Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.530/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_530/2007 /len

Urteil vom 14. Mai 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

ProLitteris, Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und
bildende Kunst,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Magda Streuli-Youssef.

Gegenstand
Urheberrecht,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 11. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Dr. A.________ (Beschwerdeführer) betreibt in Zürich ein Anwaltsbüro. Die Pro
Litteris (Beschwerdegegnerin) ist die Schweizerische Urheberrechtsgesellschaft
für Literatur und bildende Kunst, eine der konzessionierten schweizerischen
Verwertungsgesellschaften im Sinne von Art. 40 ff. URG. Sie schickte dem
Beschwerdeführer am 13. Oktober 2006 eine "Letzte Mahnung für Reprographie- und
Netzwerk-Vergütungen" bzw. eine "Mahnung vor Klage" mit der Aufforderung,
insgesamt Fr. 302.05 zu bezahlen. Weitere Mahnungen für
"Photokopier-Entschädigungen" und "Betriebsinterne Netzwerk-Entschädigungen"
für das Jahr 2007 über Fr. 51.20 bzw. Fr. 23.05 gingen dem Beschwerdeführer
unter dem Datum vom 17. Oktober 2007 zu.

B.
Am 31. Oktober 2006 reichte der Beschwerdeführer beim Obergericht des Kantons
Zürich eine negative Feststellungsklage ein mit dem Antrag, es sei
festzustellen, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin aus
Urheberrecht (Art. 20 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. c URG) keine
Vergütung schuldet. Die Beschwerdegegnerin beantragte, es sei auf die Klage
mangels Substantiierung und mangels eines Feststellungsinteresses nicht
einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Mit Beschluss vom 11. Dezember
2007 trat das Obergericht mangels Rechtsschutzinteresse auf die Klage nicht
ein. Ob das klägerische Rechtsbegehren hinreichend bestimmt sei, liess es
offen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Beschluss sowohl Beschwerde in
Zivilsachen an das Bundesgericht als auch kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an
das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Dieses trat mit Zirkulationsbeschluss
vom 6. März 2008 auf die Beschwerde nicht ein.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Beschluss des
Obergerichts sei aufzuheben, und die I. Zivilkammer des Obergerichts sei
anzuweisen, das dort vom Beschwerdeführer am 31. Oktober 2006 eingereichte
Klagebegehren weiterzubehandeln.
Die Beschwerdegegnerin und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Obergericht hat vorliegend als einzige kantonale Instanz im Sinne von Art.
64 URG entschieden. Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher unabhängig vom
Streitwert zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
2.1 Das Urheberrechtsgesetz regelt die Feststellungsklage ausdrücklich: Wer ein
rechtliches Interesse nachweist, kann gerichtlich feststellen lassen, ob ein
Recht oder Rechtsverhältnis nach diesem Gesetz vorhanden ist oder fehlt (Art.
61 URG). Das erforderliche Rechtsschutzinteresse an der Feststellungsklage
besteht grundsätzlich, wenn die Ungewissheit der Rechtsbeziehungen zwischen den
Parteien durch die richterliche Feststellung behoben werden kann und die
Fortdauer der Ungewissheit der klagenden Partei nicht zumutbar ist (betreffend
Art. 61 URG: Urteile 4A_55/2007 E. 5.2.1 [sic! 2008 209 ff.], 4C.138/2003 vom
25. August 2003 E. 2.1 [sic! 2004 301 ff.] und 4C.290/2001 vom 8. November 2002
E. 1.1 [sic! 2003 323 ff.]; ferner BGE 131 III 319 E. 3.5 S. 324 f.; 129 III
295 E. 2.4 S. 300; 123 III 49 E. 1a S. 51).

2.2 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 61 URG
vor. Sie habe selber ausgeführt, es könne ihm ein rechtliches Interesse an
einer Klärung der Rechtslage in seinem speziellen Fall nicht abgesprochen
werden. Gleichwohl sei sie nicht auf seine Klage eingetreten.
Die Vorinstanz hat vor dem Hintergrund, dass gegen den Beschwerdeführer eine
Forderung aus Reprographie- und Netzwerkentschädigungen der Jahre 2002 bis 2006
von Fr. 302.05, bei Hinzurechnung der abgemahnten Entschädigungen für das Jahr
2007 eine solche von Fr. 376.30 im Raum steht, eine ungewisse Rechtslage
bejaht, an deren Klärung der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse habe.
Indessen verbiete sich die Annahme, dass das "Damoklesschwert der Ungewissheit"
ihn als Rechtsanwalt in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit dermassen
lähme, dass ein Zuwarten bis zu einer effektiven Klageerhebung als unzumutbar
erscheine. Unzumutbarkeit könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn eine
hohe Forderung im Raum stünde, so dass sich der Beschwerdeführer veranlasst
sehen könnte, Rückstellungen für den schlimmsten Fall einer dereinstigen
Zahlungsverpflichtung zu bilden. Davon könne hier angesichts der im Raum
stehenden Forderung im Ernst nicht die Rede sein.
Die Vorinstanz verneinte mithin, dass die Fortdauer der Ungewissheit für den
Beschwerdeführer nicht zumutbar sei. Damit hat sie Art. 61 URG nicht verletzt.
Insbesondere durfte sie das Kriterium der Unzumutbarkeit heranziehen, deckt
sich dies doch mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 61 URG (siehe
Erwägung 2.1).

2.3 Der Beschwerdeführer stellt denn auch nicht in Abrede, dass der Fortbestand
der Ungewissheit über seine Zahlungspflicht für ihn nicht unzumutbar sei. Er
macht jedoch geltend, bei seiner Klage gehe es nicht nur um ihn selbst, sondern
um eine ganze Berufskategorie, nämlich die freien Berufe. In seiner
Feststellungsklage mache er im Wesentlichen geltend, die freien Berufe seien
von den einschlägigen URG-Vorschriften über Vergütungsverpflichtungen
ausgenommen, und die sich daraus ergebende Vergütungsfreiheit werde von den
Verwertungsgesellschaften im Verhältnis zu einzelnen freien Berufen, im
Speziellen bei den Ärzten, in einer dem Gleichbehandlungsgebot widersprechenden
Weise auch respektiert. Zu klären sei mithin die eine Vielzahl von
Berufstätigen betreffende Frage, ob dieser klägerische Standpunkt einer
richterlichen Beurteilung standhalte.
Zur Wahrung fremder Interessen steht die Feststellungsklage nicht zur Verfügung
(Urteil 4C.290/2001 vom 8. November 2002 E. 1.3 in fine [sic! 2003 S. 323
ff.]). Ebenso wenig geht es an, mit der Feststellungsklage statt individueller
Rechtsbeziehungen allgemeine Rechtsfragen zu klären (BGE 122 III 279 E. 3a; 80
II 362 E. 3; Urteil 4C.138/2003 vom 25. August 2003 E. 2.3 [sic! 2004 S. 301
ff.]). Darauf läuft die Argumentation des Beschwerdeführers jedoch hinaus, wenn
er die allgemeine Rechtsfrage richterlich entschieden haben will, ob die freien
Berufe von der Vergütungspflicht nach den URG-Bestimmungen ausgenommen seien
und dies von den Verwertungsgesellschaften rechtsgleich beachtet werde. Dass
der Entscheid über seine Klage für eine Vielzahl weiterer Berufsangehöriger von
Bedeutung sein kann, vermag das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers an
der Feststellungsklage nicht zu begründen.

2.4 Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, es gehe nicht an, dass die
Beschwerdegegnerin sich das Recht anmasse, allein darüber zu befinden, wen sie
vor Gericht einklagen wolle und wen nicht. Auch aus dem Gebot der
Gleichbehandlung nach Art. 45 Abs. 2 URG lasse sich ableiten, dass sich die
Beschwerdegegnerin einer negativen Feststellungsklage zu stellen habe, denn
hierdurch werde - über den im Streit stehenden Einzelfall hinaus - für
gleichgelagerte Fälle eine Rechtsgrundlage geschaffen.
Auch diese Argumentation verfängt nicht. Wiederum ist festzuhalten, dass die
präjudizielle Wirkung eines materiellen Entscheids über die Feststellungsklage
das fehlende Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers nicht zu ersetzen
vermag.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung
ist nicht zu sprechen, da die Beschwerdegegnerin auf eine Vernehmlassung
verzichtet hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Mai 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Widmer