Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.509/2007
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4A_509/2007 /len

Urteil vom 28. Januar 2008

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiberin Hürlimann.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alfred Schütz,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Hagger.

GmbH; Verantwortlichkeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 29. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin) kaufte im Laufe des Jahres 1998 von
der Y.________ AG Geschäftsräumlichkeiten, die an die Z.________ GmbH
vermietet waren. Das Mietverhältnis wurde nach dem Eigentumsübergang bis zum
31. Januar 2001 fortgeführt.

A. ________ (Beschwerdegegner) war Gesellschafter und
einzelzeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Z.________ GmbH.

B.
Mit Verfügung des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirkes
Bülach vom 9. August 2001 wurde über die Z.________ GmbH der Konkurs
eröffnet. In diesem Konkursverfahren wurde eine Forderung der
Beschwerdeführerin in der Höhe von insgesamt Fr. 394'119.-- rechtskräftig
kolloziert. Allfällige Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber allen an der
Gesellschaftsgründung beteiligten und mit der Geschäftsführung und Kontrolle
betrauten Personen wurden inventarisiert und den Gläubigern unter Hinweis auf
den allen Gläubigern ausser der Beschwerdeführerin drohenden Totalverlust mit
Schreiben der Konkursverwaltung vom 31. Januar 2002 unter Vorbehalt der
Genehmigung des beantragten Verzichts auf die Geltendmachung durch die
Konkursmasse zur Abtretung angeboten. Am 18. Februar 2002 ermächtigte die
Konkursverwaltung die Beschwerdeführerin zur Geltendmachung dieser Ansprüche
an Stelle der Masse in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr.

C.
Am 21. März 2005 erhob die Beschwerdeführerin Klage beim Bezirksgericht
Bülach und beantragte, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihr Fr.
261'312.70 nebst Zins zu 5 % seit dem 10. März 2002 zu bezahlen und es sei
davon Vormerk zu nehmen, dass sich die Beschwerdeführerin das Nachklagerecht
ausdrücklich vorbehält.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2005 wies das Bezirksgericht Bülach die Klage
mangels hinreichender Substanziierung des geltend gemachten Schadens ab.

D.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen das Urteil beim Obergericht des Kantons
Zürich Berufung. Das Obergericht beschränkte das Prozessthema des
Berufungsverfahrens auf die Frage der Substanziierung des Schadens durch die
Beschwerdeführerin und wies die Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2007 ab. Es
kam zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin ihrer Obliegenheit nicht
nachgekommen sei, den durch die Verzögerung des Konkurses entstandenen
Schaden der Gesellschaft auf der Basis einer Bewertung der Aktiven und
Passiven der Unternehmung zu Liquidationswerten zu behaupten und zu beweisen.

E.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 3. Dezember 2007 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei die Beschwerde gutzuheissen und
das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Oktober 2007
aufzuheben (Ziff. 1). Weiter sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, der
Beschwerdeführerin aus Haftung für die Geschäftsführung hinsichtlich der
Z.________ GmbH den geltend gemachten Teilbetrag von Fr. 261'312.70 nebst
Zins zu 5 % seit 10. März 2002 zu bezahlen (Ziff. 2), und es sei davon
Vormerk zu nehmen, dass sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich das Recht
vorbehalte, gegen den Beschwerdegegner unter dem Titel der Haftung für die
Geschäftsführung hinsichtlich der Z.________ GmbH über den vorliegend geltend
gemachten Teilbetrag hinaus weitere Ansprüche anzumelden (Ziff. 3).
Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung in Bezug
auf das uneingeschränkte, von der Beschwerdeführerin mit Berufungseingabe vom
21. März 2006 gestellte Prozessthema zurückzuweisen (Ziff. 4). In
prozessualer Hinsicht verlangt die Beschwerdeführerin die Erteilung der
aufschiebenden Wirkung.
Der Beschwerdegegner stellt in seiner Antwort den Antrag, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

F.
Mit Präsidialverfügung vom 16. Januar 2008 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid ist in einer Zivilsache ergangen, so dass
grundsätzlich die Beschwerde in Zivilsachen gegeben ist (Art. 72 BGG). Sie
ist zulässig gegen den Entscheid des Obergerichts, das als obere kantonale
Instanz (Art. 75 BGG) verfahrensabschliessend (Art. 90 BGG) entschieden hat.
Der Instanzenzug ist erschöpft, da keine Rügen erhoben werden, die mit der
kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde (§§ 281 ff. ZPO ZH) vorgebracht werden
können.

2.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht sinngemäss vor, den Begriff des
Schadens der Gesellschaft im Sinn von Art. 757 Abs. 1 OR verkannt zu haben,
indem es für die Schadensberechnung anstelle der Fortführungswerte die
Liquidationswerte für massgebend hielt.

2.1 Die revidierten Bestimmungen über die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung sind am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Auf den vorliegenden Fall
findet jedoch das alte Recht Anwendung (Art. 1 Abs. 1 der
Übergangsbestimmungen der Änderung vom 16. Dezember 2005 i.V.m. Art. 1 SchlT
ZGB). Nach Art. 817 aOR i.V.m. Art. 725 Abs. 2 OR muss die Geschäftsführung
im Fall der Überschuldung der Gesellschaft grundsätzlich den Richter
benachrichtigen. Gemäss Art. 827 aOR i.V.m. Art. 754 Abs. 1 OR sind die
Geschäftsführer insbesondere der Gesellschaft für den Schaden verantwortlich,
den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten
verursachen; im Konkurs der Gesellschaft können die Gesellschaftsgläubiger
unter den Voraussetzungen von Art. 260 SchKG die Abtretung dieser Ansprüche
der Masse verlangen (vgl. auch Art. 757 OR).
Der Schaden, der der Gesellschaft dadurch entstanden ist, dass die
Geschäftsführung den Richter zu spät benachrichtigt hat, entspricht der
Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das
Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte. Besteht der Schaden in der
Vergrösserung der Verschuldung der Konkursitin, der durch eine verspätete
Konkurserklärung entstanden ist, so ist die tatsächlich eingetretene
Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei einem Konkurs
zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte (BGE 132 III 342 E. 2.3.3 S. 348, 564
E. 6.2 S. 575 f.). Da die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäss Art.
820 Ziff. 3 aOR durch die Eröffnung des Konkurses aufgelöst und die
Liquidation nach Art. 823 aOR i.V.m. Art. 740 Abs. 5 OR nach den Vorschriften
des Konkursrechts vorgenommen wird, berechnet sich der Schaden nach dem
Liquidationswert der Konkursitin. Der Liquidationswert ist damit nicht nur
für die Berechnung der Höhe der Überschuldung im Moment der Konkurseröffnung
massgebend, sondern auch für die Berechnung der Überschuldung zu dem
Zeitpunkt, zu dem der Konkurs eröffnet worden wäre, wenn die Geschäftsführung
ihre Pflichten erfüllt hätte. Dem Fortführungswert kommt in diesem
Zusammenhang keine Bedeutung zu (Urteil 4C.58/2007 vom 25. Mai 2007 E. 2.5;
vgl. auch Urteile 4C.366/2000 vom 19. Juni 2001 E. 6b/bb und 4C.117/1999 vom
16. November 1999 E. 2b).

2.2 Die Argumente, die die Beschwerdeführerin gegen diese Rechtsprechung
vorbringt, überzeugen nicht. Weder können Praktikabilitäts- und Beweisgründe
dafür angeführt werden, um anstelle des Liquidationswerts den
Fortführungswert für die Schadensberechnung heranzuziehen, noch kommt es
darauf an, ob die Gesellschaftsgläubiger durch die Berechnung aufgrund des
Liquidationswerts allenfalls besser oder schlechter gestellt werden als bei
einer solchen nach dem Fortführungswert, da es ausschliesslich darum geht
festzustellen, welchen Schaden die Gesellschaft durch die Pflichtverletzung
der Geschäftsführung erlitten hat. Das Obergericht hat damit kein Bundesrecht
verletzt, als es die Liquidationswerte für massgebend hielt.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2008

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Hürlimann