Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.202/2007
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5A_202/2007 /bnm

Urteil vom 13. Juni 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Levante.

1.X.________,
2.Z.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ulf Walz,

Persönlichkeitsverletzung,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Zivilgericht (3. Kammer), vom 26. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Vor dem Bezirksgericht Rheinfelden ist das von Y.________ gegen X.________
und Z.________ eingereichte Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wegen
Persönlichkeitsverletzung hängig. Am 28. Februar 2007 stellte die
Gerichtspräsidentin von A.________ X.________ und Z.________ das Gesuch zur
Erstattung einer Antwort innert zehn Tagen zu. Gleichzeitig verfügte sie
gestützt auf § 294 ZPO/AG, dass X.________ und Z.________ unter
Strafandrohung (Art. 292 StGB) gewisse Passagen auf der Webseite zu löschen
hätten und nicht anderswo publizieren oder vertreiben dürften.

B.
Gegen diese Verfügung erhoben X.________ und Z.________ Beschwerde, auf
welche das Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht (3. Kammer), mit
Urteil vom 26. März 2007 nicht eintrat.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Mai 2007 beantragen X.________ und
Z.________ dem Bundesgericht die Aufhebung des Nichteintretensentscheides und
die Rückweisung der Sache zur Beurteilung.

Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Bei der Klage auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen zum Schutz der
Persönlichkeit vor widerrechtlicher Verletzung (Art. 28c ZGB) geht es um eine
Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) nicht vermögensrechtlicher Natur. Beim
angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid gemäss
Art. 93 BGG. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG) liegt insoweit auf der Hand, als selbst eine spätere Abweisung des
Gesuchs die Nachteile des Publikationsverbots nicht rückwirkend zu beseitigen
vermag. Insoweit ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig.

1.2 Mit Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die
Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das
Gleiche gilt betreffend Entscheide über die vorläufige Anordnung
vorsorglicher Massnahmen.

2.
Das Obergericht ist auf das Rechtsmittel der Beschwerdeführer nicht
eingetreten mit der Begründung, dass die vor ihrer Anhörung vorläufig
angeordneten Massnahmen nicht weiterziehbar seien. Die Beschwerdeführer
erblicken darin Willkür (Art. 9 BV) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und der Rechtsweggarantie gemäss Art.
29a BV und Art. 6 EMRK.

3.
Gemäss § 294 ZPO/AG kann der Richter im Falle dringender Gefahr schon vor
Anhörung der Gegenpartei vorläufige Massnahmen treffen und nötigenfalls deren
Vollstreckung anordnen (Abs. 1), die mit der Rechtskraft über das gestellte
Begehren dahinfallen (Abs. 2). Es handelt sich dabei um sog.
superprovisorische Verfügungen (Bühler/ Edelmann/Killer, Kommentar zur
aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 1 zu § 294 ZPO/AG). Die
Anordnung vorläufiger Massnahmen wird nicht rechtskräftig, kann aber vom
Richter jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden. Anordnungen oder
Ablehnung vorläufiger Massnahmen sind nicht weiterziehbar (Bühler/Edelmann/
Killer, a.a.O., N. 5 und 6 zu § 294 ZPO/AG).

3.1 Die Beschwerdeführer rügen Willkür, weil Abs. 3 von § 294 ZPO
ausdrücklich den Weiterzug solcher Entscheide vorsehe. § 294 Abs. 3 ZPO
lautet: "Wird dieser Entscheid mit Beschwerde angefochten, kann der
Instruktionsrichter des Obergerichts auf Gesuch hin vorläufige Massnahmen
treffen." Mit Entscheid ist nicht die superprovisorische Anordnung gemäss
Abs. 1 gemeint, sondern der Entscheid über das gestellte Begehren im Sinne
von Abs. 2, mit dem die vorläufige Anordnung entfällt. Wird demnach das
summarische Verfahren vor Obergericht hängig, prüft der obergerichtliche
Instruktionsrichter auf Antrag der betroffenen Partei auch den
erstinstanzlichen Entscheid betreffend die superprovisorische Verfügung. Der
obergerichtliche Instruktionsrichter kann auf Gesuch hin auch seinerseits
vorläufige Massnahmen anordnen (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N. 6 zu § 294
ZPO/AG). Die Willkürrüge beruht auf einem Missverständnis von § 294 Abs. 2
ZPO/AG und ist unbegründet.

3.2 Weiter erblicken die Beschwerdeführer im Fehlen eines kantonalen
Weiterzugs eine Verletzung der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV. Nach dieser
Bestimmung hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung
durch eine richterliche Behörde, wobei Bund und Kantone durch Gesetz die
richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen können. Der Anspruch
auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde bedeutet nicht zwangsläufig,
dass eine Rechtsmittelinstanz zur Verfügung stehen muss. Handelt es sich bei
der zuständigen Behörde um eine Administrativbehörde, mithin um eine
nichtrichterliche Behörde, bedeutet die Rechtsweggarantie allerdings
notgedrungen, dass eine richterliche Rekursinstanz zur Verfügung stehen muss
(vgl. Walter Kälin, Die Bedeutung der Rechtsweggarantie für die kantonale
Verwaltungsjustiz, AJP 1999, S. 54). Handelt es sich aber bei der zuständigen
Behörde - hier die Gerichtspräsidentin von Rheinfelden - um eine richterliche
Behörde, ist der Rechtsweg selbstredend garantiert. Die Rüge erweist sich als
unbegründet.

3.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verlangt auch der
verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)
keinen Weiterzug, von dem diese offenbar die Heilung des erstinstanzlich
verweigerten rechtlichen Gehörs erwarten. Die Frage ist vielmehr, ob eine
Gehörsverletzung im Umstand zu erblicken ist, dass solche Anordnungen ohne
vorgängige Anhörung des Gesuchsgegners ergehen. Nun gehört es zum Wesen der
superprovisorischen Massnahmen, dass sie ohne vorgängige Anhörung des
Gesuchsgegners ergehen, liesse sich doch anders der dringlichen Gefahr nicht
begegnen (vgl. BGE 106 la 4 E. 2a/bb S. 6). Die fehlende
Verteidigungsmöglichkeit des Gesuchsgegners wird dadurch ausgeglichen, dass -
in Abweichung von der Verhandlungsmaxime (vgl. Oscar Vogel/Karl Spühler,
Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl., Bern 2006, 6. Kap. Rzn. 21 und
23) - alle Tatsachenbehauptungen des Gesuchstellers als bestritten gelten und
alle rechtserheblichen Tatsachen von diesem glaubhaft dazulegen sind (vgl.
Isaak Meier, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, Zürich 1983, S.
225). Das rechtliche Gehör wird dem Gesuchsgegner - zeitlich verzögert, aber
sobald wie möglich - gewährt, um zu überprüfen, ob sich die Massnahme
rechtfertigt (vgl. Art. 28d Abs. 1 und 2 ZGB), wobei nach der ZPO/AG dem
Gesuchsgegner eine möglichst kurze Frist für die Erstattung der
Gesuchsantwort angesetzt wird (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N. 3 lit. d zu
§ 294 ZPO/AG). Die Beschwerdeführer können aus dem Hinweis auf den Anspruch
auf rechtliches Gehör nichts für sich ableiten.

3.4 Soweit sich die Beschwerdeführer über eine unzulässig lange Dauer der
superprovisorischen Verfügung beschweren, kann darauf nicht eingetreten
werden. Abgesehen davon, dass diesbezüglich (unzulässige) Noven vorgebracht
werden (vgl. Art. 99 BGG), richtet sich diese Rüge nicht gegen den
obergerichtlichen Entscheid. Der Sache nach handelt es sich um eine
Rechtsverzögerungsbeschwerde, für deren Behandlung, wenn sie gegen einen
Gerichtspräsidenten gerichtet ist, das Obergericht zuständig ist (Art. 80
GOG/AG; Bühler/ Edelmann/Killer, a.a.O., N. 3 zu Vorbem. zu §§ 317-351
ZPO/AG). Insoweit fehlt es an der Letztinstanzlichkeit (Art. 75 Abs. 1 BGG)
und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang tragen die Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung (Art. 65
Abs. 3 lit. a, Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Parteientschädigungen sind keine zu
sprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht (3. Kammer), schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: