Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.397/2007
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4A_397/2007 /len

Urteil vom 6. Dezember 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Gelzer.

A. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Bieri,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwältin Clivia Wullimann.

Mietvertrag; Nebenkosten,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer,
vom 21. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Vertrag vom 27. Mai/12. Juni 1999 mietete B.________ (Beschwerdegegner)
von der Rechtsvorgängerin von A.________ (Beschwerdeführer) eine
2 1/2-Zimmerwohnung in C.________ zu einem Mietzins von Fr. 481.-- netto. Für
Heiz-/Warmwasserkosten waren monatliche Akonto-Zahlungen von Fr. 60.-- und
für Betriebskosten solche von Fr. 109.-- vereinbart. Der schriftliche
Mietvertrag enthält in der Rubrik unmittelbar vor der Unterschrift folgende
Regelung:
"Mehrere Mieter haften für die Pflichten aus dem Mietvertrag solidarisch. Für
die Miete gelten die Bestimmungen dieses Vertrages. Änderungen oder
Ergänzungen sind durch schriftliche Nachträge zu diesem Mietvertrag zu
vereinbaren. Integrierenden Bestandteil dieses Mietvertrages bilden ferner
folgende, dem Mieter ausgehändigte und von den Parteien ausdrücklich
anerkannte Beilagen: Allg. Bedingungen Ausg. 1999; Hausordnung Ausg. 1/99;
Vereinbarung Sicherheitsleistung."
Beim Abschluss des Mietvertrages wurden dem Beschwerdegegner die Allgemeinen
Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume (AVB), Ausgabe Januar 1999
ausgehändigt. Diese sehen in Ziffer 16 betreffend die Nebenkosten eine
Regelung vor, welche in lit. d unter dem Titel "Übrige Betriebskosten"
bestimmt:
"Sind im Mietvertrag Betriebskosten-Akontozahlungen vereinbart, sind - sofern
nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde - die nachstehenden
Positionen, soweit sie für die entsprechende Liegenschaft anfallen, nicht im
Nettomietzins inbegriffen und bilden Gegenstand einer separaten
Betriebskostenabrechnung:
- Hauswartung
- Allgemeinstrom
- Wasserverbrauch, Wasserbehandlung, Abwasser, Kanalreinigung
- Gasverbrauch (wenn keine separaten Zähler vorhanden sind)
- Kehrichtabfuhr, Containerreinigung
- Kabelfernseh- und -Radiogebühren inkl. Urheberrechtsgebühr
- Kosten für Bewachung und Brandschutz
- Pflege von Garten, Umgebung und Pflanzentrögen
- Serviceabonnemente für Lift, Maschinen, Geräte und Anlagen
- 3 % Verwaltungskosten zuzüglich MWST."
Für die Perioden 1999/2000, 2000/2001 und 2001/2002 beglich der
Beschwerdegegner die Nebenkostenabrechnungen, welche Betriebskosten
enthielten, anstandslos. Seither nimmt er den Standpunkt ein, die Pflicht des
Mieters zur Übernahme der Betriebskosten, wie sie in den AVB aufgelistet
werden, sei nicht gültig vereinbart worden. Er müsse daher zusätzlich zum
Mietzins nur noch Warmwasser und Strom bezahlen.

B.
Mit Klage vom 24. April 2006 beantragte der Beschwerdeführer dem
Gerichtspräsidenten des Gerichtskreises III Aarberg-Büren-Erlach, es sei
festzustellen, dass die Parteien für die vom Beschwerdegegner gemietete 2
1/2-Zimmerwohnung, abgesehen von Heiz- und Warmwasserkosten gültig
Betriebskosten von Fr. 109.-- akonto pro Monat vereinbart haben und
demzufolge die monatlichen Nebenkosten Fr. 60.-- akonto für Heiz- und
Warmwasserkosten und Fr. 109.-- akonto für Betriebskosten betragen. Der
Gerichtspräsident wies die Klage am 20. April 2007 ab. Die vom
Beschwerdeführer erhobene Appellation hat der Appellationshof, 2.
Zivilkammer, des Obergerichts des Kantons Bern am 21. August 2007 abgewiesen.

C.
Der Beschwerdeführer erhebt Beschwerde in Zivilsachen, mit der er die
Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 21. August 2007 und die
Gutheissung der im kantonalen Verfahren gestellten Feststellungsbegehren
verlangt.
Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt für
das Verfahren vor Bundesgericht die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege unter Beiordnung von Rechtsanwältin Clivia Wullimann als
unentgeltliche Rechtsbeiständin. Das Obergericht verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz beziffert den Streitwert auf Fr. 26'160.-- (Fr. 109 x 12 x
20). Damit ist in der vorliegenden mietrechtlichen Streitigkeit der für
Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr. 15'000.-- gegeben
(Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Auf die form- und fristgerecht eingereichte
Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
2.1 Gemäss Art. 257a Abs. 2 OR hat der Mieter die Nebenkosten nur zu bezahlen,
wenn er dies mit dem Vermieter besonders vereinbart hat. Diese Bestimmung
bringt zum Ausdruck, dass die Kosten grundsätzlich vom Vermieter zu tragen
sind. Der Mieter hat nur für diejenigen Nebenkosten aufzukommen, die im
Vertrag eindeutig und genau bezeichnet werden (BGE 121 III 460 E. 2a/aa S.
462; Urteil 4C.24/2002 vom 29. April 2002 E. 2.1, publ. in mp 2002 S. 164, je
mit Hinweisen). Der Hinweis auf einen standardisierten Vertragszusatz wie die
"Allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für Wohnräume" genügt nicht. Dem
Mieter kann nicht zugemutet werden, sich erst aufgrund einer sorgfältigen
Konsultation der Vertragsbedingungen ein Bild zu machen, welche Nebenkosten
von ihm zu tragen sind. Vielmehr hat er Anspruch darauf, dass ihm nur
diejenigen Nebenkosten überbunden werden, die im Vertrag eindeutig und genau
bezeichnet werden. Nur wenn die allgemeinen Vertragsbedingungen eine
Konkretisierung der im Mietvertrag bereits zu Lasten des Mieters
ausgeschiedenen Nebenkosten bedeuten, kann daraus unter Umständen auf deren
Übernahme durch den Mieter geschlossen werden (Urteil 4C.250/2006 vom 3.
Oktober 2006, E. 1.1, publ. in mp 2006 S. 274; Urteil 4P.323/2006 vom 21.
März 2007 E. 2.1).
2.2 Die Vorinstanz gab die zu Art. 257a Abs. 2 OR ergangene Rechtsprechung
wieder und prüfte den Mietvertrag der Parteien in diesem Lichte. Sie erwog,
auf der ersten Seite des Mietvertrages, wo unter Ziffer 2 der Betrag der
monatlichen Akontozahlung für die Betriebskosten festgelegt würde, finde sich
kein Verweis auf die AVB. Ein solcher Verweis stehe erst auf der nächsten
Seite, ohne dass dabei speziell auf die Betriebskosten Bezug genommen würde.
Bei den AVB handle es sich um ein zehnseitiges Werk mit Inhaltsverzeichnis,
welches sich ab Seite 7 auf eineinhalb Seiten mit den Nebenkosten
auseinandersetze, wo sich die Bestimmungen zu den Betriebskosten unter lit. d
fänden. Die Aufzählung der Positionen sei grundsätzlich abschliessend, zeige
jedoch dem Mieter nicht auf, welche davon tatsächlich auf ihn zuträfen und
welche nicht. Vor Antritt des Mietobjekts sei einem Mieter kaum möglich, sich
ohne Rückfragen beim Vermieter ein Bild davon zu machen, welche der
Betriebskostenpositionen bei ihm kostenwirksam würden. Unter diesen Umständen
könne nicht angenommen werden, der Beschwerdegegner habe im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses genau gewusst, welche Betriebskosten er zu übernehmen habe.
Einen entsprechenden Beweis habe der Beschwerdeführer nicht erbracht, und ein
solcher liege auch nicht in der vorbehaltlosen Bezahlung der Abrechnungen der
ersten drei Jahre. Der Beschwerdegegner verhalte sich auch nicht
rechtsmissbräuchlich, wenn er erst danach die betreffende Zahlungspflicht
bestreite.

2.3 Der Beschwerdeführer hält dafür, entgegen der Meinung der Vorinstanz sei
die von den Parteien getroffene Nebenkostenabrede klar, übersichtlich und
eindeutig. Auch die allgemeinen Vertragsbedingungen seien übersichtlich
dargestellt und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen, in welchem sich jeder
Leser sofort zurecht finde und welches auf das Thema "Nebenkosten" in Ziffer
16 auf den Seiten 7-9 hinweise. Ziffer 16 sei unter den Buchstaben a bis d in
die Untertitel Akontozahlung, Abrechnung; Pauschalen; Heizungs- und
Warmwasserkosten sowie in "übrige Betriebskosten" gegliedert, womit die
Einzelheiten der Nebenkosten klar und deutlich formuliert seien.

2.4 Mit diesen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht gegen die
Rechtsauffassung der Vorinstanz aufzukommen. Zunächst ist festzuhalten, dass
der Empfänger des vorformulierten Vertrages, selbst wenn er entsprechend dem
Hinweis auf dessen Seite 2 die Allgemeinen Bedingungen zum Mietvertrag für
Wohnräume konsultiert, nicht auf den Ausdruck "Betriebskosten" stösst. Um zu
begreifen, was unter "Betriebskosten akonto" zu verstehen ist, hilft ihm das
Inhaltsverzeichnis also nicht weiter. Dass er die Betriebskosten unter der
Rubrik "Nebenkosten" (Ziffer 16 AVB) zu suchen hat, scheint nicht ohne
Weiteres auf. Hinzu kommt, dass die genannte Ziffer 16 auf Seite 7 unten
beginnt und zunächst definiert, was "Nebenkosten" sind, nämlich "das Entgelt
für die Aufwendungen der Vermieterin oder eines Dritten für Leistungen, die
mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen und nicht im Nettomietzins
enthalten sind." Auf der nächsten Seite wird erläutert, dass Nebenkosten als
Pauschal- oder Akontozahlungen vereinbart werden können und durch den Mieter
direkt zu bezahlen sind, wenn sie ihm von einem Werk oder Amt (inkl.
Kabelnetz) in Rechnung gestellt und im Vertrag nicht aufgeführt werden. Es
folgt ein längerer Passus über Akontozahlungen und deren Abrechnung, die hier
nicht interessiert, sowie über Pauschalen. Erst nach einer Definition der
Heizungs- und Warmwasserkosten folgt auf Seite 8 unten die einschlägige
Regelung über die Betriebskosten mit der erwähnten Aufzählung auf Seite 9.
Damit ist belegt, dass es bereits einiger Ermittlungsschritte bedarf, damit
der Mieter überhaupt erst zur Aufzählung der Betriebskosten in den AVB
vorstösst. Dabei wird vorausgesetzt, dass er auf den Gedanken gekommen ist,
dass er die AVB konsultieren muss, um zu erfahren, was es mit dem
Betriebskosten-Akonto auf sich hat. Alsdann muss er diese vollständig bis auf
Seite 8 durchlesen, um erstmals auf Seite 8 zuunterst dem Begriff
"Betriebskosten" zu begegnen. Eine derartige sorgfältige Konsultation der
Vertragsbedingungen ist aber dem Mieter nach der vorstehend angeführten
Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht zuzumuten.

2.5 Nichts anderes gilt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit
Blick auf die Regelung in Art. 16 lit. d AVB, dass im Mietvertrag vereinbarte
Betriebskosten-Akontozahlungen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes
vereinbart worden sei, die nachstehenden Positionen seien, soweit sie für die
entsprechende Liegenschaft anfallen würden. Mit dieser doppelt bedingten
Regelung werden individuelle und allgemein für sämtliche Mieter gültige
Abreden auf kaum mehr durchschaubare Weise vermengt. Der entscheidende Punkt,
welche der nachstehenden Positionen für den Vertragspartner anfallen, bleibt
unklar. Mit dem Verweis auf die entsprechende Liegenschaft erfolgt
gewissermassen eine Rückverweisung auf die individuelle Abrede, die aber
ihrerseits fehlt. So war gemäss der zutreffenden Bemerkung der Vorinstanz
mangels einer vertraglichen Präzisierung für den Beschwerdegegner namentlich
nicht erkennbar, ob für die Liegenschaft, in der sich die gemietete Wohnung
befindet, Kosten für Bewachung und Brandschutz entstehen. Unter diesen
Umständen stellt die Einschränkung, "soweit sie [die Positionen] für die
entsprechende Liegenschaft anfallen" keine Konkretisierung der Betriebskosten
in den AVB dar, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in gewissen
Fällen zulässig sein kann. Der Einwand, dass für den Mieter kein Nachteil
entsteht, wenn er nicht sämtliche aufgelisteten Betriebskostenpositionen zu
übernehmen hat, verfängt nicht, weil ihm nicht vermittelt wird, welche Kosten
ihm tatsächlich überbürdet werden. Dem Beschwerdeführer vermag auch sein
Argument, gewisse Kosten könnten ja in Zukunft anfallen, nicht zu helfen, da
damit im Abschlusszeitpunkt keine klare Vereinbarung gegeben ist.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdegegner in diesem Zeitpunkt
nicht ohne besondere Anstrengungen erkennen konnte, welche der an sich von
der Vermieterschaft zu tragenden Nebenkosten er zu übernehmen hat. Demnach
ist eine Verletzung von Art. 257a Abs. 2 OR offensichtlich zu verneinen.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und
ist abzuweisen. Damit wird der Beschwerdeführer als unterliegende Partei
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG). Das
vom Beschwerdegegner gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege behält
unter diesen Umständen nur Bedeutung für den Fall, dass sich die
Parteientschädigung als uneinbringlich erweisen sollte. Da die Bedürftigkeit
des Beschwerdegegners ausgewiesen ist und er im Prozess obsiegt, wird ihm die
unentgeltliche Rechtspflege in dem Sinne gewährt, dass ihm die vom
Beschwerdeführer geschuldete Parteientschädigung bei Uneinbringlichkeit von
der Gerichtskasse zu ersetzen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. Bei Uneinbringlichkeit wird ihm
dieser Betrag von der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Dezember 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Gelzer