Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.396/2007
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5A_396/2007 /frs

Urteil vom 23. Juli 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Bern, kantonale Rekurskommission für fürsorgerische
Freiheitsentziehungen,
Postfach 7475, 3001 Bern.

Zwangsmassnahme im Zusammenhang mit einer fürsorgerischen
Freiheitsentziehung,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern,
kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, vom
25. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 18. Juni 2007 verfügte der Sozialpsychiatrische Dienst des
Psychiatriezentrums A.________ die ärztliche fürsorgerische
Freiheitsentziehung von X.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) und im
Anschluss daran am 19. Juni 2007 dessen Isolation als medizinische Massnahme.

B.
Der Beschwerdeführer rekurrierte gegen diese Massnahme mit Schreiben vom 20.
Juni 2007 bei der Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen
des Kantons Bern, welche einen Bericht der behandelnden Ärzte des
Beschwerdeführers einholte und den Rekurs nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 25. Juni 2007 abwies.

C.
Der Beschwerdeführer gelangt an das Bundesgericht und beantragt sinngemäss,
das Urteil der Rekurskommission vom 25. Juni 2007 und die angeordnete
Zwangsmassnahme aufzuheben. Zudem fordert er "Schmerzensgeld" für sein
"zerstörtes Leben". Die Rekurskommission hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzliches (Art. 75 Abs. 1 BGG) Urteil
betreffend Anordnung einer Zwangsmassnahme im Zusammenhang mit einer
fürsorgerischen Freiheitsentziehung, die mit Beschwerde in Zivilsachen dem
Bundesgericht unterbreitet werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG).

1.2 Auf die Beschwerde ist von vornherein nicht einzutreten, soweit der
Beschwerdeführer Schmerzensgeld für sein zerstörtes Leben fordert. Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens bildet ausschliesslich der Entscheid vom 25. Juni
2007 betreffend die Isolation des Beschwerdeführers. Auf die "Klage" ist
deshalb nicht einzutreten. Die Eingabe des Beschwerdeführers ist demnach
einzig im Lichte der als Zwangsmassnahme verfügten Isolation zu behandeln.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer hat zwar erklärt, er habe nichts dagegen einzuwenden,
dass die Türe verschlossen bleibe. (act. 2 S. 3 letzter Absatz). Ihn stört
indes, dass er nicht frei zur Toilette und auch nicht ungehindert ins Atelier
gehen kann, um dort zu schreiben. Die Eingabe des Beschwerdeführers ist
demnach als Beschwerde wegen Verletzung seines Recht auf persönliche Freiheit
(Art. 10 Abs. 2 BV) zu behandeln. Dass die verfügte Isolation als schwerer
Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers anzusehen ist, versteht sich
von selbst und bedarf keiner langen Erörterung (vgl. BGE 126 I 112 E. 5).
Eine Einschränkung von Grundrechten ist nicht ausgeschlossen, sofern sie auf
einer gesetzlichen Grundlage beruht, durch das öffentliche Interesse oder
durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt ist, als
verhältnismässig erscheint (Art. 36 Abs. 1 und 2 BV) und den Kerngehalt des
Grundrechtes nicht antastet (Art. 36 Abs. 3 BV). Angesichts der Schwere des
Eingriffs prüft das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts frei. Der
freien Kognition unterliegt ferner, ob der Eingriff verhältnismässig
erscheint (BGE 127 I 6 E. 6 S. 18).

2.2 Das verfassungsmässige Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass
staatliche Hoheitsakte für das Erreichen eines im übergeordneten öffentlichen
Interesse liegenden Zieles geeignet, notwendig und dem Betroffenen zumutbar
sein müssen. Eine Zwangsmassnahme ist namentlich dann unverhältnismässig,
wenn eine ebenso geeignete mildere Anordnung für den angestrebten Erfolg
ausreicht. Der Eingriff darf in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und
personeller Hinsicht nicht einschneidender sein als notwendig (BGE 124 I 40
E. 3e S. 44 f.; 118 Ia 427 E. 7a S. 439, mit Hinweisen). Obwohl sich das
Prinzip der Verhältnismässigkeit aus der Verfassung ergibt, kann es jeweils
nur zusammen mit einem besonderen Grundrecht wie hier der persönlichen
Freiheit geltend gemacht werden (BGE 124 I 40 E. 3e S. 45; 122 I 279 E. 2e/ee
S. 287 f. mit Hinweisen; vgl. BBl 1997 S. 133, zu Art. 5 BV; 126 I 112 E. 5b
S. 119 f.).
2.3 Artikel 41 Abs. 2 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Bern, in der
Fassung vom 6. Februar 2001, (BSG 811.01) sieht medizinische Zwangsmassnahmen
zur Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes und zum Schutz
Dritter vor, wobei darin als mögliche Zwangsmassnahmen insbesondere die
medikamentöse Behandlung, Isolierung, Anbindung oder Beschränkung der
Aussenkontakte ausdrücklich erwähnt werden. Gemäss Art. 41a GesG, welcher das
Prinzip der Verhältnismässigkeit näher umschreibt, sind medizinische
Zwangsmassnahmen nur zulässig, wenn freiwillige Massnahmen versagt haben oder
nicht zur Verfügung stehen und wenn das Verhalten der betroffenen Person ihre
eigene Sicherheit oder Gesundheit schwerwiegend gefährdet (Art. 41a lit. a),
ferner um eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben Dritter abzuwenden
(lit. b), sodann um eine schwer wiegende Störung des Zusammenlebens im Fall
massiver sozialer Auffälligkeit oder bei erheblich destruktivem Potential der
betroffenen Person zu beseitigen (lit. c).

2.4 Die Rekurskommission, welcher zwei Fachrichter angehören, führt aus,
gestützt auf die der Kommission überreichten Akten seien die Voraussetzungen
des kantonalen Gesundheitsgesetzes zur Anordnung von Zwangsmassnahmen nicht
ausreichend dokumentiert, was sehr unbefriedigend sei und die Aufhebung der
Zwangsmassnahme zulassen würde. Sie äussert sich nicht dahingehend, dass
einer der vorliegend aufgezählten Gründe für die Isolation des
Beschwerdeführers nach wie vor gegeben ist, sondern gelangt vielmehr gestützt
auf das Verhalten des Beschwerdeführers und seine Ausführungen anlässlich der
Verhandlung zum Schluss, die Isolation bilde Teil der Therapie im Sinne einer
Reizabschirmung (act. 2 S. 4). Der Beschwerdeführer werde, wie er selbst
ausführe, jeden Tag ruhiger und fühle sich besser. Dass die Türe verschlossen
sei, störe ihn nicht, insofern sei die isolation indiziert und
gerechtfertigt, um das akute manische Zustandsbild zu remittieren (act. 2 S.
4). Nach dem vom Obergericht beigezogenen Bericht des Facharztes besteht das
Behandlungskonzept in der Medikation, Reizabschirmung und Stabilisierung des
Beschwerdeführers (kant. Akten, act. 139). Laut dem angefochtenen Entscheid
präsentierte sich der Beschwerdeführer zwar anlässlich der Verhandlung
angetrieben, doch verhielt er sich ruhiger (act. 2 S. 4). Weder der
angefochtene Entscheid noch der ärztliche Bericht vom 21. Juni 2007 (kant.
Akten act. 139) geben Auskunft darüber, dass bei einer Aufhebung der
Isolation mit einer unmittelbaren Gefährdung des Beschwerdeführers oder von
Drittpersonen oder weiterhin mit einer schwer wiegenden Störung des
Zusammenlebens zu rechnen ist. Ebenso wenig wird erörtert, dass die
Behandlung mit den verschriebenen Medikamenten, die im Behandlungskonzept
vorgesehen sind und genügen, für sich allein nicht ausreicht. Unter diesen
Umständen erweist sich die Fortsetzung der nunmehr bereits seit dem 19. Juni
2007 andauernden Isolation als unverhältnismässig.

3.
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist; der
angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die ärztliche Leitung der Anstalt
anzuweisen, den Beschwerdeführer aus der Isolation zu entlassen und die
Behandlung im Rahmen der Anstalt weiterzuführen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das
Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, kantonale Rekurskommission für
fürsorgerische Freiheitsentziehungen, vom 25. Juni 2007 wird aufgehoben. Die
ärztliche Leitung des Psychiatriezentrums A.________ wird angewiesen, die
Isolation des Beschwerdeführers aufzuheben und die Behandlung im Rahmen der
Anstalt weiterzuführen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Obergericht des Kantons Bern,
kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen, und dem
Psychiatriezentrum A.________ schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juli 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:   Der Gerichtsschreiber: