Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.114/2007
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5A_114/2007 /bnm

Urteil vom 27. Juni 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

1.X.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Audétat,

gegen

1.S.________,
2.T.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Zinsli,

Besitzesschutz,

Beschwerde in Zivilsachen gegen die Verfügung des Kantonsgerichts von
Graubünden, Kantonsgerichtspräsidium, vom 31. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 1652 auf A.________ in
der Gemeinde B.________, welches an die im Eigentum von S.________ stehenden
Grundstücke Nr. 1682 und 1639 grenzt. T.________ ist Eigentümer des
Grundstücks Nr. 1644, welches ebenfalls an das Grundstück Nr. 1652 grenzt. Zu
Lasten des Grundstückes Nr. 1652 und zu Gunsten der Grundstücke Nr. 1639 und
Nr. 1644 bestehen gemäss Grundbuchbeleg Nr. 164/1973 eine Reihe von
Eigentümerdienstbarkeiten, darunter auch Garage- und
Parkplatzbenützungsrechte. Im Jahre 1988 erstellte X.________ auf ihrem
Grundstück ein Zweifamilienhaus und baute daran drei getrennte Garagen mit je
einem eigenen Zugangstor an. T.________ wurde als Berechtigter des
Benutzungsrechts an den Garagen Nr. 2 und 3 bezeichnet.

A.b Seit Frühjahr 2006 bestehen zwischen der dienstbarkeitsbelasteten
Eigentümerin und dem Dienstbarkeitsberechtigten Differenzen über den Zutritt
zu den Garagen. Als die Schliessverstrebungen und Schlosszylinder an den
Garagen entfernt worden waren, gelangten S.________ und T.________ Mitte Juni
2006 an den Kreispräsidenten B.________ mit einem Gesuch um Beweissicherung,
welchem umgehend stattgegeben wurde. Als die von ihnen Anfang Juli 2006 neu
angebrachten Schliessverstrebungen und Schlosszylinder erneut entfernt worden
waren, ersuchten sie wiederum um Beweissicherung, welche am 12. Juli 2006
stattfand.

B.
Auf Ersuchen von S.________ und T.________ erliess der Kreispräsident
B.________ am 30. Oktober 2006 einen Amtsbefehl. Er verpflichtete X.________
und ihren Ehegatten Y.________ bis am 22. November 2006 die am 8./9. Juli
2006 von den Garagen Nr. 2 und Nr. 3 entfernten Schliessverstrebungen und
Schlosszylinder wieder voll funktionsfähig an die jeweiligen Tore einzubauen,
die weiteren Schäden zu beheben sowie künftige Störungen zu unterlassen. Das
Kantonsgerichtspräsidium Graubünden wies die dagegen erhobene Beschwerde mit
Verfügung vom 31. Januar 2007 ab. Die im Amtsbefehl festgesetzten Fristen
wurden nunmehr auf den 12. März 2007 angesetzt.

C.
X. ________ und Y.________ sind mit Beschwerde in Zivilsachen, eventuell
Verfassungsbeschwerde vom 28. März 2007 an das Bundesgericht gelangt. Sie
beantragen die Aufhebung der kantonsgerichtlichen Verfügung und die Anweisung
an die Vorinstanz, den Sachverhalt neu festzustellen, Bundesprivatrecht im
Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen anzuwenden und sämtliche amtlichen
und ausseramtlichen Kosten des kantonalen Verfahrens den Beschwerdegegnern
aufzuerlegen.

Der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der
Beschwerde, eventuell Verfassungsbeschwerde aufschiebende Wirkung im Sinne
der Erwägungen zuerkannt.

In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die angefochtene Verfügung ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über
das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb das
neue Recht anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Der Erlass des Amtsbefehls schliesst das Verfahren ab, weshalb die
daraufhin im kantonalen Verfahren ergangene Beschwerdeverfügung einen
Endentscheid darstellt (Art. 90 BGG). Die Klage aus Besitzesstörung wegen
verbotener Eigenmacht nach Art. 928 f. ZGB gehört zu den Zivilsachen mit
Vermögenswert. Strittig ist vorliegend die Verfügungsberechtigung der
belasteten Eigentümerin gegenüber dem Dienstbarkeitsberechtigten. Der Hinweis
der Vorinstanz auf die analoge Zutrittsregelung im Mietrecht lässt die Sache
- entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht zu einer mietrechtlichen
werden. Die Beschwerde in Zivilsachen ist demnach nur gegeben, wenn die
Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- erreicht wird (Art. 72 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) oder sich eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).

1.3 Der Streitwert berechnet sich nach den Begehren, die vor der Vorinstanz
strittig geblieben sind (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Vorliegend ging es um
den Wiedereinbau von Schliessverstrebungen und Schlosszylinder, um die
Behebung des bei der Entfernung derselben an den Garagetoren entstandenen
Schadens und um die Unterlassung künftiger Störungen an den Garagen. Zwar
findet sich in der angefochtenen Verfügung kein Hinweis auf die hiefür
entstehenden Aufwendungen und Nachteile. Dass die gesetzliche
Streitwertgrenze vorliegend nicht erreicht wird, wie die Vorinstanz bei der
Rechtsmittelbelehrung anführt (Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG), kann jedoch ohne
weiteres angenommen werden. Nicht Gegenstand des Verfahrens bildete zudem ein
allfälliger Ersatz des Schadens für die eingeschränkte Nutzung der beiden
Garagen, wie er von den Beschwerdeführern berechnet wird.

1.4 Der Beschwerdeführer hat auszuführen, inwiefern sich eine Frage von
grundsätzlicher Bedeutung stellt. Es kann nicht die Aufgabe des
Bundesgerichts sein, selber nach solchen Gründen zu suchen. Es wird sich hier
im Wesentlichen auf die Argumentation des Beschwerdeführers abstützen können.
Hingegen muss dieser nicht nachweisen, dass eine Frage von grundsätzlicher
Bedeutung auch tatsächlich gegeben ist (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001, S. 4295).

Die Beschwerdeführer sehen vorliegend eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung gegeben, da die Vorinstanz ihren Entscheid im Wesentlichen auf die
Anwendbarkeit mietrechtlicher Grundsätze im Dienstbarkeitsrecht gestützt
habe. Ob diese Sichtweise bereits für die Annahme einer Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung genügt, kann letztlich offen bleiben. Die
sorgfältige Lektüre der angefochtenen Verfügung ergibt nämlich einen anderen
Begründungsansatz als die Beschwerdeführer behaupten. Die Vorinstanz führte
an, dass der Inhalt der Dienstbarkeit klar sei und die Beschwerdegegner die
Garagen Nr. 2 und 3 während längerer Zeit benutzt haben. Gemäss dem
Dienstbarkeitsvertrag stehe den Berechtigten der betreffende Parkplatz
beziehungsweise die Garage zu alleiniger und ausschliesslicher Benutzung zu.
Dieser Formulierung sei klar und entspreche der aktuellen baulichen
Situation. Es handle sich um abschliessbare Einzelgaragen. Obwohl die
Bausubstanz der Eigentümerin gehöre, umfasse das alleinige Verfügungsrecht
des Dienstbarkeitsberechtigten selbstredend auch das Garagentor mit der
Schliessvorrichtung. Alsdann weist die Vorinstanz erst auf die mietrechtliche
Regelung hin, wonach der Vermieter keinen Anspruch auf einen Schlüssel habe,
wenn ein umschlossener Raum Vertragsgegenstand sei. Das Zutrittsrecht für
nötige Besichtigungen und Arbeiten gemäss Art. 257h OR erfordere nur die
Hinterlegung eines Schlüssels bei Abwesenheit. Dies entspreche zudem der
schonenden Ausübung der Dienstbarkeit nach Art. 737 Abs. 2 ZGB. Daraus ergibt
sich, dass die Vorinstanz bei der Frage, ob der Eigentümer einen Schlüssel
zurückbehalten darf, zwar auch auf das Mietrecht verwiesen hat, dies aber
gleichsam zur Abrundung seiner Begründung getan hat. Damit geben die
Beschwerdeführer den mietrechtlichen Ausführungen der Vorinstanz eine
Bedeutung, die ihnen in keiner Weise zukommt. Im Übrigen legen die
Beschwerdeführer auch nicht dar, inwiefern hier eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung vorliegen könnte. Ebenso wenig wird eine andere vom
Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage im Sinne des Gesetzes rechtsgenüglich
behauptet und begründet. Dass die Beschwerdeführer - nicht zuletzt im
Hinblick auf ein Strafverfahren - eine Klärung der Rechtslage wünschen,
verschafft ihnen noch keinen Anspruch auf ein Rechtsmittel.

1.5 Nach dem Gesagten kann auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht
eingetreten werden, da weder der erforderliche Streitwert gegeben ist, noch
sich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt.

1.6 Damit bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die
Verfassungsbeschwerde gegeben sind. Diese wurde in der gleichen Rechtsschrift
mit der ordentlichen Beschwerde erhoben (Art. 119 Abs. 1 BGG). Die
angefochtene kantonale Verfügung erweist sich als letztinstanzlich (Art. 113
BGG). Die Beschwerdeführer machen die Verletzung verfassungsmässiger Rechts
geltend (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 9 BV; Art. 116 BGG). Die
Verfassungsbeschwerde steht demnach im konkreten Fall zur Verfügung. Das
Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten indes nicht von Amtes
wegen, sondern nur, soweit eine solche gerügt und begründet wird (Art. 106
Abs. 2 BGG). Die Begründungspflicht lehnt sich bei der Verfassungsbeschwerde
an die für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Anforderungen an
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; Botschaft, a.a.O., S. 4294). Demnach prüft das
Bundesgericht auch weiterhin nur klar und einlässlich erhobene und, soweit
möglich, belegte Rügen. Hingegen tritt es auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid nicht ein. Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung
des Willkürverbotes geltend, muss er anhand des angefochtenen Entscheides im
Einzelnen darlegen, inwiefern dieser im Ergebnis an einem qualifizierten
Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3). Allgemeine Einwendungen gegen den
angefochtenen Entscheid und Ausführungen zur Arbeitsweise der Vorinstanz
werden hingegen nicht berücksichtigt.

2.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29
Abs. 2 BV). Sie machen geltend, die Vorinstanz habe eine ganze Reihe ihrer
Vorbringen übergangen und sich vor allem die Ansichten der Gegenpartei zu
eigen gemacht.

2.1 Da die Beschwerdeführer sich nicht auf kantonales Recht berufen, ist die
Begründungspflicht einzig aufgrund von Art. 29 Abs. 2 BV zu prüfen. Nach
ständiger Praxis des Bundesgerichts genügt es, wenn aus dem Entscheid
hervorgeht, weshalb die Behörde nicht im Sinne des Betroffenen entschieden
hat. Er muss sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können,
um ihn auch sachgerecht anfechten zu können. In diesem Sinn sind wenigstens
kurz die Überlegungen anzuführen, von denen sich die Behörde leiten liess und
auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 129 I 232 E. 3.2 mit Hinweisen).

2.2 Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer hat sich die Vorinstanz
sehr wohl mit ihren Vorbringen in der kantonalen Beschwerde auseinander
gesetzt. So geht aus der angefochtenen Verfügung hervor, unter welchen
Voraussetzungen die Auslegung einer Dienstbarkeit im Befehlsverfahren bzw. im
ordentlichen Verfahren vor dem Zivilrichter vorgenommen werden kann. Ebenso
findet sich darin eine Begründung zur analogen Anwendbarkeit des Mietrechts.
Im Weiteren weist die Vorinstanz auf die Beschwerdeführer als Urheber der am
8./9. Juli 2006 vorgenommenen Entfernung der Schlösser und der
Schliessanlagen an den Garagentoren der Beschwerdegegner hin. Zugleich zeigt
sie auf, dass die anderen Schäden an den Garagentoren durch diese
Veränderungen entstanden sind, womit sie auch die Urheber und den Zeitpunkt
fest hält. Insgesamt wird die Rüge der ungenügenden Begründung im Sinne einer
Gehörsverletzung damit wider besseres Wissen erhoben.

3.
Zudem werfen die Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, den Sachverhalt in
verschiedener Hinsicht willkürlich gewürdigt zu haben (Art. 9 BV).

3.1 Soweit sie dabei bestreiten, am 8./9. Juli 2006 die Schlösser und die
Schliessanlagen entfernt zu haben, begnügen sie sich mit der Schilderung der
eigenen Sicht der Dinge. Auf die vorinstanzliche Feststellung, dass sie in
der kantonalen Beschwerdeschrift ihre Täterschaft nicht bestritten haben,
gehen sie hingegen nicht ein. Damit kann auf diese Rüge mangels
rechtsgenüglicher Begründung nicht eingetreten werden (E. 1.6).
3.2 Der Nachweis des Schadens an den beiden Garagentoren wird von den
Beschwerdeführern ebenfalls bestritten. Nach Ansicht der Vorinstanz gehen die
Schäden auf das Entfernen der Schlösser zurück. Weshalb dem nicht so sein
sollte, begründen die Beschwerdeführer nicht. Daher kann auch auf diese Rüge
eingetreten werden.

4.
Nach dem Gesagten ist der Verfassungsbeschwerde kein Erfolg beschieden. Da
dem Gesuch um aufschiebende Wirkung stattgegeben worden war, ist die von der
Vorinstanz auf den 12. März 2007 festgelegte Frist neu anzusetzen.
Ausgangsgemäss tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu gleichen
Teilen und solidarisch (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG). Den
Beschwerdegegnern, die hinsichtlich dem Gesuch um aufschiebende Wirkung
unterlegen sind, werden keine Gerichtskosten angelastet. Hingegen tragen sie
ihre Parteikosten selber (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Frist für die Ausführungen der Anordnungen gemäss Amtsbefehl vom 30.
Oktober 2006 wird auf den 31. Juli 2007 festgesetzt.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtspräsidium, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juni 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: