Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.433/2007
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4A_433/2007 /len

Urteil vom 11. Dezember 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Mazan.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Endres,

gegen

A.B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Erhard Pfister.

Auftrag; Honoraranspruch,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung,
vom 18. September 2007.

Sachverhalt:

A.
Im September 2003 erteilte A.B.________ (Beschwerdegegner) der in Zug
domizilierten X.________ AG (Beschwerdeführerin) ein Mandat zum Inkasso von
zwei Forderungen. Im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen überwies der
Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin in verschiedenen Teilbeträgen einen
Kostenvorschuss von insgesamt EUR 78'067.05. Am 7. März 2005 entzog der
Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin das Mandat. In der Folge gerieten die
Parteien in Streit über die vom Beschwerdegegner geschuldete Vergütung.

B.
Am 6. September 2005 reichte der Beschwerdegegner beim Kantonsgericht Zug
eine Klage über Fr. 102'158.90 gegen die Beschwerdeführerin ein, mit welcher
er unter Anerkennung eines Honoraranspruchs von Fr. 20'000.-- den
einbezahlten Kostenvorschuss zurückverlangte. Im Laufe des Verfahrens hat die
Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner Fr. 70'000.-- bezahlt. Dieser
reduzierte hierauf seine Forderung auf Fr. 36'529.45, welche das
Kantonsgericht Zug am 12. Februar 2007 im Betrage von Fr. 34'516.55 nebst
Zins schützte, nachdem es die Klage im Umfang von Fr. 70'000.-- als
gegenstandslos abgeschrieben hatte. Die mit dem Antrag auf Abweisung der
Klage erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies das Obergericht des
Kantons Zug am 18. September 2007 ab, und es bestätigte das erstinstanzliche
Urteil.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 20. Oktober 2007 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts
aufzuheben und das Verfahren an das Kantonsgericht des Kantons Zug
zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei.
Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde.

D.
Mit Verfügung vom 8. November 2007 hat der Präsident der I. Zivilrechtlichen
Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz hat den massgeblichen Streitwert mit Fr. 34'516.55
beziffert, womit die für Beschwerden in Zivilsachen festgelegte Grenze
überschritten wird (Art. 74 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1
lit. a BGG). Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten, zumal
sie sich gegen ein Urteil der letzten kantonalen Instanz richtet (Art. 75
Abs. 1 BGG) und fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) von einer am Verfahren vor
Vorinstanz beteiligten Partei erhoben wurde (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG). Da
die Beschwerde ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG),
darf sich die Beschwerdeführerin grundsätzlich nicht darauf beschränken, die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides zu verlangen, sondern muss einen
Antrag in der Sache stellen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall genügt
jedoch der blosse Rückweisungsantrag ausnahmsweise, weil das Bundesgericht,
sollte es die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin für begründet erachten,
kein Sachurteil fällen kann, sondern die Streitsache zur weiteren Abklärung
des Sachverhaltes an die Vorinstanz bzw. an das Kantonsgericht zurückweisen
müsste (BGE 133 III 489 E. 3.1 mit Hinweisen). Unbeachtlich bleibt dagegen
der Hinweis der Beschwerdeführerin, sie erkläre ihre Ausführungen im
kantonalen Verfahren zum integrierenden Bestandteil der Beschwerde, weil die
Begründung unter der Geltung des BGG (Urteil 4A_137/2007 vom 20. Juli 2007,
E. 4) - wie schon unter der Herrschaft des OG (BGE 131 III 384 E. 2.3 S. 387
f. m.w.H.) - in der Rechtsschrift selbst enthalten sein muss und Verweise auf
andere Rechtsschriften unzulässig sind.

1.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Soweit das
Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 BGG), ist zwar
eine ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich,
falls aus den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die
Vorinstanz verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die
Begründung des angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan
wird, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegen soll (vgl. BGE 121 III 397
E. 2a S. 400; 116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Zu beachten ist ferner, dass das
Bundesgericht auch nach Einführung des Bundesgerichtsgesetzes keine letzte
Appellationsinstanz ist, die von den Parteien mit vollkommenen Rechtsmitteln
angerufen werden könnte (vgl. Botschaft zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4342), ist das Bundesgericht doch
grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid
gebunden (Art. 97 und 105 BGG). Es geht nicht an, in einer Beschwerde in
Zivilsachen appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen
Gerichts zu üben und Ergänzungen bezüglich der tatsächlichen Feststellungen
vorzunehmen, als ob dem Bundesgericht im Beschwerdeverfahren die freie
Prüfung aller Tatfragen zukäme (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f., vgl. auch
BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f., je mit Hinweisen).

1.3 Soweit die Beschwerdeführerin diese Begründungsanforderungen missachtet,
ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Das gilt insbesondere für ihre
Ausführungen unter Ziff. 19 der Beschwerdeschrift, wo sie im Wesentlichen die
Argumentation der Vorinstanz, ohne näher darauf einzugehen, als aus ihrer
Sicht nicht tragfähig oder das Ergebnis als stossend ausgibt.

2.
Nach wie vor unumstritten ist, dass die vorliegende Streitsache mit
internationalem Bezug schweizerischem Recht untersteht und dass auf das
Vertragsverhältnis der Parteien Auftragsrecht (Art. 394 ff. OR) anwendbar
ist. Die Beschwerdeführerin forderte für ihre eigenen Bemühungen Fr.
19'088.25 zuzüglich Kosten für Fremdleistungen des Advokaturbüros C.________
von Fr. 13'151.35, total also Fr. 32'239.60. Der Beschwerdegegner gestand der
Beschwerdeführerin einen Honoraranspruch von insgesamt Fr. 20'000.-- zu, in
welchem Betrag die von ihm unbestrittenen Fremdkosten von Fr. 13'151.35
enthalten sind. Dies würde zu einem Honoraranspruch der Beschwerdeführerin
für Eigenleistungen von Fr. 6'848.65 führen. Die Vorinstanz hat der
Beschwerdeführerin in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils den vom
Beschwerdegegner anerkannten Betrag von Fr. 20'000.-- zugesprochen. Dies wird
von der Beschwerdeführerin mit vorliegender Beschwerde in verschiedener
Hinsicht beanstandet.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die Vorinstanz habe nicht
hinreichend begründet, weshalb entgegen ihrem Vorbringen in den jeweils
geleisteten Vorschusszahlungen nicht eine konkludente Anerkennung des
Beschwerdegegners gelegen haben konnte, wonach die vorgängige
Vorschussleistung durch die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin verbraucht
sei. Indem die Vorinstanz lediglich auf den Zweck der Vorschusszahlung
hinweise, die Honorarforderung des Beauftragten nach Zustellung der
Schlussrechnung zu tilgen, ohne die Tatsachen hinreichend aufgeklärt zu
haben, verletze sie Art. 394 Abs. 2 OR.

3.2 Die Rüge ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin führt keinerlei Umstände
an, auf die sie sich zur Behauptung konkludenter Anerkennung berufen und für
die sie Beweis anerboten hätte. Damit scheidet das behauptete "Versäumnis der
Vorinstanz in der tatbestandlichen Aufklärung" von vorn herein aus. Im
Übrigen hat die Vorinstanz unter Hinweis auf die Lehre bundesrechtskonform
erkannt, dass es sich bei einem Kostenvorschuss um eine bedingte
Vorauszahlung handelt mit dem Zweck, die Forderung des Beauftragten auf
Honorar nach Abrechnung bzw. Stellung der Schlussrechnung durch Verrechnung
zu tilgen (Walter Fellmann, Berner Kommentar, Bern 1992, N. 476 zu Art. 394).
Grundsätzlich liegt im Schweigen keine Anerkennung (Art. 6 OR), auch nicht
nach Erhalt einer unbegründeten oder falsch bezifferten Rechnung oder
Abrechnung. Erst recht kann nicht von Anerkennung gesprochen werden, bevor
der Schuldner überhaupt eine Rechnung erhalten hat. Das Bundesgericht hat es
als willkürlich erachtet, dass ein kantonales Gericht einem Anwalt allein
deshalb gestattete, den Vorschuss des Klienten zu behalten, weil sich
letzterer während sieben Jahren nicht um die Rückerstattung gekümmert oder
zumindest eine Erklärung verlangt hatte (Urteil 4P.143/1993 vom 23. Dezember
1993, E. 2). Im Übrigen ist weder dem angefochtenen Urteil zu entnehmen oder
wird von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass spätere
Vorschusszahlungen erst nach dem Vorliegen einer Abrechnung erfolgt wären.
Von einer stillschweigenden Schuldanerkennung in der Höhe der
Vorschusszahlungen kann somit nicht die Rede sein (vgl. auch Rolf H. Weber,
Basler Kommentar, 4. Auflage, Basel 2007, N. 10 zu Art. 402 OR).

4.
4.1 Was die Höhe der geschuldeten Vergütung anbelangt, hielt die Vorinstanz
fest, es liege keine gültige Honorarvereinbarung vor. Sie kam zum Ergebnis,
die Beschwerdeführerin habe ihre Tätigkeiten nicht hinreichend substantiiert
und keine tauglichen Grundlagen für die Berechnung der behaupteten Leistung
von 84,7 Stunden geliefert. Die Beschwerdeführerin stelle selbst nicht in
Abrede, dass sich anhand der eingereichten Unterlagen ("Arbeitsmappe
A.B.________ xls" bestehend aus drei Excel-Tabellen) nicht ermitteln lasse,
für welche Arbeiten die angeblich rund 85 Stunden aufgewendet worden seien.
Hierauf wäre der Beschwerdegegner aber nach Auffassung der Vorinstanz
angewiesen, um die Angemessenheit der Honorarforderung beurteilen zu können.
Beweise seien nicht abzunehmen, da das Beweisverfahren nicht dazu diene, eine
lückenhafte Sachdarstellung zu vervollständigen. Mit der implizit
beanstandeten Verweigerung des rechtlichen Gehörs stosse die
Beschwerdeführerin daher ins Leere. Bei dieser Sachlage sprach die Vorinstanz
der Beschwerdeführerin die vom Beschwerdegegner anerkannten Beträge -
insgesamt Fr. 20'000.-- - als Honorar zu und verwarf die Rüge der
Beschwerdeführerin, das Kantonsgericht als erste Instanz habe die Höhe dieses
Honoraranspruchs nicht begründet.

4.2 Dagegen wendet die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein, der
Nachweisgrad der Stundenabrechnung gemäss "Arbeitsmappe A.B.________" sei
üblich, angemessen und ausreichend gewesen. Namentlich habe die
Beschwerdeführerin den Zeitaufwand, soweit er auf E-Mail-Verkehr mit dieser
beruhe, auf seine Angemessenheit überprüfen können. Sinngemäss leitet sie
daraus ab, ihr Anspruch auf Durchführung eines Beweisverfahrens sei verletzt
worden. Explizit wirft sie aber der Vorinstanz vor, mit der Weigerung, ein
Beweisverfahren durchzuführen, in Willkür verfallen zu sein.

4.3 Die Nichtabnahme von Beweisen, die nicht rechtzeitig beantragt und zu
denen nicht substantiiert ausgeführt wird, welche Tatsachen damit bewiesen
werden sollen, verstösst nicht gegen Art. 8 ZGB. Ob die betreffenden
Beweisanträge rechtzeitig gestellt und im genannten Sinne rechtsgenüglich
durch entsprechende Behauptungen unterlegt waren, beurteilt sich nach
kantonalem Prozessrecht (vgl. BGE 127 III 365 E. 2c S. 369; 108 II 337 E. 2c
und 3 S. 341 f.). Die Anwendung kantonalen Rechts überprüft das Bundesgericht
nur, soweit die Rechtsschrift diesbezüglich eine hinreichend begründete Rüge
enthält (Art. 106 Abs. 2 BGG).

4.4 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde offensichtlich nicht. Mit
ihren Darlegungen stellt die Beschwerdeführerin schlicht ihre eigene
Einschätzung jener der Vorinstanz gegenüber. Inwiefern die Rechtsauffassung
der Vorinstanz unzutreffend sein soll, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf
und ist nicht ersichtlich. Was sie unter Ziff. 17 ihrer Beschwerde vorträgt,
erschöpft sich in unzulässiger appellatorischer Kritik, die zudem schwer
nachvollziehbar ist. Die Beschwerdeführerin bezeichnet weder eine Bestimmung
des kantonalen Prozessrechts, welche willkürlich angewandt worden sein soll,
noch zeigt sie auf, inwiefern ein Verstoss gegen Art. 394 Abs. 2 OR vorliegen
soll. Welche ihrer relevanten, prozesskonform erhobenen und bestrittenen
Sachvorbringen hinreichend klar und mit Beweisofferten versehen waren, legt
die Beschwerdeführerin nicht dar. Auf derartige allgemeine Kritik am
angefochtenen Urteil ist nicht einzutreten (vgl. E. 1.2 hiervor).

5.
Die Vorinstanz stellte fest, die Beschwerdeführerin habe erstmals vor
Obergericht behauptet, der Beschwerdegegner habe Art und Umfang ihrer
Tätigkeiten der Strafanzeige gegen einen seiner Schuldner entnehmen können.
Die Vorinstanz trat darauf wegen des Novenverbots gemäss § 205 Abs. 1 ZPO/ZG
nicht ein. In der Beschwerde wird gerügt, die Vorinstanz habe übersehen, dass
Art und Umfang der in Auftrag gegebenen Tätigkeiten zur Einleitung eines
gegen D.________ gerichteten Strafverfahrens vom Beschwerdegegner "bereits
anlässlich der Klage als Beilage 20 und im Rahmen der Klagebeantwortung auf
den Seiten 7 - 8 sowie in der dortigen Beilage 4 eingebracht" worden sei. An
der angeführten Stelle der Klageantwort wird jedoch die Behauptung, Art und
Umfang der Tätigkeit der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Strafanzeige,
nicht erhoben, sondern allgemein auf Bemühungen im Hinblick auf das
Strafverfahren hingewiesen. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung,
sollte denn eine solche hinreichend gerügt sein, ist nicht erkennbar.

6.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend ist die
Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG), die
zudem den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren zu
entschädigen hat (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Mazan