Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.478/2007
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4A_478/2007 /len

Urteil vom 12. Dezember 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

A. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Gimmel.

Darlehensvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer,
vom 18. September 2007.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Beschwerdeführerin) und B.________ (Beschwerdegegner) waren
befreundet. Die Beschwerdeführerin verlangt vom Beschwerdegegner die
Rückzahlung zweier Darlehen im Gesamtbetrag von Fr. 42'000.-- nebst Zins, die
sie ihm gewährt haben will. Der Beschwerdegegner bestritt, je ein Darlehen
von der Beschwerdeführerin erhalten zu haben.

B.
Mit Klage vom 20. März 2006 beantragte die Beschwerdeführerin dem
Bezirksgericht Zurzach, der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, ihr Fr.
42'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2005 zu bezahlen. Am 21. September
2006 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
Dagegen appellierte die Beschwerdeführerin mit gleichbleibendem
Rechtsbegehren an das Obergericht des Kantons Aargau, das die Appellation mit
Urteil vom 18. September 2007 abwies.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil
des Obergerichts und das Urteil des Bezirksgerichts aufzuheben. Die Sache sei
zur Durchführung einer Zeugenanhörung von Frau C.________ unter
Inanspruchnahme eines Dolmetschers gestützt auf Art. 107 Abs. 2 BGG an das
Bezirksgericht Zurzach zurückzuweisen. Die Klage sei gutzuheissen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerdeführerin rügt einzig einen "gravierenden Verfahrensfehler", der
darin bestehen soll, dass die Zeugin C.________ (Zeugin), auf deren Aussage
sich die Beschwerdeführerin zum Beweis ihrer Forderung berief, vom
Bezirksgericht in deutscher Sprache einvernommen worden sei, obwohl sie
derselben nicht genügend mächtig sei. Dadurch sei § 16 Abs. 2 des
aargauischen Gerichtsorganisationsgesetzes vom 11. Dezember 1984 (GOG; SAR
155.100) verletzt worden, wonach ein der deutschen Sprache nicht mächtiger
Zeuge via Dolmetscher zu befragen sei. Dieser elementare Rechtsgrundsatz habe
in der Schweiz Verfassungscharakter.

2.
§ 16 Abs. 2 GOG bestimmt, dass für die mündlichen Verhandlungen und die
Einvernahme fremdsprachiger Zeugen nötigenfalls ein Übersetzer beizuziehen
ist.
Ob aus der Bundesverfassung, namentlich dem Anspruch auf rechtliches Gehör,
ein Anspruch der Partei fliesst, dass die von ihr angerufenen Zeugen in deren
Sprache einvernommen werden, wie die Beschwerdeführerin behauptet, kann
angesichts der einschlägigen Bestimmung des anwendbaren kantonalen Rechts,
die einen solchen Anspruch gewährt, offen bleiben.
Allerdings kann vorliegend auf die Rüge einer klaren Verletzung von § 16 Abs.
2 GOG oder eines entsprechenden verfassungsrechtlichen Anspruchs aus zwei
Gründen nicht eingetreten werden:
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1
BGG). Der Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz
anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen
einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei
rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre;
andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 133 III 350 E.
1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4, je mit Hinweisen).
Die Rüge der Beschwerdeführerin stützt sich auf die tatsächliche Behauptung,
die Zeugin sei der deutschen Sprache nur sehr beschränkt mächtig. Dieses
Sachverhaltselement findet indessen im angefochtenen Urteil keine Grundlage.
Die Beschwerdeführerin macht zwar - wenn auch ohne präzisen Aktenhinweis -
geltend, sie habe bereits in ihrer Appellation an das Obergericht gerügt,
dass die Zeugin der deutschen Sprache nicht genügend mächtig war, um vor
einem Gericht zu verstehen, welche Fragen an sie gestellt würden und wie die
Antworten darauf lauten könnten; das Obergericht sei auf diesen Einwand nicht
eingegangen, obwohl klar sei, dass die Zeugin vor der ersten Instanz nicht in
der gemäss § 16 GOG vorgeschriebenen Form mit Dolmetscher einvernommen worden
sei. Darin ist indes keine Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 97 Abs. 1 und
Art. 105 Abs. 2 BGG zu erblicken. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar,
inwiefern das Obergericht bundesrechtliche Vorschriften, namentlich ihren
Gehörsanspruch, verletzt haben soll, indem sie auf diese Vorbringen nicht
eingegangen sei und zur angeblichen Behauptung, die Zeugin sei der deutschen
Sprache nicht genügend mächtig gewesen, keine tatsächlichen Feststellungen
getroffen habe. Die auf die Behauptung gestützte Rüge, die Zeugin sei der
deutschen Sprache nur sehr beschränkt mächtig, ist demnach nicht zu hören.

2.2 Sodann macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, im Anschluss an die
Beweisanordnung des Bezirksgerichts oder anlässlich der bezirksgerichtlichen
Verhandlung den Beizug eines Übersetzers verlangt zu haben. Nirgends wird
festgehalten, die Zeugin habe sich beklagt, sie verstehe die an sie
gestellten Fragen nicht. Auch vor Obergericht machte die Beschwerdeführerin
nach ihren eigenen Angaben nicht geltend, dass die Zeugin in einem Ausmass
der deutschen Sprache nicht mächtig sei, dass sie über einen Dolmetscher
hätte einvernommen werden müssen, ebensowenig dass sie beantragt hätte, die
Zeugeneinvernahme sei in dieser Form zu wiederholen. Sie versuchte lediglich
die festgestellten Widersprüche zwischen der eidesstattlichen Erklärung der
Zeugin und deren Aussagen an der Verhandlung im Nachhinein mit angeblichen
Verständnisschwierigkeiten zu erklären. Es geht jedoch nicht an, im
kantonalen Verfahren die Zeugenbefragung ohne Hinweis auf die Notwendigkeit
eines Übersetzers vornehmen zu lassen, um dann, wenn die Aussage nicht im
gewünschten Sinne ausgefallen ist, erst vor Bundesgericht vorzubringen, die
Zeugin hätte via Dolmetscher befragt werden müssen. Solches Verhalten
widerspricht Treu und Glauben sowie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs, die
auch im Verfahrensrecht Geltung haben. Danach ist es unzulässig, formelle
Rügen, die in einem früheren Stadium hätten vorgebracht werden können, noch
später geltend zu machen (BGE 121 I 30 E. 5f S. 38; 120 Ia 19 E. 2c/aa; vgl.
ferner BGE 130 III 66 E. 4.3; 126 I 203 E. 1b S. 205 f.; 124 I 121 E. 2 S.
123, 255 E. 1b/bb S. 259).

3.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird
die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Dezember 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Widmer