Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.42/2007
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5A_42/2007
5A_432/2007

Urteil vom 25. Januar 2008
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Bundesrichter Marazzi,
nebenamtlicher Bundesrichter von Werdt,
Gerichtsschreiber Möckli.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hannes Zehnder,

gegen

Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto B. Känzig.

Provisorische Rechtsöffnung,

Beschwerden gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Horgen, Einzelrichter im
summarischen Verfahren,
vom 16. Januar 2007 und den Zirkular-Erledigungsbeschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, vom 5. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Z.________ Inc. war eine Offshore-Gesellschaft mit Sitz auf den British
Virgin Islands, deren wirtschaftlich Berechtigter X.________ war.
Im November 1999 eröffnete die Z.________ Konten bei der Y.________ AG. Im
Dezember 1999 lieferte die Z.________ beträchtliche Wertpapierbestände bei
der Y.________ ein und bezog bei dieser bis Mitte 2000 in mehreren Etappen
Kredite in Millionenhöhe. Die Kredite wurden zum Teil in CHF und zum Teil in
USD gewährt.
Infolge sinkender Aktienkurse verringerten sich die Wertpapierguthaben, womit
sich die Deckung der Kredite stetig verschlechterte. Gemäss Depotauszug
bestand per 29. November 2000 eine Unterdeckung von Fr. 406'819.--. Deshalb
unterzeichnete X.________ an diesem Tag eine Erklärung folgenden Inhalts:
Solidarschuldnerschaft mit Z.________ Inc. gegenüber der Y.________ AG

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich, X.________, erkläre mich solidarisch mit den Verbindlichkeiten der
Z.________ Inc. (Kto.-Nr. xxxx) gegenüber der Y.________ AG und hafte
solidarisch für deren Ausstände ausdrücklich bis zu einem Höchstbetrag von
USD 1 Mio. (in Worten: US-Dollar eine Million).

Die Solidarschuldnerschaft erlischt, sobald keine Verbindlichkeiten der
Z.________ Inc. gegenüber der Bank mehr bestehen.

Ort, Datum:    Unterschrift:
Zürich, 29/11/00   X.________"
In der Folgezeit wuchs die Unterdeckung immer weiter an. Per 29. April 2002
betrug sie Fr. 16'567'705.--, per 12. Oktober 2004 Fr. 21'119'109.98.

B.
Mit Zahlungsbefehl Nr. yyyy des Betreibungsamtes B.________ leitete die
Y.________ gegen X.________ für einen Betrag von Fr. 1'200'000.-- nebst
Zinsen und Kosten die Betreibung ein. Am 23. Mai 2006 verlangte sie die
provisorische Rechtsöffnung, welche das Bezirksgericht Horgen am 16. Januar
2007 erteilte.

C.
Gegen diesen Rechtsöffnungsentscheid erhob X.________ sowohl Beschwerde in
Zivilsachen ans Bundesgericht (Nr. 5A_42/2007) als auch
Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid
vom 5. Juli 2007 wies dieses die Nichtigkeitsbeschwerde ab. Dagegen hat
X.________ wiederum Beschwerde in Zivilsachen erhoben (Nr. 5A_432/2007).
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat auch die Y.________ Beschwerde
erhoben (Nr. 5A_428/2007). X.________ verlangt für alle Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Verfahrensparteien, Sachverhalt und Rechtsfragen in den Verfahren
Nrn. 5A_42/2007 und 5A_432/2007 sind identisch. Insbesondere aber sind die
Verfahren insofern verknüpft, als es prozessual um die Frage geht, gegen
welchen Entscheid innerhalb des kantonalen Instanzenzuges Beschwerde in
Zivilsachen erhoben werden kann bzw. muss. Die beiden Verfahren sind daher in
sinngemässer Anwendung von Art. 24 BZP i.V.m. Art. 71 BGG zu vereinigen (vgl.
BGE 113 Ia 390 E. 1 S. 394; 111 II 270 E. 1 S. 271 f.).

2.
Rechtsöffnungsentscheide sind Endentscheide im Sinn von Art. 90 BGG (BGE 133
III 399 E. 1.4 S. 400) und unterliegen grundsätzlich der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Sie stellen im Übrigen keine
vorsorglichen Massnahmen dar, weshalb alle Rügen gemäss Art. 95 und 96 BGG
zulässig sind (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). Der notwendige Streitwert von
Fr. 30'000.-- ist erreicht (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG).
Näherer Prüfung bedarf die Frage der Letztinstanzlichkeit (Art. 75 Abs. 1
BGG). Nach dem seit 1. Januar 2007 anwendbaren BGG haben die Kantone zwei
Instanzen vorzusehen, denen mindestens die gleiche Kognition wie dem
Bundesgericht zukommen muss (Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 111 Abs. 3 BGG); zur
notwendigen Anpassung steht ihnen eine Übergangsfrist zu (Art. 130 Abs. 2
BGG). Der Kanton Zürich hat die nötigen Anpassungen noch nicht vorgenommen;
gemäss dem einschlägigen kantonalen Recht steht gegen
Rechtsöffnungsentscheide nur die Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht
offen, bei welcher lediglich Kassationsgründe im Sinn von § 281 ZPO/ZH
geltend gemacht werden können. Dazu kommt, dass die Nichtigkeitsbeschwerde
nach dem Wortlaut von § 285 Abs. 1 und 2 ZPO/ZH dort an sich ausgeschlossen
ist, wo der Weiterzug an das Bundesgericht möglich ist und dieses die
vorgebrachten Mängel frei überprüfen kann; dies trifft nach den vorstehenden
Ausführungen insbesondere für Rechtsfragen zu (Art. 95 lit. a i.V.m. Art. 106
Abs. 1 BGG).
Nun hat das Obergericht zutreffend erwogen, dass die kantonale
Zuständigkeitsordnung auf das frühere Verfahrensrecht des OG abgestimmt sei
und insbesondere § 285 ZPO/ZH dem per 1. Januar 2007 in Kraft getretenen BGG
widerspreche, welches das Prinzip der "double instance" enthalte. § 285
ZPO/ZH könne vor diesem Hintergrund nicht (mehr) anwendbar sein, umso weniger
als sonst bei Streitwerten unter Fr. 30'000.-- zwei, bei höheren aber nur
eine kantonale Instanz gegeben wäre, was nicht sein könne. Das Obergericht
hat deshalb festgehalten, dass es - wie bisher - auf sämtliche
Nichtigkeitsbeschwerden gegen erstinstanzliche Rechtsöffnungsentscheide
eintrete, wobei es freilich nur Kassationsgründe im Sinn von § 281 ZPO/ZH
prüfe.
Fungiert aber das obere kantonale Gericht (Obergericht) als
Rechtsmittelinstanz im Sinn von Art. 75 Abs. 2 BGG, so muss es angerufen
werden, weil die Beschwerde in Zivilsachen nur gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen zulässig ist (Art. 75 Abs. 1 BGG). Daraus folgt
einerseits, dass auf direkt gegen erstinstanzliche Rechtsöffnungsentscheide
des Kantons Zürich eingereichte Beschwerden, auch wenn der Streitwert
Fr. 30'000.-- und mehr beträgt, mangels Ausschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges nicht eingetreten werden kann. Andererseits muss der
erstinstanzliche Entscheid mit Bezug auf Rügen, welche das Obergericht nicht
oder mit engerer Kognition als das Bundesgericht geprüft hat, mitangefochten
werden (sog. Dorénaz-Praxis, begründet in BGE 94 I 459, eingeschränkt in BGE
111 Ia 353 E. 1b S. 354, letztmals bestätigt in BGE 126 II 377 E. 8b S. 395;
vgl. sodann Urteil 5A_86/2007, E. 1.3). Im Bereich der Mitanfechtung bildet
nicht der zweit-, sondern der erstinstanzliche Entscheid das
Anfechtungsobjekt, was in den Rechtsbegehren und in der Beschwerdebegründung
zu berücksichtigen ist.
Die gegen den obergerichtlichen Entscheid erhobene Beschwerde entspricht
diesen Anforderungen, und die sich insbesondere gegen den mitangefochtenen
erstinstanzlichen Entscheid richtenden materiellrechtlichen Rügen sind im
Folgenden umfassend zu prüfen (Art. 95 und Art. 106 Abs. 1 BGG).

3.
Zwischen den Parteien war im kantonalen Verfahren insbesondere die
Rechtsnatur der in Lit. A zitierten Erklärung umstritten; während die
Gläubigerbank von einer Solidarschuldnerschaft ausging, stellte sich der
Schuldner auf den Standpunkt, er habe eine Bürgschaftserklärung unterzeichnet
und für die Hauptschuld liege im Übrigen keine Schuldanerkennung vor. Die
kantonalen Instanzen erwogen, die Erklärung sei als kumulative
Schuldübernahme für die Forderungen gegen die Z.________ zu deuten und
folglich sei in der Höhe des anerkannten Betrages Rechtsöffnung zu erteilen.
Diese Auffassung hält der Schuldner für bundesrechtswidrig. Er macht geltend,
nach dem klaren Wortlaut der Erklärung sei er eine akzessorische
Verpflichtung eingegangen, indem er erklärt habe, für die Ausstände der
Z.________ haften zu wollen. Entsprechend bedürfe es aber zusätzlich eines
Rechtsöffnungstitels für die Hauptforderung. Im Übrigen sei dem fraglichen
Konto am 30. Oktober 2006 der Betrag von Fr. 23'123'696.98 gutgeschrieben
worden und das Konto sei in der Folge auf Fr. Null gestellt worden.
Die Y.________ macht demgegenüber geltend, sie habe feste Vorschüsse
(Darlehen) gewährt und diese seien von der Z.________ gegengezeichnet worden.
Somit lägen für die Darlehensforderungen entgegen der schuldnerischen
Behauptung Rechtsöffnungstitel vor.

4.
Weder die Behauptung, auf dem fraglichen Konto sei eine Gutschrift
eingegangen, noch diejenige, die Darlehen seien unterschriftlich anerkannt
worden, findet sich in den angefochtenen Entscheiden als
Tatsachenfeststellung, und die Parteien rügen in diesem Zusammenhang auch
keine willkürliche bzw. willkürlich unterlassene Sachverhaltsfeststellung
(Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Vielmehr ergibt sich aus den für
das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass
der Z.________ Kredite in Millionenhöhe gewährt worden sind, dass infolge
sinkender Aktienkurse eine Unterdeckung entstanden ist und dass X.________
unterschriftlich erklärt hat, für diese Ausstände solidarisch bis zum
Höchstbetrag von USD 1 Mio. zu haften.
Somit ist entgegen der Auffassung des Bezirksgerichts (Ziff. 14.2.1) eben
gerade keine bestimmte Forderung anerkannt worden, sondern bloss eine
summenmässig begrenzte Haftung für unbestimmte, aufgrund der Aktienkurse und
der Marktsituation täglich ändernde Ausstände. Was diese laufend ändernden
Ausstände anbelangt, besteht eine Analogie zum Kontokorrent, dessen
Wesensmerkmal der schwankende Saldo ist; hier bildet die im
Kreditbewilligungsschreiben genannte Limite auch bei Gegenzeichnung durch den
Schuldner keinen Rechtsöffnungstitel (BGE 132 III 480 E. 4.2 S. 481). Sodann
weist die verwendete Terminologie, dass "für" Ausstände "gehaftet" werde, auf
ein Akzessorietätsverhältnis zwischen Hauptforderung und Sicherung (Haftung).
Die beiden Elemente, dass einerseits fremde Schuld gesichert werden soll und
dass andererseits diese variabel ist, verbinden sich im Umstand, dass nicht
für eine bestimmte Summe, sondern bis zu einem Höchstbetrag gehaftet werden
soll. Eine solche Erklärung würde keinen Sinn machen, wenn kumulativ die
Schuld für die festen Vorschüsse, welche der Z.________ gewährt worden sind,
ganz oder teilweise hätte übernommen werden sollen, wie dies die Y.________
behauptet. Vielmehr lässt sich die Erklärung nach dem Vertrauensprinzip (dazu
BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71, 686 E. 4.3.1 S. 689) nicht anders
interpretieren, als wie sie formuliert ist: als Haftung für täglich
schwankende Ausstände. Entsprechend liegt aber, wie bereits gesagt, ein
Akzessorietätsverhältnis vor und bedürfte es im Sinn eines zusammengesetzten
Rechtsöffnungstitels (BGE 132 III 480 E. 4.1 S. 481) auch einer
Schuldanerkennung für die Ausstände selbst (vgl. BGE 132 III 480 E. 5 S. 483
betreffend Richtigbefundsanzeige; zur Publikation bestimmter Entscheid
Nr. 5A_481/2007, E. 3, sowie BGE 122 III 125 E. 2b S. 127 betreffend
Akzessorietätsverhältnisse). Davon ist in den verbindlichen kantonalen
Sachverhaltsfeststellungen nicht die Rede, weshalb die angefochtenen Urteile
aufzuheben sind und das Rechtsöffnungsgesuch abzuweisen ist.

5.
Bei diesem Verfahrensausgang wird die Y.________ kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit wird
das schuldnerische Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Die
Festsetzung und Verlegung der Kosten in den kantonalen Verfahren entsprechend
dem neuen materiellen Ausgang ist durch das Obergericht vorzunehmen (Art. 68
Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerdeverfahren Nrn. 5A_42/2007 und 5A_432/2007 werden vereinigt.

2.
In Gutheissung der Beschwerden werden die Urteile des Bezirksgerichts Horgen
vom 16. Januar 2007 und des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. Juli 2007
aufgehoben.

3.
Das Gesuch um Erteilung provisorischer Rechtsöffnung in der Betreibung Nr.
yyyy des Betreibungsamtes B.________ wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

5.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.

6.
Zur Festsetzung der Kosten und Entschädigungen für die kantonalen Verfahren
wird die Sache an das Obergericht zurückgewiesen.

7.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Horgen, und dem
Obergericht des Kantons Zürich, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2008

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Möckli