Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.392/2007
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5A_392/2007 /bnm

Urteil vom 27. August 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Möckli.

X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Engler,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Geiger,

Eheschutz,

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, vom 18. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) sind seit 35 Jahren
verheiratet und haben vier erwachsene Kinder, von denen eines noch in
Ausbildung steht. Der Ehemann stieg vom Gewerbetreibenden zum Unternehmer
auf. Anfangs August 2006 trennten sich die Ehegatten.

B.
Mit Eheschutzentscheid vom 23. März 2007 sprach das Kreisgericht St. Gallen
der Ehefrau einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 20'000.-- pro Monat zu, unter
Abzug der Hälfte der künftigen Altersrenten und unter Anrechnung der bereits
erbrachten Leistungen.

Mit Entscheid vom 18. Juni 2007 setzte das Kantonsgericht St. Gallen den
Unterhalt der Ehefrau ab Juni 2007 (d.h. unter Anrechnung der erbrachten
Leistungen) auf Fr. 25'000.-- pro Monat fest, wobei sich dieser ab Erhalt von
Altersrenten in betreffendem Umfang vermindert.

C.
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts hat der Ehemann am 11. Juli 2007
Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er verlangt im Wesentlichen die
Festsetzung des Unterhaltsbeitrages auf Fr. 12'000.-- pro Monat. Es wurden
keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Eheschutzentscheid ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75
Abs. 1 BGG). Streitig sind ausschliesslich vermögensrechtliche Belange in
einem Fr. 30'000.-- übersteigenden Betrag (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Es
handelt sich um einen Endentscheid in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 1 und Art. 90
BGG; BGE 133 III 393 E. 4 S. 395 f.). Er betrifft eine vorsorgliche
Massnahme, weshalb nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt
werden kann (Art. 98 BGG; BGE 133 III 393 E. 5 S. 396 f.). Auf die Beschwerde
ist einzutreten.

2.
Nach den Feststellungen des Kantonsgerichts ist der  Beschwerdeführer
Alleinaktionär und Verwaltungsratspräsident einer Holdinggesellschaft, zu der
namentlich eine Maschinenfabrik gehört. Er bezieht weder Dividenden noch
Honorare, sondern lässt den ganzen Gewinn im Unternehmen stehen. Sein im
Wesentlichen aus Liegenschafts- und Wertschriftenerträgen bestehendes
Reineinkommen belief sich in den Jahren 2003-2005 auf Fr. 461'000.--,
Fr. 1'727'000.-- und Fr. 897'000.--. Sein Reinvermögen stieg im selben
Zeitraum von rund Fr. 35 Mio. auf Fr. 47 Mio. und schliesslich auf Fr. 57
Mio.

Das Kantonsgericht hat sodann erwogen, im Familienrecht gelte ein weiter
Einkommensbegriff; als Einkommen sei namentlich auch ein Vermögenszuwachs
während einer bestimmten Periode aufzufassen. Insofern dürfe durchaus
angenommen werden, dass der Beschwerdeführer fast unbegrenzt leistungsfähig
sei. In sehr guten finanziellen Verhältnissen dürfe aber das Gesamteinkommen
nicht einfach hälftig geteilt werden; vielmehr sei der unterhaltsberechtigte
Ehegatte so zu stellen, dass er den bisherigen Lebensstandard ohne Abstriche
fortführen könne. Die Darstellung der bisherigen Lebenshaltung gehe weit
auseinander: Während man nach derjenigen der Beschwerdegegnerin im grossen
Stil gewirtschaftet habe (geräumiges Haus mit viel Umschwung, vier Autos,
Haushälterin, Gärtner, Ferienwohnung im Engadin, Ferienhaus im Tessin,
gepachtetes Jagdrevier, zahlreiche Gäste und Reisen), habe man nach den
Behauptungen des Beschwerdeführers bescheiden gelebt und Luxus nur betrieben,
soweit dies geschäftlich begründet gewesen sei (Gäste, Reisen, Jagdrevier).
Letztlich sei dies auch nicht entscheidend, da sich die Beschwerdegegnerin
unnötige Sparsamkeit ebenso wenig entgegenhalten lassen müsse wie der
Beschwerdeführer übersetzten Aufwand; angesichts der extrem günstigen
Einkommenssituation müsse sich die Beschwerdegegnerin einfach leisten können,
was sie bei hohen Ansprüchen für einen billigenswerten Lebensaufwand
vernünftigerweise ausgeben könne.

Im Anschluss hat das Kantonsgericht befunden, für den Bedarf der
Beschwerdegegnerin angezeigt sei der fünffache Grundbetrag, also Fr.
5'500.--, der Mietzins für eine Stadtwohnung mit sechs Zimmern von rund Fr.
3'000.--, wobei dies im Vergleich zum Wohnkomfort des Beschwerdeführers in
einem Zwölfzimmerhaus eher genügsam sei, Fr. 700.-- für Krankenversicherung
und Risikoabdeckung, Fr. 1'500.-- für Mobilitätskosten (Fahrzeug der oberen
Preisklasse), Urlaubsausgaben von Fr. 3'000.-- sowie Fr. 500.-- für
Weiterbildung. Bei offenkundigem Luxus gehöre sodann auch der sukzessive
Erwerb einer standesgemässen Ausstattung zu den laufenden Bedürfnissen,
weshalb der Beschwerdegegnerin für Anschaffungen und Notfälle eine Reserve
von Fr. 2'500.-- zuzugestehen sei. Zusammen mit der Steuerlast von Fr.
8'200.-- ergebe dies einen Gesamtbedarf von Fr. 25'000.--.

3.
Der Beschwerdeführer hält diese Erwägungen für willkürlich. Er bringt vor,
das Kantonsgericht sei in einer Art "freier Rechtsfindung" zum Schluss
gekommen, es sei Fr. 25'000.-- pro Monat an Unterhalt geschuldet. Die
eheliche Lebenshaltung sei jedoch die Obergrenze für den nachehelichen
Unterhalt. Nebst den Steuern sei jeweils ein Betrag von Fr. 10'000.-- bis
12'000.-- auf ein Wirtschaftskonto einbezahlt worden, aus dem während des
Zusammenlebens die laufenden Ausgaben bestritten worden seien; dies sei im
angefochtenen Entscheid ausser Acht gelassen worden. Sodann habe die
Beschwerdegegnerin ihren konkreten Bedarf gar nicht ausgewiesen, sondern
einfach Bedarfspositionen benannt bzw. beziffert, ohne Belege einzureichen.
Bei verschiedenen Positionen gehe es von der Grössenordnung her nicht mehr um
Annehmlichkeit, sondern um Verschwendung (Grundbetrag, Reisen), und andere
seien gar nicht erst notwendig (Weiterbildung, Reserve).

4.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Nicht zu hören ist der
Beschwerdeführer demnach mit dem nicht festgestellten Tatsachenelement,
während des Zusammenlebens habe man über ein Wirtschaftskonto verfügt, aus
dem der eheliche Unterhalt in einer Grössenordnung von Fr. 10'000.-- bis Fr.
12'000.-- pro Monat finanziert worden sei, zumal er entgegen der aus Art. 106
Abs. 2 BGG fliessenden Rügepflicht nicht aufzeigt, dass und inwiefern er
diese Sachbehauptung bereits im kantonalen Verfahren eingeführt - wozu ein
blosser Verweis auf die Vorakten nicht genügt (BGE 114 Ia 317 E. 2b S. 318) -
und das Kantonsgericht dies verkannt hätte.

5.
Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid auf einem
offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE
131 I 467 E. 3.1 S. 473 f.). Zu berücksichtigen ist überdies, dass dem
Sachgericht im Bereich der Unterhaltsfestsetzung ein erheblicher
Ermessensspielraum zusteht (Art. 4 ZGB; BGE 127 III 136 E. 3a S. 141).

Keine Willkür ist zunächst darzutun mit der Behauptung, die
Beschwerdegegnerin hätte alle Ausgaben belegen müssen. In finanziell
günstigen Verhältnissen geht es, wie der Beschwerdeführer selbst anerkennt,
nicht um die Berechnung des Existenzminimums, sondern darum, der
unterhaltsberechtigten Partei die Fortsetzung des ehelichen Lebensstandards
zu ermöglichen. Liegen sogar extrem günstige Verhältnisse vor, muss es den
Parteien weitgehend freistehen, wie sie ihre Mittel verwenden wollen. Die
Forderung des Beschwerdeführers nach Vorlage von Quittungen ist deshalb im
vorliegenden Fall sachfremd und das Kantonsgericht ist nicht in Willkür
verfallen, wenn es für die Ermittlung des Bedarfs der Beschwerdegegnerin
verschiedene Annahmen getroffen hat.

Inwiefern die damit einhergehende Pauschalisierung des Bedarfs im Ergebnis
stossend und damit willkürlich sein bzw. der angenommene Unterhaltsbedarf von
Fr. 25'000.-- (wovon rund Fr. 8'000.-- für Steuern) eine wesentlich über den
bisherigen Standard hinausgehende Lebenshaltung ermöglichen soll, ist nicht
ersichtlich. So müsste sich die Beschwerdegegnerin beispielsweise nicht mit
einer Sechszimmerwohnung bescheiden, sondern hätte Anspruch auf ähnliche
Wohnverhältnisse wie während des Zusammenlebens bzw. wie der
Beschwerdeführer, der weiterhin in der Zwölfzimmervilla lebt und offenbar
auch regelmässig die Ferienwohnung im Engadin bewohnt (in diesem Zusammenhang
hat jedenfalls das Kantonsgericht eine Mitbenutzung durch die
Beschwerdegegnerin abgelehnt und dafür einen grosszügigen Betrag für Urlaub
berücksichtigt). Sodann verfügten die Ehegatten unbestrittenermassen über
einen Wagenpark, über Hausangestellte und über ein zusätzliches Ferienhaus im
Tessin. Es ist aber weder dargetan noch erkennbar, inwiefern das
Kantonsgericht mit seiner Annahme, zur Fortführung dieses Lebensstils sei ein
Betrag von Fr. 25'000.-- angemessen, von seinem Ermessen unsachgemässen
Gebrauch gemacht haben und damit in Willkür verfallen sein soll. Auch
angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers,
die ihn nach der Feststellung des Kantonsgerichts als fast unbegrenzt
leistungsfähig erscheinen lassen, ist nicht ersichtlich, inwiefern die
Unterhaltsfestsetzung vom Ergebnis her stossend und somit willkürlich sein
könnte. Nicht willkürlich ist bei dieser besonderen Ausgangslage ferner, wenn
das Kantonsgericht der Beschwerdegegnerin nicht allein wegen der Trennung
zugemutet hat, die Erbteilung oder diesbezügliche Akontozahlungen zu
verlangen, um anrechenbare Vermögenserträge (Eigenversorgung) zu generieren.
Umso weniger lässt sich in diesem Zusammenhang von Willkür sprechen, als das
Kantonsgericht auch dem Beschwerdeführer keinen hypothetischen Ertrag auf
seinem Reinvermögen angerechnet hat.

Erweist sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis als willkürfrei, erübrigt
sich eine Auseinandersetzung um einzelne Bedarfspositionen; ohnehin wäre dies
wegen der weitgehenden Freiheit in der Mittelverwendung bei äusserst
günstigen Verhältnissen (dazu oben) nicht sachgerecht.

6.
Ist die Beschwerde abzuweisen, wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: