rechtsweggarantie und der Anspruch auf einen verfassungsmässigen Richter
seien verletzt, da die angefochtene Verfügung offenbar ohne die Mitwirkung
eines Richters ergangen sei.

3.1 Gemäss Art. 29a BV hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf
die Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Wird eine Sache in einem
gerichtlichen Verfahren beurteilt, so hat dies nach Art. 30 Abs. 1 BV von
einem durch das Gesetz geschaffenen, unabhängigen und unparteiischen Gericht
zu geschehen.

3.2 Inwieweit die Rechtsgarantie vorliegend verletzt sein sollte, ist nicht
nachvollziehbar. Immerhin ist die angefochtene Verfügung von einem kantonalen
Gericht erlassen worden. Der Anspruch auf einen verfassungsmässigen Richter,
welchen der Beschwerdeführer im gleichen Zusammenhang anruft, ist nicht
bereits dadurch verletzt, weil ein juristischer Sekretär den Entscheid
unterzeichnet hat. Die Unterschriftenregelung ist eine Frage des jeweiligen
Verfahrensrechts und hat mit der Beurteilung der Streitsache durch den
verfassungsmässigen Richter nichts zu tun. Dass überdies kantonales Recht
vorliegend willkürlich angewendet worden wäre, wird nicht gerügt.

4.
In der Sache macht der Beschwerdeführer die Verletzung einer Reihe von
Verfassungs- und Konventionsbestimmungen geltend (Art. 8, 9, 10, 11, 13, 14
BV Art. 8 und 6 EMRK). Im Wesentlichen kritisiert er, dass durch die
Anordnung der Vorinstanz die Geschwister getrennt würden, die
Beschwerdegegnerin zudem nicht erziehungsfähig sei und in unstabilen
Verhältnissen lebe, weshalb das Kindeswohl gefährdet sei.

4.1 Die Vorinstanz verneinte im Gegensatz zur Erstinstanz die zeitliche
Dringlichkeit, der Beschwerdegegnerin die Obhut über ihre Kinder zu
entziehen. Entgegen der Darstellung in der angefochtenen Verfügung lebe diese
nach wie vor in ihrer bisherigen Wohnung und könne einstweilen dort bleiben.
Zudem bestehe keine Gefahr, dass die Beschwerdegegnerin in nächster Zeit nach
Brasilien auswandere, da die Pässe der Kinder von der Vormundschaftsbehörde
verwahrt würden. Auch ergebe sich nicht aus den Akten und werde nicht
behauptet, dass in der Wohnung die lebensnotwendigen Einrichtungsgegenstände
fehlten. Im Hinblick auf die Erziehungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin gebe
es Indizien in beide Richtungen, weshalb diese Frage im Scheidungsverfahren
eingehend geprüft werden müsse. Alsdann erstellte die Vorinstanz in
Anbetracht der im Anschluss an die erstinstanzliche Verfügung bereits
erfolgte Umplatzierung der Kinder zur Mutter eine Prognose in der Hauptsache.
Sie kam zum Schluss, dass der Sohn R.________ entsprechend den Anträgen
beider Parteien nach der Scheidung beim Beschwerdeführer leben werde. In
Bezug auf die Tochter S.________ erweise sich die Beurteilung der elterlichen
Sorge im Moment noch als offen. Zwar könne dem Beschwerdeführer die
Erziehungsfähigkeit attestiert werden und bei der Beschwerdegegnerin stehe
diese noch nicht fest, sei aber im jetzigen Zeitpunkt nicht bereits
auszuschliessen. In diesem Zusammenhang müsse auch in Betracht gezogen
werden, dass dem Beschwerdeführer eine persönliche Betreuung seiner Tochter
nicht möglich sei. Zudem erscheine eine Auswanderung der Beschwerdegegnerin
mit S.________ nach Brasilien mit deren Wohl nicht ohne weiteres vereinbar.
Insgesamt lasse sich mit Blick auf die strittige elterliche Sorge über die
Tochter S.________ über den Ausgang des Scheidungsverfahrens keine
zuverlässige Prognose abgeben. Zwar würden in der Regel bei der
Obhutszuteilung die Geschwister möglichst nicht getrennt. Dieser Grundsatz
gelte indes nicht absolut, und im vorliegenden Fall seien die Kinder selber
mit einer Trennung einverstanden. Daher werde die Wiedererteilung der
aufschiebenden Wirkung auf die Obhut über S.________ beschränkt.

4.2 Gemäss den gesetzlichen Begründungsanforderungen hat der Beschwerdeführer
klar und einlässlich anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheides
darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Recht verletzt worden sind (BGE 133
III 393 E. 6). Wird eine willkürliche Anwendung von Bundesrecht oder
kantonalem Recht gerügt, ist aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar sei, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzen oder sonstwie in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen soll (BGE 133 I 149 E. 3.1). Auf rein
appellatorische Kritik wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258 E. 1.3). Soweit
der Beschwerdeführer in allgemeiner Weise die Vorinstanz kritisiert, ohne auf
die konkrete Begründung der angefochtenen Verfügung einzugehen, sind seine
Vorbringen nicht zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für seine
Ausführungen zur Trennung der Geschwister, mit welchen er über das von der
Vorinstanz festgestellte Einverständnis der beiden hinweggeht. Soweit der
Beschwerdeführer zudem die Erziehungsfähigkeit seiner Ehefrau in Frage stellt
und ihre unsteten Wohn- und Lebensverhältnisse anprangert, beschränkt er sich
im Wesentlichen darauf, die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz zu
bestreiten und dem Bundesgericht seine eigene Sicht der Dinge darzulegen.
Insgesamt scheint der Beschwerdeführer überdies auszublenden, dass die
Vorinstanz nicht einen Entscheid in der Sache gefällt hat, sondern lediglich
über eine vorläufige Regelung der Obhut über die beiden Kinder der
Prozessparteien befinden musste.

5.
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde insgesamt kein Erfolg beschieden.
Ausgangsgemäss werden die Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt, der die
Beschwerdegegnerin für ihre Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende
Wirkung für das vorliegende Verfahren und zu der von Amtes wegen beigezogenen
Stellungnahme der Erstinstanz zu entschädigen hat (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68
Abs. 1 BGG). Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege
wird damit gegenstandslos. Die Begehren des Beschwerdeführers erwiesen sich
von vornherein als aussichtslos, womit sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege wird als
gegenstandslos abgeschrieben.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 800.-- zu entschädigen.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Februar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden