Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.566/2007
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5A_566/2007

Urteil vom 26. November 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Möckli.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Herbert P.J. Krall,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Weinmann,
Betreibungsamt B.________.

Arrestvollzug,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und
Konkurs Basel-Landschaft, vom 28. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Auf Ersuchen der Y.________ GmbH arrestierte das Bezirksgericht Arlesheim mit
Arrestbefehl vom 4. Mai 2007 für eine sich auf einen Vollstreckungsbescheid
des Amtsgerichts Stuttgart stützende Forderung von Fr. 2'467.84 nebst Zins
das Lohnguthaben des Schuldners S.________ bei der X.________ AG.
In der Folge zeigte das Betreibungsamt B.________ der X.________ AG an, dass
die arrestierte Forderung rechtsgültig nur noch an das Amt geleistet werden
könne, und forderte diese auf, den mit Arrest belegten Betrag bei Fälligkeit
abzuliefern; ferner wurde sie darum gebeten, den Arrestschuldner
aufzufordern, sich zur Erstellung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums
auf dem Betreibungsamt zu melden.

B.
Mit betreibungsrechtlicher Beschwerde vom 30. Mai 2007 verlangte die
X.________ AG die Aufhebung des Arrestes. Die Aufsichtsbehörde
Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft wies diese mit Entscheid vom
28. August 2007 ab mit der Begründung, es würden keine Mängel beim
Arrestvollzug gerügt, sondern sinngemäss Einwände gegen den Arrestgrund und
den Arrestgegenstand erhoben.

C.
Gegen diesen Entscheid hat die X.________ AG am 1. Oktober 2007 Beschwerde
erhoben. Gleichzeitig hat sie ein Gesuch um Wiederherstellung der
Beschwerdefrist gestellt. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdefrist gegen Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen beträgt zehn Tage (Art. 100 Abs. 2
lit. a BGG). Der angefochtene Entscheid vom 28. August 2007 wurde am
31. August 2007 im Empfang genommen. Die Beschwerde vom 1. Oktober 2007 ist
somit verspätet. Nachfolgend ist das Gesuch um Fristwiederherstellung zu
prüfen.

2.
Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin bringt vor, noch ehe die Post in
seiner Binninger Kanzlei geöffnet worden sei, habe er sich am 31. August 2007
gegen Mittag nach Südbaden an einen Termin begeben müssen, der erst am frühen
Abend geendigt habe. Am nächsten Tag habe er, ohne nochmals die Kanzlei
aufgesucht zu haben, eine Dienstreise nach Westfalen angetreten. Am
5. September 2007 sei er zurückgekehrt. Da er seine Stammkanzlei in Weil am
Rhein in einer Bürogemeinschaft mit Rechtsanwalt Rainer Schuhmacher betreibe
und dieser die Beschwerdeführerin im deutschen Raum vertrete, hätte die in
Binningen eingehende Post ungeöffnet an Kollege Schuhmacher weitergeleitet
werden sollen. Die äusserst zuverlässige Frau F.________ habe den Transfer
besorgt, wie dies seit zehn Jahren anstandslos geschehe. Am 4. September 2007
habe sie die Anwaltspost der drei letzten Arbeitstage auf dem Rücksitz ihres
Wagens neben einem anderen Stapel Korrespondenz deponiert. Auf der
kurvenreichen Fahrt von Binningen nach Weil müsse zwischen den beiden Stapeln
etwas verrutscht sein; der angefochtene Entscheid sei jedenfalls nicht mehr
unter dem Stapel gewesen, den sie in Weil in den Briefkasten Krall &
Schuhmacher geworfen habe. Die weitere Post habe Frau F.________ zunächst mit
nach Hause genommen. Wegen Zahnproblemen sei sie am 5. September 2007 bei
einem Kieferchirurgen gewesen und die Abklärung habe ergeben, dass sie sich
alle vier Weisheitszähne ziehen lassen müsse. Der Eingriff sei derart schwer
und schmerzhaft gewesen, dass sie zunächst krank geschrieben worden sei und
erstmals am 10. September 2007 versucht habe, ihre Arbeit zeitweise wieder
aufzunehmen. Sie sei aber nach wie vor handikapiert gewesen und habe kaum
reden können. Erstmals am 23. September 2007 sei sie wieder dazugekommen,
sich mit der Post zu befassen, die sie am Vorabend der Operation nach Hause
genommen habe. Darunter habe sich zu ihrer Überraschung der Umschlag mit dem
angefochtenen Entscheid befunden, den sie am 24. September 2007 in der
Anwaltskanzlei abgegeben habe. Vor diesem Hintergrund treffe ihn (Krall)
keine Schuld an der verpassten Frist und sei diese folglich wieder
herzustellen.

3.
Ist eine Partei oder ihr Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden,
fristgerecht zu handeln, so wird die Frist wieder hergestellt, sofern die
Partei unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses
darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt (Art. 50 Abs. 1 BGG).
Eine analoge Bestimmung enthält Art. 33 Abs. 4 SchKG.
Konkret geht es um die Frage, ob ein unverschuldetes Hindernis vorlag. Dies
ist zu bejahen bei plötzlich eintretender Handlungsunfähigkeit infolge
schwerer Erkrankung, Unfall, unerwartetem Tod naher Angehöriger u.ä., welche
der Verfahrenspartei fristgerechtes eigenes Handeln oder Bestellen eines
Vertreters verunmöglicht. Ein solches Hindernis hört auf, unverschuldet zu
sein, sobald es für den Betroffenen objektiv und subjektiv zumutbar ist,
selbst tätig zu werden oder die Interessenwahrung an einen Dritten zu
übertragen. Demgegenüber berechtigt blosse Nachlässigkeit wie Vergessen oder
Verlieren von Urkunden von vornherein nicht zur Fristwiederherstellung (vgl.
BGE 108 V 109; 112 V 255; 114 II 181; 119 II 86).

4.
Der angefochtene Entscheid ist am 31. August 2007 in den Machtbereich von
Rechtsanwalt Krall gelangt. Über diesen hat er allein die Herrschaft und es
obliegt ihm, seine Bürostruktur zweckmässig zu organisieren und insbesondere
für den Fall längerer Abwesenheiten sicherzustellen, dass fristauslösende
Zustellungen auch tatsächlich zur Kenntnis genommen werden (BGE 85 II 48; 114
Ib 67 E. 2d S. 72). Vorliegend war das Hindernis, rechtzeitig zu handeln,
allein in der Abwesenheit von Rechtsanwalt Krall und der internen
Organisation seines Büros begründet.
Kein Entschuldigungsgrund sind im Übrigen Handlungen und Versäumnisse von
Hilfspersonen, werden doch diese ungeteilt dem Geschäftsherrn angerechnet
(vgl. BGE 114 Ib 67 E. 2 S. 69 ff.). So werden beispielsweise selbst
Verzögerungen durch die Bank bei der Überweisung des Kostenvorschusses der
Verfahrenspartei zugerechnet (BGE 114 Ib 67 E. 3 S. 74; Entscheid
1P./62/1999, E. 2), obwohl diese keinen direkten Einfluss auf die
bankinternen Abläufe hat. Auch die Hilfsperson von Rechtsanwalt Krall war
weder objektiv noch subjektiv handlungsunfähig: Bei der Abgabe der Post in
Weil am Rhein hätte ohne weiteres überprüft werden können, ob sich die
fristauslösende Sendung (angesichts der kurvenreichen Fahrt noch) unter den
abgegebenen Dokumenten befinde; sodann kann das Ziehen von Weisheitszähnen
nicht mit einem Unfall oder einer plötzlichen Erkrankung verglichen werden,
die keine Zeit zur Organisation einer Stellvertretung mehr lässt.

5.
Insgesamt ergibt sich, dass kein unverschuldetes Hindernis vorlag und das
Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist abzuweisen ist. Als Folge
kann auf die verspätete Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde
nicht eingetreten werden. Bei diesem Verfahrensausgang ist die Gerichtsgebühr
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Wiederherstellung der Beschwerdefrist wird abgewiesen.

2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt B.________ und der
Aufsichtsbehörde Schuldbetreibung und Konkurs Basel-Landschaft, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 26. November 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Möckli