Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.197/2007
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5A_197/2007 /bnm

Urteil vom 31. August 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Maître Leila Roussianos,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Daniel Buchser,

Ehescheidung,

Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, vom 15. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (Ehemann) und Y.________ (Ehefrau) heirateten am 25. April 2000
in Teheran/Iran. Mit Klage vom 8. Juni 2004 stellte Y.________ beim
Bezirksgericht Kulm das Begehren auf Scheidung. Das Bezirksgericht Kulm
entschied am 19. September 2006, dass die Ehe der Parteien gestützt auf Art.
114 ZGB geschieden und die elterliche Sorge für die Tochter Z.________
(geboren 2005) der Mutter zugeteilt werde. Weiter nahm das Bezirksgericht vom
noch nicht rechtskräftigen Entscheid des Amtsgerichtspräsidiums Olten-Gösgen
Vormerk, wonach X.________ nicht der Vater des Kindes sei; die Regelung der
Kinderbelange sei gegebenenfalls zu ergänzen. Sodann stellte das
Bezirksgericht fest, dass sich die Parteien gegenseitig keine persönlichen
Unterhaltsbeiträge schuldeten und güterrechtlich auseinandergesetzt seien.

B.
Gegen das Urteil des Bezirksgerichts erhob X.________ Appellation und stellte
im Wesentlichen sinngemäss die Anträge, die Scheidungsklage sei abzuweisen,
und es seien ihm die elterliche Sorge für die Tochter Z.________ ab
vollendetem 7. Altersjahr zuzuteilen sowie ihm vorher ein Besuchsrecht zu
gewähren. Mit Urteil vom 15. Februar 2007 hob das Obergericht des Kantons
Aargau (Zivilgericht, 2. Kammer) die erstinstanzliche Regelung betreffend die
Kinderbelange von Amtes wegen ersatzlos auf, weil das Kindesverhältnis
zwischen X.________ und dem Kind mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil
des Amtsgerichtspräsidiums Olten-Gösgen vom 27. Juli 2006 aufgehoben war. Das
Obergericht wies im Weiteren die Appellation ab, soweit darauf eingetreten
wurde.

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 3. Mai 2007 Beschwerde in Zivilsachen und
beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die
Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen. Weiter
verlangt er unentgeltliche Rechtspflege.

Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzliches kantonales Urteil, das die
Scheidung der Parteien und damit eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache
(Art. 72 Abs. 1 BGG) zum Gegenstand hat. Die frist- und formgerechte
Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig.

1.2 Mit Beschwerde kann gerügt werden, ausländisches Recht sei nicht
angewendet worden, wie es das schweizerische internationale Privatrecht
vorschreibt (Art. 96 lit. a BGG). Die Rüge des Beschwerdeführers, das
Obergericht habe auf die Scheidung schweizerisches statt iranisches Recht
angewendet, ist zulässig.

2.
Das Obergericht ist in Bezug auf das für die Scheidung massgebliche Recht zum
Schluss gekommen, dass die Parteien nicht unter den persönlichen
Anwendungsbereich des schweizerisch-iranischen Niederlassungsabkommens von
1934 fallen würden. Die Ehescheidung der Parteien unterstehe gemäss IPRG dem
schweizerischen Recht und die Beschwerdegegnerin könne die Scheidung
verlangen, da die Frist gemäss Art. 114 ZGB abgelaufen sei.

Der Beschwerdeführer kritisiert (einzig), dass die Bestimmung des auf die
Scheidung anwendbaren Rechts staatsvertragliche Regeln verletze. Er macht
geltend, die Beschwerdegegnerin habe auf das Schweizer Bürgerrecht verzichtet
und besitze einzig die iranische Staatsangehörigkeit, weshalb das Obergericht
die Anwendbarkeit des Abkommens von 1934 zu Unrecht verneint habe; im Übrigen
sei das Abkommen anwendbar, selbst wenn die Beschwerdegegner auch die
schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen würde. Die Nichtanwendung des
Abkommens verstosse auch gegen Art. 17 IPRG, zumal die Bestimmungen des
iranischen Zivilgesetzbuches nicht auf ihre Unvereinbarkeit mit dem
schweizerischen Ordre public überprüft worden seien.

3.
Umstritten ist, ob auf die Scheidung der Parteien iranisches Recht  anwendbar
ist. Das Obergericht hat zu Recht ein internationales Verhältnis angenommen,
zumal feststeht, dass (zumindest) der Beschwerdegegner iranischer
Staatsangehöriger ist. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts sind die
Regeln des IPRG massgebend, wobei die völkerrechtlichen Verträge vorbehalten
sind (Art. 1 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 IPRG). Zunächst ist zu prüfen, welche
Bedeutung dem Niederlassungsabkommen zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien vom 25. April 1934
(SR 0.142.114.362) zukommt.

3.1 Der massgebende Art. 8 Abs. 3 und 4 des Abkommens hat folgenden Wortlaut:
"[3] In Bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht bleiben die
Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile im Gebiete des anderen
Teils den Vorschriften ihrer Heimatgesetzgebung unterworfen. Es kann von der
Anwendung dieser Gesetze durch den andern Teil nur in besonderen Fällen und
insofern abgewichen werden, als dies allgemein gegenüber jedem andern fremden
Staat geschieht.

[4] Die hohen vertragschliessenden Teile sind darüber einig, dass das
Personen-, Familien- und Erbrecht, d.h. das Personalstatut, folgende Materien
umfasst: die Ehe, das eheliche Güterrecht, die Ehescheidung, die Trennung,
die Mitgift, (...), ferner alle andern Angelegenheiten des Familienrechts mit
Einschluss aller den Personenstand betreffenden Fragen."
Nach diesen Bestimmungen des Abkommens richtet sich die Scheidung iranischer
Staatsangehöriger in der Schweiz nach ihrem iranischen Heimatrecht. Mit Bezug
auf den persönlichen Anwendungsbereich spricht das Abkommen lediglich von
"Angehörigen eines Vertragsstaates", ohne zu regeln, ob es auch auf Personen
mit iranischer und schweizerischer Staatsangehörigkeit anzuwenden ist. Das
Bundesgericht hat die Frage in BGE 85 II 153 (E. 7 S. 168) offen gelassen. Da
der Staatsvertrag keine ausdrückliche Regeln in Bezug auf
Staatsangehörigkeitskonflikte vorsieht, ist zu prüfen, ob die Lösung durch
Auslegung des Abkommens entnommen werden kann (vgl. Art. 31 ff. des Wiener
Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969; SR 0.111).

3.2 Die in Art. 8 des Abkommens von 1934 vorgesehene Kollisionsregel steht im
Rahmen eines Niederlassungsvertrages, wie er damals von Persien mit
verschiedenen Staaten zur gegenseitigen Meistbegünstigung abgeschlossen wurde
(Aghababian, Législation iranienne actuelle intéressant les étrangers et les
iraniens à l'étranger, Teheran 1939, S. 20). Zweck des Abkommens und dessen
Art. 8 ist es, die Rechtslage der Schweizer im Iran und der Iraner in der
Schweiz zu verbessern, indem sie eine Behandlung geniessen, welche den
Angehörigen der meistbegünstigten Nation gewährt wird (vgl. BBl 1934 III S.
157 und 160; Art. 1 Abs. 2 des Abkommens; Dutoit/Knoepfler/ Lalive/Mercier,
Répertoire de droit international privé suisse, Bd. III, Bern 1986, N. 4 zu
Art. 8, S. 169). Sinn der Kollisionsregel in Art. 8 Abs. 3 des Abkommens ist
hingegen nicht, dass die Vertragsparteien im eigenen Land auf die Anwendung
des heimatlichen Rechts auf die eigenen Staatsangehörigen zugunsten des
Heimatrechts des anderen Vertragsstaates hätten verzichten wollen (vgl.
Stauffer, Praxis zum NAG, Zürich 1975, S. 143). Zu Recht vertreten daher
Dutoit/Knoepfler/ Lalive/Mercier (a.a.O.) die Auffassung, dass (in Ehesachen)
das Abkommen in der Schweiz nur auf Ehepaare mit ausschliesslich iranischer
Staatsangehörigkeit und im Iran nur auf Ehepaare mit ausschliesslich
schweizerischer Staatsangehörigkeit anwendbar ist. Diese Meinung wird von der
Lehre bestätigt, wonach Art. 8 des Abkommens in der Schweiz nur Anwendung
findet, wenn die unmittelbar beteiligten Prozessparteien ausschliesslich die
iranische Staatsangehörigkeit besitzen (Dutoit, Commentaire de la loi
fédérale du 18 décembre 1987, 4. Aufl., Basel 2005, N. 16 zu Art. 44 IPRG;
Jametti Greiner/ Geiser, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht,
2. Aufl., Basel 2007, N. 9 zu Art. 37 IPRG; Siehr, in: Zürcher Kommentar zum
IPRG, 2. Aufl., Zürich 2004, N. 3 zu Art. 68 IPRG; Bucher, Le couple en droit
international privé, Basel 2004, Rz. 15, S. 7, mit Hinweis auf Stauffer,
a.a.O.).
3.3 Im Übrigen wurde das Abkommen nach dem Muster des vom Kaiserreich Persien
bereits im Jahre 1929 mit dem Deutschen Reich getroffenen
Niederlassungsabkommens geschlossen (BBl 1934 III S. 158), welches einen im
Wesentlichen gleichlautenden Art. 8 nebst Schlussprotokoll enthält. Nach
Rechtsprechung und Lehre kommen diese Vorschriften ebenfalls nur auf rein
deutsche Ehepaare im Iran und auf rein iranische Ehepaare in Deutschland zur
Anwendung (Mankowski, in: Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
Art. 13-17b EGBGB, Berlin 2003, N. 5 und 5a zu Art. 14, N. 4 zu Art. 17
EGBGB, mit Hinweisen). Zur Begründung wird ebenfalls auf den Zweck des
Abkommens hingewiesen: Besitzt eine Person sowohl die deutsche als auch die
iranische Staatsangehörigkeit, so geniesst sie bereits aufgrund der doppelten
Staatsangehörigkeit Recht und Schutz beider Staaten, so dass eine Regelung
solcher Fälle durch das Abkommen nicht erforderlich ist (Coester-Waltjen, The
German Conflict of Laws Rules and the Application of Foreign Law in German
Courts, in: Basedow/Yassari [Hrsg.], Iranian Family and Succession Laws and
their Application in German Courts, Tübingen 2004, S. 6). Es besteht kein
Anlass, das mit der Schweiz abgeschlossene Abkommen in abweichender Weise
auszulegen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn das
Obergericht angenommen hat, dass das schweizerisch-iranische Abkommen auf die
vorliegende Scheidung nur Anwendung findet, wenn beide Parteien
ausschliesslich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen.

3.4 Die iranische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers steht ausser
Frage. Die Vorinstanz hat - für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs.
1 BGG) - festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin Schweizer Bürgerin ist.
Der Einwand des Beschwerdeführers, seine Ehefrau habe vor den iranischen
Behörden auf die schweizerische Staatsangehörigkeit verzichtet, ist eine
unzulässige Kritik am Sachverhalt. Im Übrigen könnte die Entlassung aus dem
Schweizer Bürgerrecht nur von der Behörde des Heimatkantons ausgesprochen
werden (vgl. Art. 42 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb
und Verlust des Schweizer Bürgerrechts; SR 141.0), wofür es hier keinen
Anhaltspunkt gibt. Ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf das iranische
Zivilgesetzbuch von Gesetzes wegen die iranische Staatsangehörigkeit erworben
hat (vgl. Art. 976 Ziff. 6 des iranischen ZGB; Bergmann/Ferid,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, Stand: 2002, S. 13 und 16
f.), braucht nicht weiter erörtert zu werden. Da die Parteien jedenfalls
nicht ausschliesslich die iranische Staatsangehörigkeit haben, hat das
Obergericht zu Recht angenommen, dass sie nicht unter den persönlichen
Anwendungsbereich des Abkommens fallen.

3.5 Das Obergericht hat weiter das auf die Scheidung anwendbare Recht nach
IPRG bestimmt, da kein Staatsvertrag vorgeht. Es ist in Anwendung von Art. 61
Abs. 1 IPRG zum Ergebnis gelangt, dass für die Scheidung der Parteien
schweizerisches Recht massgebend ist. Dies stellt der Beschwerdeführer nicht
in Frage. Hingegen rügt er, das Obergericht habe dem iranischen Recht die
Anwendung versagt, ohne dessen Unvereinbarkeit mit dem schweizerischen Ordre
public zu überprüfen. Die Rüge geht ins Leere. Wohl enthält das Abkommen in
Art. 8 Abs. 3 einen Ordre public-Vorbehalt (BGE 129 III 250 E. 3.1 S. 252).
Ebenso wird nach Art. 17 IPRG das Ergebnis der zur Anwendung berufenen
ausländischen Rechtssätze überprüft. Das Eingreifen des materiellen Ordre
public setzt indessen voraus, dass in der Sache ausländisches Recht anwendbar
ist (BGE 129 III 250 E. 3.4.2 S. 255). Vorliegend ist auf die Scheidung der
Parteien weder nach dem Niederlassungsabkommen noch nach den Kollisionsregeln
des IPRG iranisches Recht anwendbar; vielmehr ist schweizerisches Recht
massgebend. Unter diesen Umständen hat das Obergericht zu Recht keinen Anlass
gesehen, die Bestimmungen des iranischen ZGB auf ihre Vereinbarkeit mit dem
schweizerischen Ordre public zu überprüfen.

3.6 Nach dem Dargelegten erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers,
ausländisches Recht sei nicht angewendet worden, wie es das schweizerische
internationale Privatrecht vorschreibt, als unbegründet.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer
die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht
zu sprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist und der
Beschwerdegegnerin keine Kosten entstanden sind (Art. 68 BGG). Die
Voraussetzungen, um dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege zu
bewilligen, sind erfüllt (Art. 64 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen, und es wird ihm Maître Leila Roussianos als Rechtsbeistand
beigegeben.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt,
einstweilen jedoch auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4.
Maître Leila Roussianos wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr.
1'000.-- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. August 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: