Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.380/2007
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5A_380/2007 /bnm

Urteil vom 22. Oktober 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Möckli.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Lars Dubach,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Dörig,

Erbschaftsklage,

Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom 31. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 23. Mai 2006 verpflichtete das Amtsgericht Entlebuch
X.________, der Klägerin Y.________ zuhanden des Nachlasses von Z.________
den Betrag von Fr. 100'000.-- nebst Zins zu bezahlen. Dagegen appellierte
X.________ am 19. Juni 2006.

B.
Mit Verfügung vom 4. Oktober 2006 forderte das Obergericht des Kantons Luzern
X.________ auf, für das Appellationsverfahren einen Gerichtskostenvorschuss
von Fr. 2'500.-- zu bezahlen. Am 7. Dezember 2006 teilte ihr Anwalt mit,
seine Mandantin habe am Vortag Fr. 600.-- zugunsten der Gerichtskasse
überwiesen. In der Folge wäre es ihr möglich, Fr. 300.-- pro Monat zu
bezahlen. Gestützt auf dieses Ersuchen gewährte das Obergericht X.________
Ratenzahlungen von Fr. 300.-- pro Monat.

Noch vor Ablauf der vollständigen Begleichung der Raten trat das Obergericht
mit Erledigungsentscheid vom 31. Mai 2007 auf die Appellation nicht ein mit
der Begründung, es habe festgestellt, dass keine Anzahlung von Fr. 600.-- an
den Kostenvorschuss erfolgt sei; die Säumnisfolgen bei Nichtleistung des
Vorschusses seien X.________ am 4. Oktober 2006 ordnungsgemäss angedroht
worden.

C.
Dagegen hat X.________ am 5. Juli 2007 Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit
den Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und auf die
Appellation sei einzutreten. Die Gegenpartei und das Obergericht verlangen in
ihren Vernehmlassungen vom 11. bzw. 14. September 2007 die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen richtet sich gegen einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid, mit dem auf eine erbrechtliche Klage mit einem
Streitwert von Fr. 100'000.-- nicht eingetreten wurde; sie erweist sich
demnach als zulässig (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1
und Art. 90 BGG).

2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe Fr. 600.-- an die
Gerichtskasse überwiesen, wie der Empfangsschein vom 7. Dezember 2006
beweise, und mit Schreiben gleichen Datums habe sie gegenüber dem Obergericht
erklärt, welche Schuld sie damit habe tilgen wollen.

Gemäss den Ausführungen des Obergerichts in der Vernehmlassung vom 14.
September 2007 war die Beschwerdeführerin verpflichtet worden, für die beiden
im September bzw. November 2006 abgeschlossenen Verfahren um unentgeltliche
Rechtspflege der kantonalen Gerichtskasse insgesamt Fr. 600.-- zu bezahlen
(Fr. 200.-- für Nr. 01 06 17 und Fr. 400.-- für Nr. 01 06 21). Am 12.
Dezember 2006 sei bei der Kasse der Einzahlungsschein eingegangen, mit
welchem die Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2006 diesen Betrag überwiesen
hatte. Weil der Einzahlungsschein den Vermerk "Fall-Nr.: 01 06 21" enthalten
habe, sei die Zahlung im Umfang von Fr. 400.-- diesem und die Restanz von Fr.
200.-- dem Verfahren Nr. 01 06 17 verbucht worden.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB und Art. 86 OR.
Beim Kostenvorschuss geht es jedoch nicht um einen vom materiellen Zivilrecht
beherrschten Rechtsstreit, sondern um ein vom kantonalen Prozessrecht
erfasstes Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Zwar kann der Grundsatz von
Art. 8 ZGB auch im Prozessrecht zum Tragen kommen (vgl. etwa BGE 114 III 51
E. 4 S. 55); vorliegend geht es jedoch gar nicht um den Nachweis, dass
tatsächlich eine Zahlung von Fr. 600.-- erfolgt ist, sondern um die Frage,
welchem Verfahren sie zu verbuchen war. Diesbezüglich steht dem Bundesgericht
keine freie Kognition zu; vielmehr muss die Beschwerdeführerin aufzeigen,
dass und inwiefern das Obergericht bei der Verbuchung der Zahlung und in der
Folge bei der Abschreibung des Appellationsverfahrens das einschlägige
Zivilprozessrecht willkürlich angewandt hat (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Sofern es der Beschwerde diesbezüglich nicht ohnehin an genügender
Substanziierung mangelt, ist sie auf jeden Fall auch in der Sache selbst
unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat auf dem Einzahlungsschein
ausdrücklich vermerkt, welchem Verfahren die Zahlung anzurechnen sei. Ob sie
selbst den Vermerk "Fall-Nr.: 01 06 17" angebracht hat oder ob dies bereits
durch die Gerichtskasse bei der Rechnungsstellung für das betreffende
Verfahren geschah, ist nicht von Belang, da im letzteren Fall die
Beschwerdeführerin die Erklärung durch Verwendung des betreffenden
Einzahlungsscheins zu ihrer eigenen gemacht hat und es ihr bewusst sein
musste, dass die Gerichtskasse die Zahlung entsprechend dem Vermerk auf dem
Einzahlungsschein verbuchen würde. Die Beschwerdeführerin verweist jedoch auf
ihr Schreiben vom 7. Dezember 2006 und macht sinngemäss geltend, ihre
dortigen Erklärungen gingen dem Vermerk auf dem Einzahlungsschein vor. Indes
hat sie im betreffenden Schreiben keineswegs erklärt, eine Anzahlung an den
Kostenvorschuss für das Appellationsverfahren geleistet zu haben; vielmehr
hatte sie neutral festgehalten, sie habe "gestern Fr. 600.-- zugunsten der
Gerichtskasse überwiesen. In der Folge wäre es ihr möglich, Fr. 300.-- pro
Monat zu bezahlen." Diese Aussage trifft zu, und zwar genau für die vom
Obergericht vorgenommene Verbuchungsabfolge: Dass nämlich die
Beschwerdeführerin mit der Überweisung der Fr. 600.-- die in dieser Höhe
offenen Kosten in den Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege zahlen wolle
und dass sie den nunmehr zu leistenden Kostenvorschuss von Fr. 2'500.-- für
das Appellationsverfahren nicht in einem Mal aufbringen könne. Das
Obergericht ist jedenfalls nicht in Willkür verfallen, wenn es vor dem
geschilderten Hintergrund die Zahlung von Fr. 600.-- nicht an das
Appellationsverfahren angerechnet, sondern entsprechend den Anweisungen auf
dem Einzahlungsschein verbucht hat.

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen
ist und die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren
kostenpflichtig wird (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Oktober 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: