Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.454/2007
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5A_454/2007 /blb

Urteil vom 12. Oktober 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Schett.

1. A.________,
2.B.________,
3.C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch M.________,
und diese vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli,

gegen

1.V.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bolzern,
2.R.________,
Beschwerdegegner.

Kostenauflage (Kontaktsperre, Persönlichkeitsverletzung),

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Beschluss
des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a Mit Eingabe vom 21. Juli 2000 liessen A.________, B.________ und
C.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) sowie deren Mutter M.________
(...) beim Bezirksgericht Meilen Klage gegen den Vater V.________
(nachfolgend: Beschwerdegegner) einreichen, mit dem (sinngemässen)
Rechtsbegehren, dem Beschwerdegegner sei jegliche Kontaktaufnahme mit den
Beschwerdeführern zu verbieten. Mit Zirkulationsbeschluss vom 28. September
2001 wurde die Vormundschaftsbehörde S.________ eingeladen, den
Beschwerdeführern einen Kollisionsbeistand zu bestellen, unter Hinweis, dass
Rechtsanwältin R.________ geeignet und bereit wäre, die Beistandschaft zu
übernehmen. Mit Beschluss der Vormundschaftsbehörde S.________ vom
13. November 2001 erfolgte die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft im
Sinne von Art. 306 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 392 Ziff. 2 ZGB für die
Beschwerdeführer sowie die Ernennung von Rechtsanwältin R.________
(nachfolgend: Beschwerdegegnerin) als Vertretungsbeiständin. Am 18. Mai 2005
erging das Urteil des Bezirksgerichts Meilen, mit welchem das angestrebte
Kontaktverbot unter Hinweis auf Art. 292 StGB ausgesprochen wurde. Im
Weiteren wurde die Vormundschaftsbehörde S.________ eingeladen, den
Beschwerdeführern einen Beistand im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB zu
bestellen, welcher einmal jährlich allfällige Wünsche der Beschwerdeführer in
Bezug auf einen Kontakt mit dem Beschwerdegegner sondieren und entsprechende
Vorkehrungen treffen solle.

A.b Gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben sowohl der Vater als auch die
Mutter der Beschwerdeführer (Letztere in eigenem Namen und für die drei
Beschwerdeführer) Berufung. Mit Beschluss vom 25. August 2006 trat die Il.
Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich auf die Klage der
Beschwerdeführer nicht ein, weil das Bezirksgericht durch die Aufhebung des
von der Beiständin bis zum 30. Juni 2004 anbegehrten Kontaktverbotes die
Dispositionsmaxime verletzt hatte. Auf die Zweitberufung der Mutter wurde
insoweit nicht eingetreten, als damit verlangt wurde, die Einladung an die
Vormundschaftsbehörde S.________ zur Bestellung eines Beistandes im Sinne von
Art. 308 Abs. 2 ZGB sei aufzuheben. Mit Urteil vom gleichen Datum bestätigte
das Obergericht das erstinstanzlich ausgesprochene Kontaktverbot
(Dispositiv-Ziff. 1). In Gutheissung der Zweitberufung der Mutter wurde der
erstinstanzliche Entscheid insoweit aufgehoben, als damit die Kosten der
Beistandschaft zur Hälfte der Mutter der Beschwerdeführer auferlegt wurden
(Dispositiv-Ziff. 2). Die erstinstanzlichen Kosten wurden den
Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung und dem Beschwerdegegner je zur
Hälfte auferlegt (Dispositiv-Ziff. 4). Ebenso wurden 5/12 der Kosten des
zweitinstanzlichen Verfahrens den Beschwerdeführern unter solidarischer
Haftung auferlegt (Dispositiv-Ziff. 7). Zudem wurden sie verpflichtet, dem
Vertreter des Beschwerdegegners für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren
eine Prozessentschädigung von insgesamt Fr. 15'000.-- zuzüglich Fr. 1'140.--
Mehrwertsteuer zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 8).

B.
Die Beschwerdeführer erhoben - vertreten durch ihre Mutter - gegen das
obergerichtliche Urteil Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des
Kantons Zürich. Mit Zirkulationsbeschluss vom 19. Juni 2007 wurde auf das
Rechtsmittel mangels Vertretungsmacht der Mutter nicht eingetreten.

C.
Die Beschwerdeführer haben dagegen beim Bundesgericht am 22. August 2007
Beschwerde in Zivilsachen eingereicht. Sie beantragen, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie
ersuchen sodann um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht in Kraft
getreten (BGG; SR 173.110; AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid
ist nach Inkrafttreten des Gesetzes ergangen, weshalb dieses Gesetz
anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Der angefochtene Entscheid des Kassationsgerichts ist ein
letztinstanzlicher im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG. In der Sache geht es um
die Frage, ob die Mutter der Beschwerdeführer im Verfahren betreffend die
gegenüber dem Beschwerdegegner verfügte Kontaktsperre zur Beschwerdeführung
trotz der errichteten Vertretungsbeistandschaft im Sinne von Art. 306 Abs. 2
in Verbindung mit Art. 392 Ziff. 2 ZGB legitimiert ist. Es liegt somit eine
nichtvermögensrechtliche Angelegenheit vor. Die Gerichtskosten und
Parteientschädigung, die im kantonalen Verfahren lediglich als Nebenrechte
geltend gemacht wurden, fallen in diesem Zusammenhang ausser Betracht
(Art. 51 Abs. 3 BGG).

1.3 Damit sind die Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig. Das Bundesgericht
prüft frei, ob die behaupteten Rechtsverletzungen gegeben sind. Demgegenüber
kann die Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Soweit die Rüge der
Verletzung verfassungsmässiger Rechte erhoben wird, ist diese entsprechend
den altrechtlichen Begründungsanforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG zu
begründen (vgl. dazu Botschaft, BBl 2001 S. 4294; BGE 133 III 393 E. 6
S. 397; 130 I 258 E. 1.3 S. 261f.).

2.
2.1
2.1.1 Gemäss Art. 304 Abs. 1 ZGB haben die Eltern von Gesetzes wegen die
Vertretung der Kinder gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden
elterlichen Sorge. Da der Mutter die elterliche Sorge alleine zukommt,
vertritt sie grundsätzlich die Kinder.
Da aber die Kinder und die Mutter gegen den Vater ein Verfahren mit dem
Begehren einleiteten, dem Vater sei jeglicher Kontakt mit den Kindern und der
Mutter zu verbieten, lud das in der Sache zuständige Bezirksgericht Meilen
die Vormundschaftsbehörde S.________ ein, den Kindern einen
Vertretungsbeistand im Sinne von Art. 306 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 392
Ziff. 2 ZGB zu bestellen. Dabei handelt es sich nach den nicht beanstandeten
Ausführungen der kantonalen Behörden um ein der Dispositionsmaxime
unterstelltes Verfahren wegen Verletzung der Persönlichkeit und nicht um ein
vom Untersuchungsgrundsatz beherrschtes Kindesschutzverfahren. Dieser
Prozessbeistand wurde am 13. November 2001 in der Person von Rechtsanwältin
R.________ rechtskräftig bestellt. Diese nahm seither die Interessen der
Kinder in diesem Verfahren wahr. Das von den Kindern, vertreten durch die
Mutter, am 19. September 2006 eingereichte Gesuch um sofortige Entlassung der
Prozessbeiständin wurde erstinstanzlich abgewiesen, zweitinstanzlich
bewilligt und ist im Rekursverfahren noch hängig. Über dessen aufschiebende
Wirkung wird im angefochtenen Entscheid nichts gesagt.

2.1.2 Das Kassationsgericht hat in der Hauptsache dazu ausgeführt, eine
Einschränkung in dem Sinne, dass die Vertretungsbeiständin lediglich die
nichtvermögensrechtlichen Interessen der Beschwerdeführer im Prozess zu
wahren hätte, sei weder erwähnt worden, noch erschiene dies sinnvoll.
Vielmehr sei von einer umfassenden Interessenwahrung durch die
Prozessbeiständin auszugehen, wozu auch das Erheben von Rechtsmitteln (in der
Sache selber oder bezüglich der Kosten- und Entschädigungsregelung) gehöre.
Zu Recht weise die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass die Kostentragung
sowie die Verpflichtung zur Entschädigungsleistung einen Reflex des
Verfahrensausganges in der Sache - in welcher gerade die Möglichkeit einer
Interessenskollision bestehe - darstelle. Es sei deshalb nicht ersichtlich,
weshalb der Mutter der Beschwerdeführer in Bezug auf die Kosten- und
Entschädigungsfolgen die Vertretungsmacht verblieben sein solle. Sie könne
vielmehr die Beschwerdeführer auch im kantonalen Beschwerdeverfahren nicht
vertreten. Dieser Mangel in der Vertretungsmacht könne vorliegend auch nicht
dadurch geheilt werden, dass die Vormundschaftsbehörde bzw. ein durch diese
(neu) bestellter Beistand die Beschwerdeerhebung nachträglich genehmigen
würde (vgl. BGE 107 II 113 f.). Damit erübrige sich ein Vorgehen nach § 108
ZPO/ZH.

2.2
2.2.1 Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, es bestehe keine
Interessenkollision zwischen der Mutter und den Beschwerdeführern, weder in
konkreter noch in abstrakter Hinsicht.
Dieser Einwand und die weiteren Vorbringen in diesem Punkt sind unbegründet.
Solange diese Vertretungsbeistandschaft besteht, bedeutet dies, dass der
Umfang der elterlichen Sorge der Mutter beschränkt worden ist und ihr
bezüglich dieses Verfahrens keine Vertretungsbefugnisse zukommen. Das gilt
auch dann, wenn die Mutter nun behauptet, es bestehe gar kein
Interessenkonflikt, welche Frage mit der Errichtung der Beistandschaft
rechtskräftig entschieden ist; und das gilt ebenfalls für den Vorwurf, die
Beiständin habe die Kinder schlecht vertreten, was - selbst wenn es zuträfe -
nicht automatisch zum Wegfallen der Beistandschaft führt. Da das
Bundesgericht das Bundesrecht frei überprüft, besteht kein Raum für die Rüge,
dieses sei willkürlich angewendet worden, weshalb darauf nicht eingetreten
werden kann.

2.2.2 Sodann sind die Beschwerdeführer der Ansicht, es sei aktenwidrig und
willkürlich, ohne rechtsgenügliche Anhaltspunkte anzunehmen, es sei eine
umfassende Beistandschaft errichtet worden. Die Einschränkung der
Vertretungsmacht dürfe immer erst dann verfügt werden, wenn es nicht mehr
anders möglich sei, und nur soweit es absolut notwendig sei, denn die
elterliche Sorge stelle ein grundlegendes Persönlichkeitsrecht dar. Die
Kontaktsperre stehe in keinem Zusammenhang mit den vom Obergericht den
Beschwerdeführern auferlegten Kosten.
Die Kritik am angefochtenen Entscheid ist nicht einschlägig. Das Gesetz
erklärt die Interessenkollision generell für Angelegenheiten als relevant, in
denen sich die Interessen widersprechen, und eröffnet damit der Bestimmung
einen weiten Anwendungsbereich (Ernst Langenegger, Basler Kommentar, ZGB I,
3. Aufl., N. 24 zu Art. 392 ZGB, S. 1902f.; vgl. auch Ingeborg Schwenzer,
daselbst, N. 5 zu Art. 306 ZGB, S. 1598f.). Die Vertretungsbeiständin hatte
nicht nur die Interessen der Beschwerdeführer im Prozess betreffend den
Kontakt mit dem Vater zu wahren, sondern auch mit Bezug auf die dadurch
anfallenden Verfahrenskosten, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Von
einer Verletzung von Verfahrensrechten (rechtliches Gehör,
Begründungspflicht) kann keine Rede sein, bzw. eine solche wird nicht
hinreichend begründet (E. 1.3 hiervor).

2.2.3 In der Beschwerde wird schliesslich geltend gemacht, das
Kassationsgericht hätte nicht einfach einen Nichteintretensentscheid fällen
dürfen, sondern hätte selber einen Vertreter bestellen müssen, wenn es der
Meinung gewesen sei, der Mutter komme keine Vertretungsbefugnis zu. Soweit in
diesem Zusammenhang eine Verletzung des Prinzips des gleichen und gerechten
Verfahrens bzw. der Waffengleichheit und des rechtlichen Gehörs gerügt wird,
wird nicht dargetan, inwiefern dies der Fall sein könnte. Darauf ist nicht
einzutreten.
Soweit sinngemäss eine willkürliche Anwendung von § 28 ZPO/ZH geltend gemacht
wird, wonach das Gericht nötigenfalls vorläufig selbst einen Vertreter
bestimmt, wenn Gefahr im Verzug ist, wird nicht dargelegt, inwiefern es
willkürlich sein könnte, die Rechtsgefährdung zu verneinen. Auch darauf kann
nicht eingetreten werden. Im Übrigen verfügen die Kinder in der Person von
Rechtsanwältin R.________ über einen Prozessbeistand. Dieser soll zwar nach
Meinung der Mutter sofort entlassen werden. Das Verfahren ist indessen noch
hängig und es wird nicht geltend gemacht, dem Rekurs komme vorliegend keine
aufschiebende Wirkung zu, so dass jedenfalls Willkür nicht nachgewiesen ist.
Zudem hat die Mutter im Verfahren um sofortige Aufhebung der
Prozessbeistandschaft selber keinen Ersatz der bisherigen Prozessbeiständin
verlangt, sondern vielmehr ausgeführt, es sei nicht mehr notwendig, dass die
Kinder weiter durch eine Rechtsbeiständin vertreten werden (vgl. Beschluss
vom 13. Dezember 2006 des Bezirksrats Meilen, lit. C Seite 4). Es ist daher
widersprüchlich, wenn sie nun verlangt, das Kassationsgericht hätte von Amtes
wegen eine Vertretung ernennen müssen.

3.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG); ihrem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da die Beschwerde
von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben konnte (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Da der Mutter im vorliegenden Verfahren die Vertretungsbefugnis für die
Kinder offensichtlich fehlt, sind die Gerichtskosten ihr aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG).
Weil die Beschwerdegegner nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden sind,
ist ihnen kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird M.________ auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: