Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.617/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5A_617/2007/bnm

Urteil vom 8. April 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Bundesrichter Marazzi,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Rapp.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Prof. Dr. Jürgen Brönnimann,

gegen

Z.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Marc Dörflinger,

Betreibungs- und Konkursamt A._______.

Gegenstand
Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, vom 20. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) verlegte ihren Sitz von
B.________ nach C.________, was im Handelsregister des Kantons Tessin am 2.
August 2007 eingetragen wurde. Die Löschung im Handelsregister A.________ wurde
am 8. August 2007 (Tagebuchdatum) vorgenommen. Die Publikation der
Sitzverlegung erfolgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 8. August 2007
(Eintragung im Handelsregister des Kantons Tessin) bzw. 14. August 2007
(Löschung im Handelsregister A.________).

B.
Mit Eingabe vom 2. August 2008 ersuchte die Z.________ AG (nachfolgend:
Beschwerdegegnerin) um Konkurseröffnung über die Beschwerdeführerin und
Aufnahme eines Güterverzeichnisses. Am 23. August 2007 eröffnete der
Gerichtspräsident des Gerichtskreises D.________ über die Beschwerdeführerin
mit Wirkung ab Donnerstag, 23. August 2007, 10.50 Uhr, den Konkurs.

C.
Mit Eingabe vom 24. August 2007 appellierte die Beschwerdeführerin beim
Obergericht des Kantons Bern gegen das Urteil des Gerichtspräsidenten und
beantragte die Feststellung der Nichtigkeit der Konkurseröffnung, eventualiter
die Aufhebung des Konkurses. Mit Entscheid vom 20. September 2007 bestätigte
das Obergericht die Konkurseröffnung.

D.
Die Beschwerdeführerin hat beim Bundesgericht am 22. Oktober 2007 Beschwerde in
Zivilsachen mit dem Antrag eingereicht, den obergerichtlichen Entscheid
betreffend Konkurseröffnung aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerin
vom 2. August 2007 zurückzuweisen, eventualiter abzuweisen. Mit Verfügung vom
13. November 2007 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

Die Beschwerdegegnerin schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 7. Dezember 2007
auf Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht liess sich mit Eingabe vom 15.
November 2007 ebenfalls vernehmen.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 75 Abs. 1 BGG), welcher einen
Endentscheid nach Art. 90 BGG darstellt und gegen den die Beschwerde in
Zivilsachen ungeachtet eines bestimmten Streitwerts zulässig ist (Art. 74 Abs.
2 lit. d BGG). Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte
Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich einzutreten (zum Ganzen: BGE 133
III 687 nicht publizierte E. 1).

2.
Strittig ist, ob der Gerichtspräsident des Gerichtskreises D.________ für die
Eröffnung des Konkurses über die Beschwerdeführerin örtlich zuständig war.

3.
Das Obergericht erwog, dass der Beschwerdeführerin die Vorladung zur
Konkursverhandlung am 8. August 2007 zugestellt worden sei. Die
Beschwerdeführerin sei am Tag der Löschung, somit am 8. August 2007, zumindest
für eine logische Sekunde noch im Handelsregister A.________ eingetragen
gewesen. Da sämtliche Eintragungen im Handelsregister unter dem Vorbehalt der
Genehmigung durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister stünden und
dieser Entscheid im Zeitpunkt der Zustellung der Vorladung zur
Konkursverhandlung noch nicht erfolgt sei, sei die Wirksamkeit der Löschung
noch in der "Schwebe" gewesen. Daher sei der Gerichtspräsident des
Gerichtskreises D.________ für die Eröffnung des Konkurses über die
Beschwerdeführerin zuständig gewesen.

4.
Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften
sind an ihrem Sitze zu betreiben (Art. 46 Abs. 2 SchKG). Verändert der
Schuldner seinen Wohnsitz, nachdem ihm die Konkursandrohung zugestellt worden
ist, so wird die Betreibung gemäss Art. 53 SchKG am bisherigen Orte fortgesetzt
(perpetuatio fori).

Diese Bestimmung ist auch auf die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung
anwendbar. Der Richter, der im Zeitpunkt der Zustellung der Vorladung zur
Konkursverhandlung an den Schuldner örtlich zuständig ist, bleibt es auch dann,
wenn dieser in der Folge sein Domizil wechselt (BGE 121 III 13 E. 1b S. 14).
Eine Sitzverlegung einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft führt in
diesem Fall nur dann zu einer Änderung der örtlichen Zuständigkeit des
Konkursrichters, wenn der bisherige Sitz im Zeitpunkt der Zustellung der
Vorladung zur Konkursverhandlung im Handelsregister gelöscht worden ist (vgl.
BGE 123 III 137 E. 3a S. 138 mit Hinweis auf BGE 116 III 1 E. 2 S. 4). Für die
Bestimmung des Zeitpunkts der Eintragung dieser Löschung ist deren
Einschreibung in das Tagebuch massgebend (Art. 932 Abs. 1 OR).

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, wird die Uhrzeit einer
Eintragung im Handelsregister nicht festgehalten (Eckert, Basler Kommentar, N.
18 zu Art. 932 OR; Küng, Berner Kommentar, N. 138 zu Art. 932 OR). Mit der
Genehmigung durch das Eidgenössische Amt für das Handelsregister werden die
Eintragungen im Handelsregister rückwirkend auf den Tag der Eintragung in das
Tagebuch rechtswirksam (Eckert, a.a.O., N. 19 zu Art. 932 OR; so ausdrücklich
Art. 34 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 [HRegV; SR 221.411],
welche auf das vorliegende Verfahren noch nicht anwendbar ist, vgl. Art. 173
Abs. 2 i.V.m. Art. 182 HRegV). Im Interesse der Rechtssicherheit ist für die
Wirksamkeit einer Eintragung daher auf das Datum des Tagebucheintrags
abzustellen (Eckert, a.a.O., N. 18 zu Art. 932 OR). Die Uhrzeit der
Einschreibung ist nicht massgeblich. Somit stösst die Argumentation der
Beschwerdegegnerin ins Leere, die körperliche Eintragung im Handelsregister sei
erst im Laufe des 8. August 2007 erfolgt und es könne nicht festgestellt
werden, ob zuerst die Beschwerdeführerin im Handelsregister A.________ gelöscht
oder ihr die Vorladung zur Konkursverhandlung zugestellt worden sei. Auch
sprechen weder Gründe der Praktikabilität noch der Schutz der Gläubiger gegen
einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit des Konkursgerichts.

Sofern die Beschwerdeführerin tatsächlich ihren Sitz von B.________ nach
C.________ verlegt hat, hat die Vorinstanz somit Bundesrecht verletzt, indem
sie die Zuständigkeit des Konkursgerichts bejaht hat.

5.
Ob die Sitzverlegung der Beschwerdeführerin von B.________ nach C.________ als
gültig zu betrachten ist und zu einem Wechsel des Betreibungsorts geführt hat,
ist jedoch strittig:

Die Beschwerdegegnerin macht in der Vernehmlassung - wie bereits im
vorinstanzlichen Verfahren - geltend, dass zwei Aktionäre der
Beschwerdeführerin nicht zur ausserordentlichen Generalversammlung vom 24. Juli
2007 eingeladen worden seien. Obwohl die beiden Aktionäre nicht an der
Generalversammlung teilgenommen hätten, sei diese als Universalversammlung
abgehalten worden, was sich aus der öffentlichen Urkunde ergebe. Daher sei der
Beschluss betreffend Sitzverlegung als nichtig zu betrachten.

Das Obergericht hat diesbezüglich in seinem Entscheid keine Feststellungen
getroffen. Der Gerichtspräsident hat diese Frage offen gelassen. Die
Vorinstanzen hatten aufgrund ihrer Argumentation auch keine Veranlassung, sich
zu diesem Standpunkt der Beschwerdegegnerin zu äussern. Da sich die
vorinstanzliche Begründung hinsichtlich der Wirksamkeit der Löschung der
Beschwerdeführerin im Handelsregister jedoch als bundesrechtswidrig erweist (s.
oben, E. 4), ist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zur neuen
Beurteilung im Hinblick auf die Gültigkeit der Sitzverlegung an das Obergericht
zurückzuweisen.Somit kann offen bleiben, ob vorliegend ein materieller
Konkursgrund gegeben ist. Dies wäre vom Obergericht bei Annahme der
Ungültigkeit der Sitzverlegung zu prüfen.

6.
Angesichts des offenen Ausgangs des kantonalen Verfahrens ist praxisgemäss die
Gerichtsgebühr den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und sind die
Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren wettzuschlagen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und es wird das Urteil des Obergerichts des
Kantons Bern vom 20. September 2007 (Konkurseröffnung) aufgehoben. Die Sache
wird zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3.
Die Parteikosten werden wettgeschlagen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungs- und Konkursamt A.________ und
dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich
mitgeteilt.
Lausanne, 8. April 2008
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Rapp