Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.325/2007
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5A_325/2007

Urteil vom 11. Dezember 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter J. Marti,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecherin Susanna Kaiser,
Betreibungsamt B.________.

Verwertung eines Gesellschaftsanteils,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 1. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a Die Ehegatten E.________ und X.________ bilden eine einfache Gesellschaft
und sind in dieser Eigenschaft Gesamteigentümer der Liegenschaften
L.________-GBBl. Nrn. xxxx, yyyy und zzzz. Sie befinden sich seit dem 27. Mai
2004 in Scheidung. Das Betreibungsamt B.________ pfändete in mehreren
Betreibungsverfahren den Liquidationsanteil von E.________ an der einfachen
Gesellschaft. Nach Eingang der Verwertungsbegehren führte das Betreibungsamt
die Einigungsverhandlungen gemäss Art. 9 der Verordnung vom 17. Januar 1923
über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG;
SR 281.41) durch, welche ergebnislos verliefen.

A.b Daraufhin ordnete die kantonale Aufsichtsbehörde am 20. September 2006
die Auflösung und Liquidation der einfachen Gesellschaft an. Das
Bundesgericht wies am 6. Februar 2007 die von X.________ gegen diese
Verfügung erhobene Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war
(7B.184/2006). Mit Verfügung vom 1. März 2007 stellte das Betreibungsamt
fest, dass die einfache Gesellschaft mit Entscheid der Aufsichtsbehörde
gekündigt worden sei und daher nach Ablauf von sechs Monaten gemäss Art. 546
OR per 20. März 2007 aufgelöst werde. Bereits am 9. März 2007 berichtigte das
Betreibungsamt diese Verfügung, als dass die Auflösung per 6. August 2007
erfolgen werde. Die Wiedererwägung wurde mit der Gewährung der aufschiebenden
Wirkung für die vom Bundesgericht seinerzeit zu beurteilende Beschwerde
begründet.

A.c Dagegen erhob der Gläubiger Y.________ Beschwerde bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde, welche mit Entscheid vom 1. Mai 2007 gutgeheissen wurde.
Die Verfügung vom 9. März 2007 wurde aufgehoben und das Betreibungsamt
angewiesen, das Vermögen der einfachen Gesellschaft festzustellen und zu
verwerten.

B.
X.________ (Beschwerdeführerin) ist am 18. Juni 2007 mit Beschwerde an das
Bundesgericht gelangt. Sie beantragt die Aufhebung des aufsichtsrechtlichen
Entscheides und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Zudem sei
festzustellen, dass die Auflösung der einfachen Gesellschaft durch förmliche,
den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Kündigung zu erfolgen habe, und
das Betreibungsamt entsprechend anzuweisen.

Y. ________ (Beschwerdegegner) schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Betreibungsamt verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die kantonale
Aufsichtsbehörde hat sich nicht vernehmen lassen.

C.
Mit Präsidialverfügung vom 12. Juli 2007 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über
das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb das
neue Recht anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der
Beschwerde in Zivilsachen, welche in diesem Bereich an die Stelle der
Beschwerde in Betreibungssachen tritt (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG in
Verbindung mit Art. 19 SchKG). Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide
letzter kantonaler Instanzen (Art. 75 Abs. 1 BGG). Beschwerdeentscheide der
kantonalen Aufsichtsbehörden über Verfügungen der Vollstreckungsorgane gemäss
Art. 17 SchKG sind Endentscheide im Sinn von Art. 90 BGG (BGE 133 III 350
E. 1.2). Sie sind unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze
anfechtbar (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerdeführerin konnte am
kantonalen Verfahren nicht teilnehmen und hat zumindest als Gläubigerin ein
rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheides (Art. 72 Abs. 1 BGG). Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde
ist demnach einzutreten (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG). Mit ihr kann
insbesondere die Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonaler
verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (Art. 95 BGG). Die
Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist (Art. 9 BV; BGE 133 II 249
E. 1.2.2) oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG
beruht (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255) und die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.3 Die Aufsichtsbehörde hat nach einem erfolglosen Einigungsversuch das
Betreibungsamt am 20. September 2006 angewiesen, die einfache Gesellschaft
aufzulösen, das Gemeinschaftsvermögen festzustellen sowie den Erlös aus dem
gepfändeten Liquidationsanteil an die Pfändungsgläubiger zu verteilen. Eine
dagegen erhobene Beschwerde hat das Bundesgericht am 6. Februar 2007
abgewiesen. Im Anschluss daran stellte das Betreibungsamt fest, dass mit
Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 20. September 2006 die einfache
Gesellschaft gekündigt worden sei und gestützt auf Art. 546 OR sechs Monate
später aufgelöst werde. Diese Verfügung berichtigte es kurz darauf, indem es
die Kündigung der einfachen Gesellschaft auf das bundesgerichtliche
Urteilsdatum ansetzte, womit die Auflösung der einfachen Gesellschaft per
6. August 2007 erfolgen werde. Die kantonale Aufsichtsbehörde kam
demgegenüber auf Beschwerde eines Gläubigers zum Schluss, dass die Auflösung
der einfachen Gesellschaft keiner förmlichen Kündigung bedürfe, und wies
daher das Betreibungsamt an, das Gemeinschaftsvermögen festzustellen und zu
verwerten.

1.4 Die Beschwerdeführerin sieht durch den angefochtenen Entscheid
Bundesrecht verletzt. Ihrer Ansicht nach lässt sich die Vorgehensweise der
Vorinstanz mit Sinn und Wortlaut von Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 OR und Art. 12
VVAG nicht vereinbaren. Sie begründet ihren Standpunkt mit dem blossen
Hinweis auf BGE 52 III 6 ff. sowie den Kommentator Staehelin (Basler
Kommentar, 2. Aufl. 2002, N. 14 zu Art. 545/546 OR).

1.5 Die Aufsichtsbehörde entscheidet, ob das gepfändete Anteilsrecht
versteigert wird oder ob die Auflösung der Gemeinschaft samt Verwertung ihres
Vermögens vorzunehmen ist (Art. 10 Abs. 2 VVAG). Sie legt damit die Art der
vom Betreibungsamt vorzunehmenden Verwertung verbindlich fest. Hält sie im
konkreten Fall die Auflösung der Gemeinschaft für angebracht, so ordnet sie
diese an. Es liegt ein Anwendungsfall von Art. 545 Abs. 1 Ziff. 3 OR vor
(Raymond L. Bisang, Die Zwangsverwertung von Anteilen an Gesamthandschaften,
Diss. Zürich, 1978, S. 185/186). Durch den Auflösungsentscheid der
Aufsichtsbehörde tritt die Gemeinschaft ins Stadium der Liquidation, womit
kein Platz für eine förmliche Kündigung mehr bleibt. Das Betreibungsamt hat
lediglich die erforderlichen rechtlichen Vorkehren für die Verwertung zu
treffen und übt dabei alle dem betriebenen Schuldner zustehenden Rechte aus
(Art. 12 VVAG).

1.6 Zwar hielt das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 2. Februar 1926 eine
den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Kündigung des
Gesellschaftsvertrages gegenüber allen Mitgliedern für notwendig (BGE 52 III
4 ff.). Diese Auffassung wird von einem Teil der Lehre weiterhin vertreten
(Staehelin, a.a.O., N. 14 zu Art. 545/546 OR; Rutz, Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 35 zu Art. 132 SchKG;
derselbe in: BlSchK 1975, S. 137). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist
aber auch wiederholt kritisiert worden. Dabei wurde zu Recht darauf
hingewiesen, dass die Auflösung der einfachen Gesellschaft nach Art. 545
Abs. 1 Ziff. 3 OR eintritt, wenn der Anteil eines Mitgliedes zur
Zwangsverwertung gelangt (Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la
poursuite pour dettes et faillites, N. 39 zu Art. 132 SchKG; Bisang, a.a.O.,
S. 185). Hinzu kommt die in Art. 10 und 13 VVAG festgelegte Aufgabenteilung
zwischen Aufsichtsbehörde und Betreibungsamt. Aufgrund ihrer Kompetenz, über
die Verwertungsart des gepfändeten Anteils zu entscheiden, kann die
Aufsichtsbehörde die Gemeinschaft auflösen und das Betreibungsamt die
Liquidation des Vermögens vornehmen lassen. Nimmt die Aufsichtsbehörde ihre
Kompetenz wahr, so bedarf es keiner zusätzlichen Kündigung mehr. Insoweit ist
die bisherige Rechtsprechung zu präzisieren.

2.
Damit kann der Vorinstanz im Ergebnis keine Verletzung von Bundesrecht
vorgeworfen werden und der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden.
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner sind keine massgeblichen
Aufwendungen entstanden, welche eine Parteientschädigung rechtfertigen
würden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Raselli Zbinden