Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.353/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_353/2007 /len

Urteil vom 14. März 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Mazan.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Hofer,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Tinner.

Gegenstand
Mietvertrag; Kündigung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 17. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Mietvertrag vom 30. August 2001 mietete die X.________ AG
(Beschwerdeführerin) von A.________ (Beschwerdegegnerin) eine Fabrikhalle mit
Büros und Parkplätzen in Winterthur-Wülflingen. Der Vertrag wurde für eine
Dauer von zehn Jahren abgeschlossen, mit einer Option zugunsten der
Beschwerdeführerin für weitere fünf Jahre.
Im Laufe des Jahres 2003 entspann sich unter den Parteien eine Diskussion über
die Zufahrt von Lastwagen zu der gemieteten Halle. Am 12./13. November 2003
schlossen die Parteien darüber eine Vereinbarung ab. Gegen Ende 2004 errichtete
die Beschwerdegegnerin auf dem Grundstück ein neues Gebäude. In der Folge
beanstandete die Beschwerdeführerin insbesondere, dass dieses Gebäude ihre
Zufahrt erschwere. Die Beschwerdegegnerin wies die Vorwürfe schriftlich zurück.
Die Beschwerdeführerin beharrte auf ihrem Standpunkt und erklärte nach Ansetzen
einer Nachfrist am 5. August 2005 gestützt auf Art. 266g OR die Kündigung des
Vertrages aus wichtigen Gründen per 6. Februar 2006. Ab September 2005 stellte
sie die Mietzinszahlungen ein. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 setzte die
Beschwerdegegnerin eine Frist nach Art. 257d OR zur Bezahlung der rückständigen
Mietzinse für die Monate September und Oktober 2005. Mit Schreiben vom 19.
Oktober 2005 machte die Beschwerdeführerin geltend, es stünden ihr
Schadenersatzansprüche zu, welche sie mit den bis zum Ende der Kündigungsfrist
aufgelaufenen Mietzinsen verrechne. Am 15. November 2005 erklärte die
Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 257d OR die Kündigung des Vertrages wegen
Zahlungsverzugs per 31. Dezember 2005. Die Beschwerdeführerin räumte das Objekt
am 6. Februar 2006.

B.
Am 13. Dezember 2005 gelangte die Beschwerdeführerin an die Schlichtungsbehörde
Winterthur und beantragte, die Kündigung der Beschwerdegegnerin sei für
unwirksam zu erklären, es sei die Wirksamkeit der Kündigung der
Beschwerdeführerin festzustellen und es sei der Beschwerdeführerin
Schadenersatz in der Höhe von Fr. 177'835.-- zuzusprechen. Die
Beschwerdegegnerin verlangte die Abweisung dieser Begehren und beantragte
widerklageweise im Wesentlichen, die Beschwerdeführerin sei zur Bezahlung von
Fr. 16'438.-- zuzüglich Zins sowie zur Herausgabe von zwei Schlüsseln zu
verpflichten. Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, setzte die
Schlichtungsbehörde den Parteien mit Beschluss vom 20. März 2006 eine Frist von
30 Tagen, um ihre Klagen beim Mietgericht Winterthur einzureichen.
In der Folge erhob die Beschwerdegegnerin am 27. April 2006 Klage beim
Mietgericht Winterthur und stellte im Wesentlichen die Anträge, die
Beschwerdeführerin sei zur Zahlung von Fr. 16'438.-- zuzüglich Zins und zur
Herausgabe von zwei Schlüsseln zu verpflichten. Die Beschwerdeführerin
beantragte dem Mietgericht Winterthur die Abweisung der Klage und verlangte
widerklageweise, die Beschwerdegegnerin sei zur Zahlung von Fr. 100'000.--
zuzüglich Zins zu verpflichten. Mit Urteil vom 9. März 2007 verpflichtete das
Mietgericht Winterthur die Beschwerdeführerin in teilweiser Gutheissung der
Klage zur Bezahlung von Fr. 13'198.-- zuzüglich Zins (Ziff. 1), äusserte sich
zu den Begehren über die Schlüssel (Ziff. 2) und Löschung des im Grundbuch
eingetragenen Mietvertrages (Ziff. 3) und wies die Widerklage ab (Ziff. 4).
Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin Berufung ans Obergericht des
Kantons Zürich und beantragte, das Urteil des Mietgerichts sei teilweise
aufzuheben und ihre Widerklage sei vollumfänglich gutzuheissen. Mit Beschluss
vom 17. Juli 2007 verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich die
Beschwerdeführerin gleich wie das Mietgericht Winterthur zur Zahlung von Fr.
13'198.-- zuzüglich Zins (Ziff. 2) und wies die Widerklage ab (Ziff. 3).

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. September 2007 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, Ziff. 3 des Beschlusses des Obergerichts
des Kantons Zürich vom 17. Juli 2007 sei aufzuheben; die Widerklage sei
gutzuheissen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, der Beschwerdeführerin
einen Betrag von Fr. 100'000.-- zuzüglich Zins zu bezahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Obergericht hielt im angefochtenen Urteil fest, dass das Mietgericht
zutreffend davon ausgegangen sei, die Kündigung der Beschwerdegegnerin wegen
Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) per 31. Dezember 2005 sei rechtens gewesen. Die
Beschwerdeführerin habe von der Möglichkeit einer fristlosen Auflösung des
Mietvertrages wegen Mängeln (Art. 259b OR) keinen Gebrauch gemacht, sondern
eine Kündigung aus wichtigem Grund (Art. 266g OR) per 6. Februar 2006
ausgesprochen. Bis zum Zeitpunkt, auf den sie die Kündigung ausgesprochen habe
(d.h. bis am 6. Februar 2006), habe sie das Objekt weiterhin genutzt und sei
zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet gewesen. Da die Beschwerdeführerin ab
September 2005 den Mietzins jedoch nicht mehr bezahlt habe, sei die von der
Beschwerdegegnerin ausgesprochene Kündigung wegen Zahlungsverzugs (Art. 257d
OR) per 31. Dezember 2006 wirksam geworden. Daran ändere auch die von der
Beschwerdeführerin erklärte Verrechnung nichts. Ein allfälliger
Schadenersatzanspruch für nicht mehr mögliche Amortisation von Ausbauten sei
erst beim Verlassen des Mietobjektes am 6. Februar 2006 fällig geworden,
weshalb die ausstehenden Mietzinse mangels Fälligkeit der Verrechnungsforderung
nicht getilgt worden seien; im Übrigen sei am neuen Standort in Wetzikon erst
ab Oktober Mietzins bezahlt worden, weshalb auch insofern der für den Monat
September 2005 ausstehende Mietzins nicht habe getilgt werden können. Wenn aber
die auf den 31. Dezember 2005 ausgesprochene Zahlungsverzugskündigung (Art.
257d OR) zu Recht erfolgt sei, bleibe von Vornherein kein Raum für
Schadenersatz als Folge der auf den 6. Februar 2006 ausgesprochenen Kündigung
aus wichtigem Grund (Art. 266g OR). Es könne offen bleiben, ob sich die
Beschwerdeführerin grundsätzlich im Rahmen von Art. 266g OR und im konkreten
Fall auf Schadenersatz hätte berufen können, wenn diese Kündigung wirksam
geworden wäre.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Mietverhältnis sei nicht zufolge
der Kündigung der Beschwerdegegnerin wegen Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) per
31. Dezember 2005, sondern aufgrund der von ihr ausgesprochenen Kündigung aus
wichtigem Grund (Art. 266g OR) per 6. Februar 2006 aufgelöst worden, weil der
ab September 2005 ausstehende Mietzins durch Verrechnung mit ihren
Schadenersatzansprüchen getilgt worden sei; sie könne daher ihre weitergehenden
- nicht durch Verrechnung untergegangenen - Schadenersatzansprüche gestützt auf
Art. 266g Abs. 2 OR geltend machen. Selbst wenn die Kündigung wegen
Zahlungsverzugs (Art. 257d OR) per 31. Dezember 2005 wirksam geworden sein
sollte, habe sie die Möglichkeit, gestützt auf Art. 266g Abs. 2 OR den
Kündigungsschaden (erhöhte Mietaufwendungen für das Ausweichobjekt und
entgangene Erträge aus der Untermiete sowie Ersatz der nicht amortisierten
Investitionen im ursprünglichen Mietobjekt) geltend zu machen.

2.2 Zunächst ist zu prüfen, durch welche Kündigung das Mietverhältnis beendet
wurde. Das Obergericht führte aus, das Mietverhältnis sei wegen Zahlungsverzugs
gestützt auf Art. 257d OR per 31. Dezember 2005 - und nicht aus wichtigen
Gründen gemäss Art. 266g OR auf einen späteren Zeitpunkt - aufgelöst worden. In
diesem Zusammenhang ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ab September
2005 mit der Mietzinszahlung säumig war. Umstritten ist jedoch, ob die
ausstehenden Mietzinse durch Verrechnung getilgt worden waren.

2.3 Nach Art. 120 Abs. 1 OR setzt Tilgung durch Verrechnung voraus, dass beide
einander gegenüberstehenden Forderungen fällig sind, und zwar im Zeitpunkt der
Verrechnungserklärung (Viktor Aepli, Zürcher Kommentar, Zürich 1991, N. 119 zu
Art. 120 OR). Soweit die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 19. Oktober
2005 ihre Mietaufwendungen für das Ausweichobjekt ab Oktober 2005 mit dem
ausstehenden Mietzins verrechnete, nahm das Obergericht daher
bundesrechtskonform an, dass die offenen Verpflichtungen ab September 2005 mit
der Verrechnung hinsichtlich des am neuen Standort ab Oktober 2005 bezahlten
Mietzinses nicht vollständig getilgt werden konnten. Desgleichen hielt das
Obergericht zutreffend fest, dass ein allfälliger Anspruch im Zusammenhang mit
nicht amortisierten Investitionen erst bei Beendigung des Mietverhältnisses
fällig geworden sei. Mangels Fälligkeit der Verrechungsforderung seien die ab
September 2005 ausstehenden Mietzinse nicht getilgt worden. Die gegenteilige
Auffassung der Beschwerdeführerin, der behauptete Ersatzanspruch für nicht
amortisierte Investitionen werde bereits mit der schädigenden Handlung fällig,
überzeugt nicht. Zu Recht weist die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeantwort
darauf hin, dass für den analogen Fall von Art. 260a Abs. 3 OR, welche
Bestimmung die Entschädigungspflicht des Vermieters für einen vom Mieter
geschaffenen erheblichen Mehrwert der Mietsache regelt, ebenfalls die
Beendigung des Mietverhältnisses der massgebende Zeitpunkt der Fälligkeit der
Ersatzforderung sei (Peter Higi, Zürcher Kommentar, Zürich 1994, N. 73 zu Art.
260a OR). Solange das Mietverhältnis andauert, profitiert der Mieter von den
getätigten Investitionen, so dass ein mit verunmöglichter Amortisation
begründeter Ersatzanspruch in diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden und somit
nicht fällig ist. Die Verrechnungserklärung der Beschwerdeführerin vom 19.
Oktober 2005 erwies sich somit auch insofern als unwirksam, als die angeblichen
Ersatzansprüche für nicht amortisierte Investitionen im Zeitpunkt der
Verrechnungserklärung noch nicht fällig waren und die ab September 2005
ausstehenden Mietzinse nicht getilgt werden konnten. Im Übrigen ist
unbestritten, dass die formellen Voraussetzungen für eine
Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR eingehalten waren. Das Obergericht
ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass das Mietverhältnis durch die
Zahlungsverzugskündigung per 31. Dezember 2005 aufgelöst worden sei.

2.4 Wenn das Mietverhältnis aber zufolge Zahlungsverzugs der Beschwerdeführerin
(Art. 257d OR) - und nicht wegen einer Kündigung aus wichtigem Grund (Art. 266g
Abs. 2 OR) - aufgelöst wurde, ist das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin
(Zahlungsverzug) kausal für die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses. Da
die Beschwerdeführerin die Ursache (Zahlungsverzug) für den Eintritt des
angeblichen Schadens (erhöhte Mietaufwendungen für das Ausweichobjekt und
Ersatz für die nicht mehr mögliche Amortisation von Ausbauten) selbst gesetzt
hat, erweist sich ihr Schadenersatzbegehren von Vornherein als unbegründet.
Nicht überzeugend ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die von ihr
ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund per 6. Februar 2006 sei unabhängig
von der zwischenzeitlich von der Gegenpartei erklärten Zahlungsverzugskündigung
per 31. Dezember 2005 berechtigt gewesen, so dass ihr Schadenersatzbegehren
ausgewiesen sei. Wie erwähnt ist die von der Beschwerdeführerin ausgesprochene
Kündigung aus wichtigem Grund per 6. Februar 2006 nicht ursächlich für die
vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses; kausal dafür war die
Zahlungsverzugskündigung der Beschwerdegegnerin per 31. Dezember 2005. Damit
fehlt es aber an einer Grundlage für die Zusprechung von Schadenersatz im
Zusammenhang mit der Kündigung aus wichtigem Grund (sog. "überholenden
Kausalität" vgl. Roland Brehm, Berner Kommentar, 3. Auflage, Bern 2006, N. 147
ff. zu Art. 41 OR). Weiter ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz für den Fall
des Vorliegens von Mängeln wirksame Mittel zugunsten des Mieters vorsähe (Art.
259a ff. OR). Wenn die Beschwerdeführerin von diesen Mitteln keinen Gebrauch
macht, sondern durch Nichtbezahlen des Mietzinses - trotz der Möglichkeit der
Mietzinshinterlegung (Art. 259g OR) - sich selbst ins Unrecht setzt und Anlass
für eine Zahlungsverzugskündigung gibt, hat sie die vorzeitige
Vertragsauflösung selbst zu verantworten und kann daraus keine Rechte ableiten.
Im Übrigen ist das von der Beschwerdeführerin angeführte Beispiel mit dem hier
zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar.

2.5 Nur der Vollständigkeit halber ist abschliessend darauf hinzuweisen, dass
die Ausführungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Auslegung von Art.
266g Abs. 2 OR an der Sache vorbeigehen. Wie erwähnt ist nicht die Kündigung
aus wichtigem Grund gemäss Art. 266g OR (per 6. Februar 2006), sondern die
Zahlungsverzugskündigung gemäss Art. 257d OR (per 31. Dezember 2005) wirksam
geworden. Ursache für die vorzeitige Auflösung des Mietvertrages ist der
Zahlungsverzug der Beschwerdeführerin. Unabhängig von der Auslegung von Art.
266g Abs. 2 OR scheitern allfällige Schadenersatzforderungen jedenfalls daran,
dass nicht eine Schädigung durch die Beschwerdegegnerin, sondern ein eigenes
Fehlverhalten der Beschwerdeführerin (Zahlungsverzug) kausal für eine
allfällige Schädigung war (vgl. E. 2.4).

3.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. März 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Mazan