Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.409/2007
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4A_409/2007 /len

Urteil vom 14. Januar 2008

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiberin Hürlimann.

A. ________,
B.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Albert Romero,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Joseph Schuler.

Mietvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung,
vom 4. September 2007.

Erwägungen:

1.
Am 11. September 2001 schlossen A.________ und B.________ (Kläger und
Beschwerdeführer) als Mieter mit der X.________ AG (Beklagte und
Beschwerdegegnerin) als Vermieterin einen Vertrag über eine 4
1/2-Zimmerwohnung in der Liegenschaft C.________ mit Mietbeginn am 1. Januar
2002. Als monatlicher Mietzins wurden Fr. 1'380.-- zuzüglich Fr. 120.-- für
einen Garageplatz und Fr. 195.-- à-conto Nebenkosten, total Fr. 1'695.--
vereinbart. Am 10. Januar 2002 kündigte die Beklagte den Klägern auf
amtlichem Formular, das den Hinweis auf die Anfechtungsmöglichkeit der
Vertragsänderung enthielt, eine Mietvertragsänderung mit Wirkung ab dem
1. April 2002 an. Der monatliche Mietzins wurde auf Fr. 1'620.-- erhöht und
die à-conto-Zahlungen für Nebenkosten wurden auf Fr. 190.-- reduziert, so
dass sich bei unverändertem Zins für die Garage ein monatlicher Mietzins von
Fr. 1'930.-- ergab. Am 26. Januar 2006 kündigte die Beklagte den Mietvertrag
auf amtlichem Formular auf den 30. April 2006.

1.1 Am 22. Mai 2006 beantragten die Kläger dem Kantonsgericht Zug, es sei
festzustellen, dass die Mietzinserhöhung vom 10. Januar 2002 nichtig sei; die
Beklagte sei zu verpflichten, ihnen die ab dem 1. April 2002 zu viel
bezahlten Mietzinse in der Höhe von total Fr. 11'280.-- zuzüglich Zins
zurückzuzahlen. In der Folge erhöhten sie ihre Forderung um weitere Fr.
2'400.--. Das Kantonsgericht Zug wies die Klage mit Urteil vom 15. März 2007
ab.

1.2 Mit Urteil vom 4. September 2007 wies das Obergericht des Kantons Zug die
Berufung der Kläger ab und bestätigte das Urteil des Kantonsgerichts vom 15.
März 2007. Das Obergericht stellte fest, dass die Erhöhung des Mietzinses vom
10. Januar 2002 wegen fehlender Unterschrift, vor allem aber wegen fehlender
Begründung formnichtig gewesen war, kam jedoch zum Schluss, die Berufung der
Kläger auf diesen Mangel sei rechtsmissbräuchlich.

1.3 Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde
stellen die Beschwerdeführer die Anträge, es sei das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug vom 7. September 2007 aufzuheben (Ziffer 1) und
festzustellen, dass die Mietzinserhöhung vom 10. Januar 2002 nichtig sei
(Ziffer 2.a), und die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihnen vom 1.
April 2002 bis zum 28. Februar 2006 im Betrag von Fr. 11'280.-- und vom 1.
März 2006 bis zum 1. Dezember 2006 im Betrag von Fr. 2'400.-- zuviel
bezahlten Mietzins zuzüglich 5 % Verzugszins ab dem 1. März 2004 bzw. 1. Juli
2006 zu bezahlen (Ziffer 2b). Eventualiter sei das Verfahren zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück zu weisen. Sie rügen, die Vorinstanz
habe Art. 2 ZGB verletzt, indem sie ihnen Rechtsmissbrauch vorgeworfen habe,
obwohl ihnen die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht bewusst gewesen sei; die
Vorinstanz habe zu Unrecht die blosse Kenntnis des Mangels für die Annahme
des Rechtsmissbrauchs als genügend angesehen.

1.4 Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Antwort, die Beschwerde in
Zivilsachen und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde seien vollumfänglich
abzuweisen und das angefochtene Urteil sei zu bestätigen.

2.
Das angefochtene Urteil hat eine Zivilsache zum Gegenstand (Art. 72 BGG). Die
Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen
kantonalen Gerichts (Art. 75 BGG), mit dem die Begehren der Beschwerdeführer
abgewiesen worden sind (Art. 76 BGG). Da es sich um eine mietrechtliche
Streitigkeit im Sinne von Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG handelt, ist die
Beschwerde in Zivilsachen zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr.
15'000.-- beträgt. Die strittige Forderung beträgt Fr. 13'680.--. Die
Vorinstanz hat den Wert des Feststellungsbegehrens zudem so bemessen, dass
der Streitwert insgesamt Fr. 15'000.-- beträgt. Der Streitwert ist damit
erreicht, zumal die Beschwerdeführer die Kündigung angefochten haben (vgl.
Urteil vom 2. November 2007 im Verfahren 4A_342/2007) und nicht festgestellt
ist, wann die Beschwerdeführer die Wohnung verlassen haben. Die
Voraussetzungen für die Beschwerde in Zivilsachen sind damit erfüllt und auf
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten.

3.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die den
Beschwerdeführern am 10. Januar 2002 angekündigte Mietvertragsänderung den
Formvorschriften nicht genügte und daher grundsätzlich nichtig ist. Sie hat
indes die Berufung der Beschwerdeführer auf die Formnichtigkeit als
rechtsmissbräuchlich erachtet.

3.1 Nach der Rechtsprechung ist die Berufung auf Formmängel vor allem dann
rechtsmissbräuchlich, wenn das frühere Verhalten der Mieter bei der
Vermieterin schutzwürdiges Vertrauen begründet und diese zu Handlungen
veranlasst hat, die ihr angesichts der neuen Situation zu Schaden gereichen
können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Mieter in Kenntnis der
Formvorschriften ausdrücklich auf deren Einhaltung verzichtet und die
getroffene Vereinbarung freiwillig erfüllt haben (BGE 123 III 70 E. 3c S. 75
mit Hinweis).

3.2 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid teilten die
Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 12. März 2002 unter
anderem mit, gestützt auf eine Auskunft beim Mieterverband sollte die
Mitteilung einer Mietzinserhöhung drei Monate und zehn Tage zum voraus und
ausserdem zu den vertraglich bestimmten Terminen inklusive Begründung der
Erhöhung erfolgen. Sie zeigten jedoch wegen der Wohnungsrenovation
Verständnis für die Mietzinsanpassung und schlossen den Brief mit der
Bemerkung, dass sie damit diese Angelegenheit als erledigt erachteten. In der
Folge bezahlten sie ab dem 1. April 2002 monatlich den höheren Mietzins.

3.3 Die Vorinstanz hat zutreffend geschlossen, dass die Beschwerdeführer bei
der Beschwerdegegnerin das begründete Vertrauen erweckten, die Erhöhung sei
von ihnen akzeptiert worden, indem sie damals ihre Ansprüche nicht weiter
verfolgten, in ihrem Schreiben vom März 2002 abschliessend festhielten, sie
erachteten die Angelegenheit als erledigt und danach während rund vier Jahren
den höheren Mietzins vorbehaltlos bezahlten. Da nach den Feststellungen der
Vorinstanz keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mietzins objektiv
missbräuchlich gewesen sein könne, und die Formungültigkeit von den
Beschwerdeführern erst nach der von ihnen als missbräuchlich erachteten
Kündigung des Mietvertrags geltend gemacht wurde, hat die Vorinstanz die
Berufung der Beschwerdeführer auf den Formmangel zutreffend als
rechtsmissbräuchlich erachtet.

3.4 Die Vorbringen der Beschwerdeführer ändern daran nichts. Dass sie
Kenntnis des Mangels hatten, ist für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt. Dass sie angeblich keine Kenntnis über die Rechtsfolge der
Formnichtigkeit hatten bzw. ihnen die Unverbindlichkeit der angezeigten
Erhöhung nicht bewusst war, hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall
zutreffend für unerheblich gehalten. Denn nach den Feststellungen im
angefochtenen Entscheid haben sich die Beschwerdeführer auf eine Auskunft des
Mieterverbands berufen und enthielt das amtliche Formular, auf dem ihnen die
Erhöhung angezeigt wurde, den Hinweis auf die Anfechtungsmöglichkeit der
Vertragsänderung. Wenn sie unter diesen Umständen in Kenntnis des Mangels und
der Anfechtungsmöglichkeit auf die Anfechtung verzichteten und erklärten, die
Angelegenheit sei für sie erledigt, haben sie die Beschwerdegegnerin davon
abgehalten, eine formgültige Erhöhung auf den nächsten Termin anzuzeigen.
Dabei ist ohne Bedeutung, dass die vorgeschriebene Form nicht nur wegen
fehlender Begründung, sondern auch wegen fehlender Unterschrift nicht
eingehalten war.

4.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist - da die Beschwerde in Zivilsachen
gegeben ist - unzulässig. Es ist darauf nicht einzutreten. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist als unbegründet abzuweisen. Die Gerichtskosten sind bei
diesem Verfahrensausgang den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Sie haben der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin deren
Parteikosten für das vorliegende Beschwerdeverfahren zu ersetzen (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit und intern je zur Hälfte auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit und intern je zur Hälfte mit Fr.
1'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Januar 2008

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Hürlimann