Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.387/2007
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4A_387/2007 /len

Urteil vom 16. November 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Gelzer.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bohren,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Dörfliger.

Arbeitsvertrag; Kündigung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 16. August 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (Arbeitgeberin) erstellt Holzkonstruktionen und erbringt
Zimmer- und Schreinerarbeiten. Mit Arbeitsvertrag vom 27. September 1999
stellte sie A.________ (Arbeitnehmer) per 1. Juli 1999 als Betriebsleiter
ein. Die Arbeitgeberin kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.
Mai 2005 wegen der vorgesehenen Betriebsschliessung auf den 30. November
2005.

B.
Mit Klage vom 8. August 2006 verlangte der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht
Zürich von der Arbeitgeberin die Zahlung von Lohn und Auslagenersatz von
insgesamt Fr. 18'098.75 nebst Zins zu 5 % seit 1. Dezember 2005 und die
Ausstellung eines Arbeitszeugnisses gemäss eingereichtem
Formulierungsvorschlag.
Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und erhob Widerklage auf Zahlung
von Fr. 30'000.-- im Sinne einer Teilklage. Zur Begründung brachte die
Beklagte vor, der Kläger habe es unterlassen, für die aus einer
Bestellungsänderung entstehenden Mehrkosten betreffend die Baustelle
"B.________" dem Bauherrn schriftliche Offerten zu unterbreiten. Dadurch sei
der Beklagten ein Schaden von Fr. 108'048.15 erwachsen, weil nach dem
massgebenden Werkvertrag ohne vorgängige schriftliche Vereinbarung für
zusätzliche Leistungen und Regiearbeiten keine Vergütung geschuldet war. Der
Kläger hafte gemäss Art. 321e OR für den verursachten Schaden.
Mit Beschluss und Urteil vom 16. Januar 2007 nahm das Arbeitsgericht davon
Vormerk, dass der Kläger seine Klage um Fr. 2'260.80 reduziert hatte und
hiess diese im Umfang von Fr. 13'481.40 netto nebst Zins gut. Zudem
verpflichtete es die Beklagte zur Ausstellung eines vorgegebenen
Arbeitszeugnisses und wies die Widerklage ab.
Zur Begründung der Abweisung der Widerklage führte das Arbeitsgericht aus,
die Beklagte habe ihren Anspruch auf Schadenersatz verwirkt, weil ihr ein
allfälliger Fehler des Klägers schon während der Arbeit auf der Baustelle
bekannt war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (4C.146/2003 E. 6.2)
hätte für eine daraus abgeleitete Forderung unter Verwirkungsfolge bei
Unterlassung spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.
November 2005, allerspätestens bei der letzten Lohnauszahlung am 29. Dezember
2005 ein Vorbehalt angebracht werden müssen.
Auf Berufung der Beklagten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich
mit Beschluss vom 16. August 2007 das Urteil des Arbeitsgerichts, soweit es
angefochten wurde.

C.
Die Beklagte erhebt Beschwerde in Zivilsachen mit den Begehren, es sei der
Beschluss des Obergerichts vom 16. August 2007 teilweise aufzuheben, die
Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen. Eventuell sei die
Angelegenheit an die Vorinstanz, subeventuell an das Arbeitsgericht Zürich
zurückzuweisen.
Der Kläger schliesst auf Abweisung des eingereichten Rechtsmittels. Das
Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Vorinstanz kam gestützt auf ihre Beweiswürdigung zur Überzeugung, die
letzte Lohnzahlung vom 29. Dezember 2005 habe die Beschwerdeführerin in
grundsätzlicher Kenntnis einer allfälligen Schadenersatzforderung erbracht.

1.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei mit Bezug auf die
Feststellung, der Schaden sei der Beschwerdeführerin spätestens am 29.
Dezember 2005 bekannt gewesen, von einem falschen Regelbeweismass
ausgegangen. Dass die Vorinstanz erklärte, sie sei davon überzeugt, möge
subjektiv zugetroffen haben. Unter einem objektiven Blickwinkel habe jedoch
nicht zweifelsfrei festgestanden, dass der Betriebsinhaber der
Beschwerdeführerin vor dem 29. Dezember 2005 wusste, dass der
Beschwerdegegner beim Projekt "B.________" Mehrleistungen nicht offeriert
hat. Diese Annahme sei zudem willkürlich.

1.3 Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen. Soweit die vor Bundesgericht erhobenen Rügen mit einem
ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel geltend gemacht werden können,
erfordert Art. 75 Abs. 1 BGG die Erschöpfung dieses kantonalen
Rechtsmittelzuges und ist die Beschwerde diesbezüglich gegen den Entscheid
des oberen kantonalen Gerichts unzulässig (vgl. BGE 133 III 585 E. 3.1).
1.4 Nach § 281 ZPO/ZH kann gegen Vor-, Teil-, und Endentscheide sowie gegen
Rekursentscheide und Rückweisungen im Berufungsverfahren
Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden, wenn geltend gemacht wird, der
angefochtene Entscheid beruhe zum Nachteil des Nichtigkeitsklägers auf einer
Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes (Ziff. 1), auf einer
aktenwidrigen oder willkürlichen tatsächlichen Annahme (Ziff. 2) oder auf
einer Verletzung klaren materiellen Rechts (Ziff. 3). Ausgeschlossen ist die
Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, wenn das Bundesgericht einen Mangel frei
überprüfen kann (§ 285 Abs. 2 ZPO/ZH; BGE 133 III 585 E. 3.2).
1.5 Die Beschwerdeführerin hätte demnach ihre Rüge willkürlicher
Tatsachenfeststellung durch das Obergericht mit kantonaler
Nichtigkeitsbeschwerde vorbringen können. Da die Beschwerdeführerin dies
nicht tat, steht bezüglich dieser Rüge mangels Ausschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges die Beschwerde in Zivilsachen nicht offen. Insoweit ist darauf
nicht einzutreten.

2.
2.1 Die Frage des Beweismasses ist in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich
eine solche des Bundesrechts (Urteil 4C.225/2002 vom 7. Februar 2003 E.
2.1.2, publiziert in: Pra 2003 Nr. 146 S. 786; vgl. auch BGE 128 III 271 E.
2b/aa, S. 275). Da die Anwendung von Bundesrecht im Rahmen einer Beschwerde
in Zivilsachen frei geprüft wird, ist insoweit die Zürcher
Nichtigkeitsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. E. 1.4. hiervor). Demnach ist
hinsichtlich der Rüge betreffend das Beweismass die Voraussetzung der
Letztinstanzlichkeit nach Art. 75 Abs. 1 BGG erfüllt.

2.2 Nach dem Regelbeweismass gilt ein Beweis als erbracht, wenn das Gericht
nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung
überzeugt ist. Absolute Gewissheit kann dabei nicht verlangt werden. Es
genügt, wenn das Gericht am Vorliegen der behaupteten Tatsache keine
ernsthaften Zweifel mehr hat oder allenfalls verbleibende Zweifel als leicht
erscheinen. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn bloss eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die behauptete Tatsache verwirklicht
hat (BGE 128 III 271 E. 2b/aa, S. 275; 130 III 321 E. 3.2 S. 324; 132 III 715
E. 3.1). Frage der kantonalrechtlich geregelten Beweiswürdigung ist dagegen
die Beweiskraft eines (tauglichen) Beweismittels. Die bundesrechtliche Frage
des Beweismasses ist aber nicht betroffen, wenn das Gericht seine Überzeugung
bloss auf Indizien gründet (BGE 114 II 289 E. 2a S. 291; Urteil 4C.225/2002
vom 7. Februar 2003 E. 2.1.3, mit Hinweisen).

2.3 Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin ist nicht erkennbar, dass die
Vorinstanz vom Regelbeweismass abgewichen ist. Die Vorinstanz ist vielmehr
aufgrund von Indizien zur vollen Überzeugung gelangt, der Beweis sei
erbracht. Die betreffende Rüge läuft somit auf eine unzulässige Kritik an der
Beweiswürdigung der Vorinstanz hinaus.

3.
Nach dem Gesagten ist die zivilrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig. Da der Streitwert in
der vorliegenden arbeitsrechtlichen Streitigkeit Fr. 30'000.-- nicht
übersteigt (Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG), ist eine reduzierte Gerichtsgebühr
nach Art. 65 Abs. 4 BGG anzusetzen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. November 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Gelzer