Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.498/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_498/2007 /len

Urteil vom 3. Juli 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett,
nebenamtlicher Bundesrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Leemann.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Slongo,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Mario Weber.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Bonus,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 22. März 2007.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdegegner) befand sich bis Ende 2002 in einem
Arbeitsverhältnis zur X.________ AG (Beschwerdeführerin). In der Folge konnten
sich die Parteien über die noch offen gebliebenen Forderungen des Arbeitnehmers
nicht einigen. Deshalb klagte der Beschwerdegegner mit Weisung des
Friedensrichteramtes Weinfelden vom 16. September 2004 gegen die
Beschwerdeführerin auf Bezahlung von Fr. 25'930.50 zuzüglich 5 % Zins. Geltend
gemacht wurde ein Bonus für das Jahr 2002 in der Höhe von Fr. 18'591.70, ein
Ferienguthaben für das Jahr 2002 von Fr. 4'386.40 und Spesen für die Monate
Oktober bis Dezember 2002 von Fr. 2'952.40. Die Beschwerdeführerin bestritt
teilweise die Ansprüche und machte Verrechnungsforderungen mindestens in der
Höhe der eingeklagten Forderung geltend.

B.
Mit Urteil vom 23. Juni 2006 schützte die Bezirksgerichtliche Kommission
Weinfelden die Klage des Beschwerdegegners und verpflichtete die
Beschwerdeführerin, diesem Fr. 25'930.50 zuzüglich 5 % Zins seit dem 1. Januar
2003 zu bezahlen. Darin ist ein Betrag von Fr. 18'591.70 an Bonuszahlung
enthalten.
Auf kantonalrechtliche Berufung der Beschwerdeführerin hin reduzierte das
Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 22. März 2007 den geschuldeten
Betrag auf Fr. 25'075.85, weil es für den Bonus einen Betrag von Fr. 17'737.05
errechnete.

C.
Die Beschwerdeführerin gelangt gegen dieses Urteil mit Beschwerde in
Zivilsachen an das Bundesgericht und beantragt im Wesentlichen die Aufhebung
des angefochtenen Entscheids sowie die Abweisung der Klage, soweit es um die
Bonusforderung geht (Ziffern 1 und 2a). Im Weiteren macht sie einen
Rückerstattungsanspruch über Fr. 17'737.05 geltend (Ziffer 2b).
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Auch die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde in Zivilsachen
nur zulässig, wenn ein bestimmter Streitwert erreicht ist. In
arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, wie dem vorliegenden, beträgt dieser Fr.
15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Richtet sich die Beschwerde gegen einen
Endentscheid, so bestimmt sich der Streitwert nach den Begehren, die vor der
Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Wie vor
Bundesgericht bestritt die Beschwerdeführerin auch vor der Vorinstanz, einen
Bonus zu schulden. Streitig waren somit mehr als Fr. 15'000.-- und der
notwendige Streitwert für die Beschwerde in Zivilsachen ist gegeben.
1.2
1.2.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde
mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen
(vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht
der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Eine
allfällige Verletzung von Grundrechten und von kantonalen und interkantonalem
Recht prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur dann, wenn
entsprechende Rügen in der Beschwerdeschrift präzise vorgebracht und begründet
worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue
Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der
Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Begehren
sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

1.3 Beim Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung von Fr. 17'737.05
(Ziffer 2b der Rechtsbegehren) handelt es sich um ein neues Begehren, das nach
Art. 99 Abs. 2 BGG unzulässig ist. Darauf ist nicht einzutreten.
Nicht beachtlich sind zudem die Ausführungen in der Beschwerdeschrift, soweit
sie sich gegen das Urteil der Bezirksgerichtlichen Kommission Weinfelden vom
23. Juni 2006 richten, da es sich bei diesem Entscheid nicht um einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG handelt.

2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe in willkürlicher
Weise verneint, dass der tatsächliche Vertragswille der Parteien dahin gegangen
sei, die Debitorenverluste vollumfänglich vom für die Berechnung massgeblichen
minimalen Deckungsbeitrag abzuziehen. Sie verweist dafür auf die bereits vor
Vorinstanz ins Recht gelegte Aufstellung der Debitorenrückstellungen, die nach
Darstellung der Beschwerdeführerin an einem Verkaufsmeeting vom 7. Dezember
2001 bekannt gegeben worden sei und den Hinweis enthält, dass die
Debitorenverluste für das neue Jahr den betreffenden Aussendienstmitarbeitern
bei der Bonuszahlung Ende Jahr brutto in Abzug gebracht werden. Diese
Darstellung sei vom Beschwerdegegner nicht bestritten worden.
Die Beschwerdeführerin verkennt damit allerdings, dass es im vorliegenden
Rechtsstreit um die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung geht.
Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages sind übereinstimmende
Willensäusserungen. Die Erklärung nur einer Partei zu einer bestimmten Frage
ist deshalb niemals geeignet, das Zustandekommen eines bestimmten
Vertragsinhalts zu beweisen. Damit von einem tatsächlichen übereinstimmenden
Vertragswillen hätte ausgegangen werden müssen, wäre es notwendig gewesen, die
Zustimmung des Beschwerdegegners zu diesem Vertragsinhalt nachzuweisen. Dies
hat aber die Beschwerdeführerin nicht getan. Sie hat nicht einmal aufgezeigt,
worin die Zustimmung hätte bestehen sollen. Daher ist es keineswegs
willkürlich, wenn die Vorinstanz in diesem Dokument keinen Beweis für einen
entsprechenden übereinstimmenden Parteiwillen gesehen hat und deshalb auch
nicht näher darauf eingegangen ist.
Soweit die Beschwerdeführerin Willkür darin erblicken will, dass die Vorinstanz
Art. 322b OR offensichtlich verletzt habe und der Entscheid in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken widerspreche, geht es nicht um eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung, sondern um die Frage einer willkürlichen Anwendung
von Bundesrecht. Da die Frage der richtigen Anwendung des Bundesrechts aber
ohnehin Gegenstand der Beschwerde in Zivilsachen ist (Art. 95 lit. a BGG),
kommt einer Willkürrüge insofern keine selbständige Bedeutung zu. Es braucht
deshalb auch nicht gesondert darauf eingetreten zu werden.

3.
Streitig ist vorliegend nur noch die Bonuszahlung.
Ausgangspunkt bildet diesbezüglich der Anstellungsvertrag vom 25. Oktober 2005.
In diesem wurde das Salär folgendermassen geregelt:
"Art. 4. Salär
Die Bruttobezüge des Angestellten setzen sich zusammen aus:
4.1. Salär: CHF 8'000.-- p/Monat & 13. Monatslohn = Jahresgehalt CHF 104'000.--

4.2 Bonus: Sofern der Deckungsbeitrag grösser als CHF 200'000.-- ist, gemäss
folgender Tabelle:
bis DB CHF 250'000.-- 10 %
bis DB CHF 300'000.-- 11 %
bis DB CHF 350'000.-- 12 %
bis DB CHF 400'000.-- 13 %
bis DB CHF 450'000.-- 14 %
ab DB CHF 450'000.-- 15 %
4.3. Sozialleistungen 50/50 (gemäss OR)."
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 wurde der Bonus angepasst und es wurde
vereinbart, dass ab Fr. 300'000.-- ein Bonus von 5 % geschuldet sei. Die
Parteien sind sich einig, dass es sich um eine Provision im Sinne von Art. 322b
OR handelt und nur dann eine Provision geschuldet wird, wenn der Arbeitnehmer
mit seinen Geschäften den Deckungsbeitrag überschreitet. Unbestritten ist auch,
dass der Deckungsbeitrag nicht mit dem Umsatz gleichzusetzen ist, sondern nur
einen Teil davon ausmacht.
Für die Berechnung des Deckungsbeitrags ist nun die Vorinstanz von einem
Dokument ausgegangen, das mit "Soll/Ist-Vergleich" überschrieben ist und für
den Beschwerdegegner im Budget 2002 von einem Bruttoumsatz von Fr. 3'000'000.--
ausgeht und einen Deckungsbeitrag von Fr. 600'000.-- vermerkt. Die Vorinstanz
hat auf Grund dieser Zahlen errechnet, dass der Deckungsbeitrag 20 % des
Umsatzes ausmache. Aus dieser Aufstellung ist auch ersichtlich, dass der
Beschwerdegegner 2002 einen Bruttoumsatz von Fr. 1'629'341.-- erreicht habe,
was einen Deckungsbeitrag von Fr. 371'834.-- ergebe. Die Vorinstanz stellt
sodann fest, die Beschwerdeführerin habe auf den vom Beschwerdegegner
vermittelten Geschäften nachweislich Debitorenverluste im Betrag von Fr.
85'465.95 hinnehmen müssen. Diese seien nun aber nicht einfach vom
Deckungsbeitrag abzuziehen. Vielmehr handle es sich dabei um den Bruttoumsatz,
von dem - wie beim übrigen Bruttoumsatz - nur 20 % als Deckungsbeitrag
angesehen werden könne. Entsprechend seien nur Fr. 17'093.19 in Abzug zu
bringen, was einen Deckungsbeitrag von Fr. 354'741.-- ergebe. Dieser Betrag
liege noch immer über dem vereinbarten Mindestdeckungsbeitrag, so dass ein
Bonus geschuldet sei. Er betrage 5 % von Fr. 354'741.--, was Fr. 17'737.05
ergebe. Entsprechend kürzte die Vorinstanz den zugesprochenen Betrag gegenüber
dem erstinstanzlichen Urteil.
Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Meinung, dass der Debitorenverlust
im Betrag von Fr. 85'465.95 vollumfänglich vom errechneten Deckungsbeitrag von
Fr. 371'834.-- abzuziehen sei, so dass der Beschwerdegegner den Mindestbetrag
von Fr. 300'000.-- nicht erreicht und damit auch keinen Bonusanspruch habe. Es
fragt sich somit, wie die Bonusvereinbarung auszulegen ist.

4.
4.1 Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art.
18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen
bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der
Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem
Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden
durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte
Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive
Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehaltlich der Ausnahmen von Art.
105 Abs. 2 und 3 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren
entzogen ist. Der Vorrang der subjektiven vor der objektivierten
Vertragsauslegung ergibt sich aus Art. 18 OR als Auslegungsregel (BGE 131 III
467 E. 1.1). Auch bei der objektivierten Auslegung von Willenserklärungen ist
das Bundesgericht allerdings an die Feststellungen des kantonalen Gerichts über
die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten gebunden
(Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 133 III 61 E. 2.2.1; 132 III 24 E. 4 S. 27 f.;
131 III 606 E. 4.1 S. 611, je mit Hinweisen). Ergibt die Auslegung nach dem
Vertrauensprinzip, dass die Parteien über eine zu regelnde Frage keine
inhaltliche Einigung erzielt haben, so liegt eine Vertragslücke vor, die
richterlich nach dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen ist (BGE 115 II
484 E. 4 S. 487 f.).
Vorliegend hat die Vorinstanz keinen übereinstimmenden tatsächlichen Willen
festgestellt, sondern den Vertrag mit Blick auf die Bestimmungen des
Arbeitsvertragsrechts nach Treu und Glauben ausgelegt. Es handelt sich somit um
eine Rechtsanwendung, die das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren
überprüfen kann.
4.2
4.2.1 Auszugehen ist davon, dass die Parteien eine Provision vereinbart haben,
so dass die entsprechenden Bestimmungen des Obligationenrechts anwendbar sind,
soweit die Parteien nicht zulässigerweise etwas Abweichendes vereinbart haben.
Die Provisionsabrede sieht vor, dass der Arbeitnehmer einen bestimmten, meist
in Prozenten ausgedrückten Anteil an den von ihm vermittelten oder
abgeschlossenen Geschäften erhält (vgl. BGE 128 III 174 E. 2b S. 176; 90 II 483
E. 2 S. 486). Sie hängt im Gegensatz zum Anteil am Geschäftsergebnis nach Art.
322a OR nicht vom wirtschaftlichen Gesamtergebnis der Geschäfte ab (Adrian
Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 1 zu Art. 322b OR). Dafür setzt die Provision
stets eine Kausalität zwischen dem Handeln des Arbeitnehmers und dem
Zustandekommen des Geschäfts voraus, soweit nichts anderes vereinbart ist (BGE
128 Ill 174 E. 2b S. 176 f.; vgl. Rémy Wyler, Droit du travail, 2. Aufl., Bern
2008, S. 163).
Gemäss Art. 322b Abs. 1 OR entsteht der Anspruch auf Provision, sobald das
Geschäft mit dem Dritten rechtsgültig abgeschlossen ist. Er fällt allerdings
nachträglich dahin, wenn das Geschäft durch die Arbeitgeberin ohne ihr
Verschulden nicht ausgeführt wird oder der Dritte seinen Verbindlichkeiten
nicht nachkommt (Art. 322b Abs. 3 OR). Zu beachten ist, dass diesfalls Art.
322b Abs. 3 OR als Rechtsfolge nur das Dahinfallen der Provision, nicht aber
eine Haftung für den Ausfall oder den Schaden vorsieht. Eine Haftung für den
entsprechenden Schaden kann sich nur auf Art. 321e OR stützen, der insofern
wesentlich strengere Voraussetzungen kennt, als eine Haftung in jedem Fall eine
Vertragsverletzung und ein Verschulden des Arbeitnehmers voraussetzt. Während
die Bestimmung über den Wegfall der Provision dispositiv ist, gehört die
Haftungsnorm zu den einseitig zwingenden Bestimmungen des
Arbeitsvertragsrechts. Daraus ergibt sich, dass zwar bei weiteren Tatbeständen
der Wegfall der Provision vereinbart werden kann (Staehelin, a.a.O. N. 18 zu
Art. 322b OR; Manfred Rehbinder, Berner Kommentar, N. 8 zu Art. 322b OR), dass
aber diese Bestimmung keinerlei Handhabe bietet, eine insofern weitergehende
Sanktion für den Arbeitnehmer vorzusehen, dass dieser auch für den Ausfall bzw.
einen Schaden haftet, ohne dass die strengeren Voraussetzungen von Art. 321e OR
gegeben sind.
Fraglich erscheint, ob es bei einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis analog zu
Art. 348a OR zulässig ist, den Arbeitnehmer teilweise für die
Debitorenausstände haften zu lassen. Beim Handelsreisendenvertrag ist eine
solche Haftung ausdrücklich nur in beschränktem Umfang und unter
eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Diese Bestimmung ist relativ zwingend
(Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 6. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, N. 8 zu
Art. 348a OR). Eine solche analoge Anwendung und damit Durchbrechung der
relativ zwingenden Norm zur Haftung des Arbeitnehmers (Art. 321e OR) hätte
jedenfalls zur Voraussetzung, dass auch die entsprechenden Einschränkungen
gelten müssten.
4.2.2 Die Frage nach der analogen Anwendung von Art. 348a OR kann allerdings
vorliegend offen bleiben, denn eine entsprechende Vereinbarung ist in keiner
Weise nachgewiesen. Die Parteien behaupten nicht einmal, es sei eine Haftung
für die Ausfälle vereinbart worden. Es wären auch die Voraussetzungen von Art.
348a OR nicht erfüllt. Es bleibt somit dabei, dass ausschliesslich die
Voraussetzungen für das Ent- und Bestehen der Provision vertraglich geregelt
wurden.

4.3 Auszugehen ist damit von der Regel, dass die Provision nachträglich
entfällt, wenn der Dritte seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Diese Regel
hat die Vorinstanz aber auch angewendet. Sie hat die Geschäfte, die von den
Dritten nicht erfüllt worden sind, von den provisionsberechtigten Beträgen
abgezogen. Sie ist davon ausgegangen, dass sich die Provision von 5 % auf 20 %
des Bruttoumsatzes berechnet. Sie hat sodann vom Bruttoumsatz die nicht
honorierten Geschäfte abgezogen und auf 20 % dieses Betrages die Provision
errechnet. Dies entspricht der in Art. 322b Abs. 3 OR vorgesehenen Regel und
der von den Parteien getroffenen Vereinbarung.

4.4 Demgegenüber hätte die Berechnung der Beschwerdeführerin zur Folge, dass
nicht nur die Provision auf den entsprechenden Geschäften entfiele, sondern der
Beschwerdegegner auch noch einen Teil der Debitorenverluste mittragen müsste.
Die Beschwerdeführerin will nämlich die Bruttobeträge der nicht einbringlichen
Debitoren vom Deckungsbeitrag abziehen. Damit werden aber unterschiedliche
Dinge miteinander vermischt. Soweit es um die Provisionsberechnung und nicht um
den Ersatz eines Schadens bzw. ein Einstehen für Debitorenverluste geht, sind
jeweils die Bruttobeträge miteinander zu vergleichen oder die Deckungsbeiträge
(entsprechend 20 % der Bruttobeträge). Es kann aber nicht angehen, die
Bruttobeträge der nicht durchgeführten Geschäfte von den Deckungsbeiträgen der
abgeschlossenen Geschäfte abzuziehen. Das hätte nichts mehr mit einer
Provisionsrechnung zu tun, sondern mit einer Verlegung des Schadens bzw. einem
Einstehen des Arbeitnehmers für das Delcredere. Eine solche weitergehende
Vereinbarung ist aber - wie ausgeführt - nicht dargetan und ihre Zulässigkeit
wäre auch zweifelhaft. Es gehört zu den Grundregeln des Arbeitsvertragsrechts,
dass das Unternehmerrisiko bei der Arbeitgeberin und nicht beim Arbeitnehmer
liegt. Dazu gehört grundsätzlich auch das Kreditrisiko.
Es liegt auf der Hand, dass die Vereinbarung, so wie sie die Parteien
abgeschlossen haben, darauf hinausläuft, dass der Arbeitnehmer eine Provision
von 1 % auf dem Bruttobetrag seiner Geschäfte erhält, sofern er mindestens
Geschäfte im Umfang von Fr. 1,5 Mio. gültig vermittelt hat. Hätten die Parteien
wirklich gewollt, dass die allgemeinen Unkosten zuerst gedeckt sein müssen,
wäre nicht eine blosse Prozentrechnung möglich gewesen. Vielmehr hätten dann
diese Kosten genauer definiert und die Rechnungslegung genau umschrieben werden
müssen. Solches ist aber nicht erfolgt. Sie haben sich vielmehr auf eine
Prozentrechnung geeinigt, die aber nicht nur für die Entstehung der Provision
(Art. 322b Abs. 1 OR) gelten kann, sondern auch für deren Wegfall nach Art.
322b Abs. 3 OR anwendbar sein muss.

5.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten für das
bundesgerichtliche Verfahren und hat den Beschwerdeführer dafür zu entschädigen
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 700.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Leemann