Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.242/2007
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5A_242/2007 /bnm

Urteil vom 16. Oktober 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Meyer,
Gerichtsschreiber Rapp.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Ulrich Ziswiler,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin.

Fremdplatzierung,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 3. April 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ist die Mutter von R.________
(geboren 1990), über welche sie das alleinige Sorgerecht innehat. Mit
Beschluss vom 10. Dezember 2003 entzog die Vormundschaftsbehörde A.________
der Beschwerdeführerin die elterliche Obhut über ihre Kinder S.________ und
R.________. Die beiden Kinder wurden bei der Familie der Schwester der
Beschwerdeführerin platziert.

B.
Mit Beschluss vom 7. Juni 2006 wies die Vormundschaftsbehörde A.________ den
Antrag der Beschwerdeführerin auf Umplatzierung von R.________ ab. Gegen
diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin am 23. Juni 2006 beim Oberamt
Olten-Gösgen Beschwerde, welche mit Beschluss vom 23. Oktober 2006 abgewiesen
wurde. Am 6. November 2006 erhob sie beim Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche mit Urteil vom 3. April 2007
abgewiesen wurde.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
Zivilsachen vom 18. Mai 2007 die Aufhebung des Urteils des
Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 3. April 2007 sowie die
Umplatzierung ihrer Tochter R.________. Sodann verlangt sie unentgeltliche
Rechtspflege.

Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein Entscheid auf dem Gebiet des Kindesschutzes (Art. 72 Abs.
2 lit. b Ziff. 7 BGG), welcher einen Endentscheid nach Art. 90 BGG darstellt.

Mit der Beschwerde kann die Verletzung von eidgenössischem (Art. 95 BGG) und
ausländischem (Art. 96 BGG) Recht gerügt werden.

Das Bundesgericht prüft frei, ob die behaupteten Rechtsverletzungen gegeben
sind (Art. 106 Abs. 1 BGG). Demgegenüber kann die Feststellung des
Sachverhalts nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

2.
Das Kantonsgericht erwog, aufgrund der ärztlichen Berichte sei davon
auszugehen, dass sich R.________ bei der Familie der Schwester der
Beschwerdeführerin geborgen fühle, dass sie die offenbar in Frage stehenden
sexuellen Belästigungen nicht erlebt habe sowie dass sie von ihrer Mutter
beschimpft worden sei und vor ihr Angst habe. Wie dem Gericht bekannt sei,
leide die Beschwerdeführerin unter einer schweren psychischen Krankheit,
welche mehrfach zu einer Hospitalisierung geführt habe und gemäss einem
ärztlichen Gutachten mit aggressiven Durchbrüchen sowie mit Selbst- und
Fremdgefährdung verbunden sei. Es sei daher verständlich, wenn R.________
ihre Mutter nicht mehr sehen wolle. Da R.________ ausserdem bereits 17 Jahre
alt sei, sei bei der Platzierung primär auf ihren Wunsch abzustellen, bei der
Familie der Schwester der Beschwerdeführerin zu bleiben. Ferner habe Letztere
beim Verwaltungsgericht einen guten Eindruck hinterlassen.

3.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, der Hinweis auf die Gerichtsnotorietät
ihres psychischen Zustandes sei - da losgelöst vom Beschwerdegegenstand -
willkürlich und tendenziell. Sie macht geltend, dass sie nicht in
verwahrlosten Verhältnissen lebe und sich ihr Gesundheitszustand merklich
verbessert habe. Ausserdem stehe ihr aufgrund der Vereinbarung vom 3. Juli
2004, in welcher die Platzierung von R.________ geregelt worden sei, ein
Besuchsrecht zu. Dieses werde ihr tatsächlich jedoch verwehrt. Damit seien
zum einen die Voraussetzungen der betreffenden Vereinbarung nicht mehr
gegeben. Zum andern hätten sich infolgedessen ihr Gesundheitszustand und die
familiäre Situation erheblich verschlechtert. Da das Verhältnis zwischen ihr
und ihrer Schwester angespannt sei, wäre mit einer Umplatzierung von
R.________ auch eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Mutter und
Tochter verbunden. Sodann sei festgestellt worden, dass die Beiständin von
R.________ klar zu deren Gunsten und ihrer Pflegemutter handle. R.________
müsse mit der Krankheit ihrer Mutter umgehen können und entsprechende
Anstrengungen leisten. Wenngleich das Strafverfahren betreffend die sexuelle
Belästigung mangels Beweisen eingestellt worden sei, hätten die
entsprechenden Vorgänge stattgefunden. Der Umstand, dass S.________, die
aufgrund persönlicher Konflikte von der Pflegemutter weggezogen sei, nunmehr
bei der Beschwerdeführerin lebe und sich wohl fühle, zeige, dass auch die
derzeitige Platzierung von R.________ nicht geeignet sei. Schliesslich seien
auch die Platzverhältnisse bei der Pflegefamilie äusserst knapp.

4.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie lebe nicht in verwahrlosten
Verhältnissen, ihr Gesundheitszustand habe sich verbessert und die sexuelle
Belästigung habe trotz Einstellung des Strafverfahrens stattgefunden, wendet
sie sich gegen die Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts. Sie
legt jedoch nicht dar, inwieweit diese offensichtlich unrichtig sein oder auf
einer Rechtsverletzung beruhen sollen und inwiefern die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein soll. Vielmehr beschränkt
sie sich diesbezüglich auf rein appellatorische Kritik am vorinstanzlichen
Urteil. Insofern erweist sich die Beschwerde als unsubstanziiert und ist auf
sie nicht einzutreten.

5.
Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus
für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die
Vormundschaftsbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (Art.
307 Abs. 1 ZGB). Die Vormundschaftsbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern
verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb
der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben (Art. 307 Abs. 2 ZGB). Kann der
Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden, so hat die
Vormundschaftsbehörde es den Eltern oder, wenn es sich bei Dritten befindet,
diesen wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen (Art. 310 Abs. 1
ZGB). Die gleiche Anordnung trifft die Vormundschaftsbehörde auf Begehren der
Eltern oder des Kindes, wenn das Verhältnis so schwer gestört ist, dass das
Verbleiben des Kindes im gemeinsamen Haushalt unzumutbar geworden ist und
nach den Umständen nicht anders geholfen werden kann (Art. 310 Abs. 2 ZGB).

5.1 Kindesschutzmassnahmen bezwecken im Allgemeinen die Abwendung einer
Gefährdung des Kindeswohls (Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl.,
Bern 1999, S. 206 Rz. 27.09). Sie müssen zur Erreichung dieses Ziels
erforderlich sein (Subsidiarität), und es ist immer die mildeste Erfolg
versprechende Massnahme anzuordnen (Proportionalität); diese soll elterliche
Bemühungen nicht ersetzen, sondern ergänzen (Komplementarität, s. zum Ganzen
Hegnauer, a.a.O., S. 206 Rz. 27.10 ff.; Meier/Stettler, Droit de la
filiation, Tome II: Effets de la filiation [art. 270 à 327 CC], 3. Aufl,
Genf/Zürich/Basel 2006, S. 362 f. Rz. 679 f.).
5.2 Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, ihre Tochter solle wieder in
ihrem Haushalt leben. Vielmehr geht es vorliegend lediglich um die Frage, ob
die bestehende Fremdplatzierung weiterhin aufrecht erhalten bleiben soll.

Aufgrund der für das Bundesgericht verbindlichen (Art. 105 Abs. 1 BGG)
Sachverhaltsfeststellungen des Verwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass
es R.________ bei der Familie der Schwester der Beschwerdeführerin gut geht.
Dies entspricht denn auch den Aussagen von R.________ selber. Da sie bald das
Mündigkeitsalter erreichen wird, ist bei der Frage einer allfälligen
Umplatzierung insbesondere auf ihre Meinung abzustellen (vgl. Hegnauer,
a.a.O., S. 193 Rz. 26.04a; Meier/Stettler, a.a.O., S. 31 Rz. 55).

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, es sei für ihre eigene psychische
Gesundheit förderlich, wenn sie vermehrt Kontakt mit ihrer Tochter haben
könnte, und eine Umplatzierung sei auch aus diesem Grund erforderlich, macht
sie eigene Interessen geltend. Die Maxime des Kindeswohls gebietet jedoch,
dass die Interessen der Mutter gegenüber denjenigen des Kindes zurückzutreten
haben (vgl. dazu Hegnauer, a.a.O., S. 193 Rz. 26.04a ff.).

Insofern erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist sie abzuweisen.

6.
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an
kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen
der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das
betreffende Gesuch abzuweisen ist.

Bei diesem Verfahrensausgang ist der Beschwerdeführerin die Gerichtsgebühr
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Oktober 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: