Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.337/2007
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4A_337/2007

Urteil vom 16. November 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

X. ________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwälte Daniel Hochstrasser und/oder Dr. Markus Wang,

gegen

Y.________ LTD,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Forster.

Agenturvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom
3. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin) ist eine in A.________ domizilierte
Gesellschaft, welche die Entwicklung, den Vertrieb sowie die Herstellung und
den Unterhalt von Dieselmotoren und dieselbetriebenen Anlagen bezweckt. Die
Y.________ LTD (Beschwerdegegnerin) ist eine nach zypriotischem Recht
gegründete Gesellschaft mit Sitz in B.________, Zypern. Am 1. November 1995
schloss die Beschwerdeführerin unter ihrer damaligen Firma C.________ Ltd.
mit der Beschwerdegegnerin ein "Agency Agreement" ab, worin sich die
Beschwerdegegnerin verpflichtete, für die Beschwerdeführerin in Griechenland
und Zypern gegen entsprechende Kommissionen Schiffsmotoren und Ersatzteile
für den Schiffsbereich zu vermitteln. Dieses Agency Agreement wurde für das
Gebiet Zypern per 31. März 1998 und für das Gebiet Griechenland per 9. Juli
1999 aufgelöst. Im Zusammenhang mit dieser Auflösung ergaben sich zwischen
den Parteien Differenzen betreffend noch ausstehende Kommissionszahlungen.
Zur Beilegung dieser Differenzen schlossen die Parteien am 1. Juni 2001 eine
als "Agreement regarding the Settlement of Various Outstanding Matters
related to an Agency Agreement and the Termination thereof" bezeichnete
Vereinbarung. Mit diesem Settlement Agreement wurden sämtliche Ansprüche
zwischen den Parteien saldiert mit Ausnahme der sog. "BHP fees"
(Kommissionen, die sich nach "brake horse-power", d.h. nach Nutzleistung des
Motors bemessen) und der "third party commissions" für pendente Geschäfte,
die durch die D.________ S.A. als für den Raum Griechenland zuständige
Subagentin der Beschwerdegegnerin initiiert worden sind. Die "BHP fees" und
die "third party commissions" sind separat im "Appendix" zum Settlement
Agreement aufgelistet. Über die Berechtigung einzelner dieser Posten ist
zwischen den Parteien erneut ein Streit ausgebrochen.

B.
Am 10. Dezember 2004 reichte die Beschwerdegegnerin beim Handelsgericht des
Kantons Zürich Klage ein. Sie verlangte mit im Laufe des Verfahrens
reduziertem Rechtsbegehren, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, ihr
Fr. 208'670.-- nebst Zins zu 10 % seit 6. April 2004 sowie Fr. 8'670.-- nebst
Zins zu 10 % seit 27. Mai 2004 zu bezahlen. Im Weiteren sei die
Beschwerdeführerin zu verpflichten, ihr 10 % Zins auf dem Betrag von Fr.
11'800.-- vom 30. Juni 2004 bis 2. März 2006 und auf dem Betrag von Fr.
8'670.-- vom 6. April 2004 bis zum 2. März 2006 zu bezahlen. Die
Beschwerdeführerin sei ferner zu verpflichten, ihr USD 100'000.-- nebst Zins
zu 10 % seit 6. April 2004 zu bezahlen.
Zufolge Zahlung einzelner Posten konnte das Handelsgericht mit Beschluss vom
3. Juli 2007 die Klage im Umfang von Fr. 20'550.-- als durch
Gegenstandslosigkeit erledigt abschreiben. Im gleichen Beschluss wurde die
Klage hinsichtlich der ursprünglich noch geltend gemachten
Wechselkursverluste als durch Rückzug erledigt abgeschrieben.
Mit Urteil vom 3. Juli 2007 hiess das Handelsgericht die Klage im
Wesentlichen, d.h. mit Ausnahme der 5 % übersteigenden
Verzugszinsforderungen, gut und verpflichtete die Beschwerdeführerin, der
Beschwerdegegnerin folgende Beträge zu bezahlen:
Fr. 208'670.-- nebst 5 % Zins seit 6. April 2004,
Fr. 8'670.-- nebst 5 % Zins seit 27. Mai 2004,
USD 100'000.-- nebst 5 % Zins seit 6. April 2004,
5 % Zins auf dem Betrag von Fr. 11'880.-- vom 30. Juni 2004 bis 2. März 2006
und auf dem Betrag von Fr. 8'670.-- vom 6. April 2004 bis 2. März 2006.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil
des Handelsgerichts vom 3. Juli 2007 aufzuheben. Die Klage sei bezüglich des
eingeklagten Teilbetrags von Fr. 208'670.-- in der Höhe von Fr. 200'000.--
zuzüglich Zinsen und bezüglich des eingeklagten Teilbetrages von USD
100'000.-- zuzüglich Zinsen vollständig abzuweisen. Eventualiter sei die
Klage bezüglich des eingeklagten Teilbetrags von Fr. 208'670.-- in der Höhe
von Fr. 200'000.-- zuzüglich Zinsen und bezüglich des eingeklagten
Teilbetrages von USD 100'000.-- zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen
des Bundesgerichts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz
verzichtete auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit dem heutigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch der
Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung bzw. Nichtanwendung der
Bestimmungen des Auftragsrechts, konkret von Art. 402 OR. Sie steht auf dem
Standpunkt, dass es sich bei den noch strittigen Positionen gemäss Appendix
zum Settlement Agreement nicht um Kommissionen handelt, wie die Vorinstanz
annahm, sondern um die Erstattung von Auslagen. Da die Beschwerdegegnerin für
diese Auslagen keine Belege bzw. Rechnungen vorgelegt habe, seien sie nicht
geschuldet.

1.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass mit dem Settlement Agreement ein
Gesamtvergleich getroffen worden sei und die Parteien sich namentlich auch
über den Bestand der im Appendix aufgeführten Kommissionsforderungen geeinigt
hätten, wofür schon die dort angebrachte Einleitung "Below all Commissions
acknowledged by X.________ AG [...]" spreche. Die Parteien hätten die
Provisionsforderungen gemäss Appendix vergleichsweise definiert und deren
Bezahlung einzig von den dort bezeichneten Fälligkeiten abhängig gemacht. Die
Fälligkeit für die Positionen 8 und 9 von je USD 50'000.-- und der Positionen
6 und 7 von je Fr. 100'000.-- bestimme sich nach der Lieferung des
angegebenen Motors ("delivery of engine") und für die Positionen 4 und 5 von
je Fr. 8'670.-- nach dem Erhalt der Lizenzgebühren ("upon receipt of the
royalties by X.________ AG"). Diese Fälligkeiten seien eingetreten.

1.2 Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Wenn dieser unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des
mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des
Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und
Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und
mussten (BGE 132 III 24 E. 4 S. 27 f.; 131 III 606 E. 4.1. S. 611; 130 III 66
E. 3.2). Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von
Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen
Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der
Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 61
E. 2.2.1 S. 67 mit Hinweisen).

1.3 Indem die Vorinstanz vorliegend feststellte, im Appendix zum Settlement
Agreement seien anerkannte feste Kommissionsforderungen aufgelistet, deren
Bezahlung einzig von den dort angeführten Fälligkeiten abhänge, bestimmte sie
den Inhalt dieses Appendix in subjektiver Auslegung, das heisst nach dem
übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen. Dabei verwarf sie implizite den
von ihr durchaus beachteten anderslautenden Standpunkt der
Beschwerdeführerin, auch wenn sie die Behauptung, es sei nur der Ersatz von
Auslagen vereinbart worden, nicht auch noch ausdrücklich zurückwies.
Ob ein übereinstimmender wirklicher Parteiwille besteht, kann das
Bundesgericht, da die Beweiswürdigung betreffend, nur unter dem Blickwinkel
der Willkür prüfen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
Beschwerdeführerin erhebt jedoch keine Willkürrüge. Und dies zu Recht, da es
insoweit mit Blick auf die Möglichkeit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde
nach § 281 ZPO/ZH an der Letztinstanzlichkeit im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG
mangeln würde. Es muss daher bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass
im Appendix anerkannte Kommissionsansprüche aufgelistet sind, deren Bezahlung
einzig von den dort angeführten Fälligkeiten abhängt, und es ist auf die
Ausführungen der Beschwerdeführerin zu ihrem anderslautenden Standpunkt nicht
weiter einzugehen.

1.4 Damit entfällt auch eine Verletzung von Art. 402 OR über den
Auslagenersatzanspruch des Beauftragten. Da die Bezahlung anerkannter und
vergleichsweise definierter Kommissionsforderungen vereinbart wurde, hat die
Vorinstanz zu Recht erkannt, dass die Beschwerdeführerin deren Begleichung
nicht nachträglich von der Vorlage eines entsprechenden Rechnungsbelegs
abhängig machen durfte. Es geht eben nicht um den Ersatz von Auslagen, über
die der Beauftragte abzurechnen hat.

2.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine von der Beschwerdeführerin
ebenfalls geltend gemachte Verletzung von Art. 8 ZGB aus. Da die eingeklagten
Beträge anerkannte und im Appendix zum Settlement Agreement festgelegte
Kommissionsforderungen betrafen, brauchte die Vorinstanz nicht zu prüfen, ob
die Beträge "in richtiger Ausführung des Auftrags" generiert worden sind und
die Beschwerdegegnerin entsprechende Nachweise vorgelegt hat.

3.
Die Beschwerdeführerin bringt schliesslich vor, am angefochtenen Urteil sei
besonders stossend, dass es einer Gesellschaft wie ihr verunmöglicht werde,
die Natur der geleisteten Zahlungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass
von einem Agenten oder Beauftragten keine Schmiergelder bezahlt würden. Im
vorliegenden Fall, in dem es um die Erfüllung von vergleichsweise
festgelegten Kommissionsforderungen und nicht von Auslagenersatzforderungen
geht, vermag sie auch damit von vornherein keine Bundesrechtsverletzung
darzutun. Es ist zudem nicht ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin
(künftig) nicht durch entsprechende Vereinbarungen sicherstellen können soll,
dass sie die Endbegünstigten der von ihr geleisteten Zahlungen kennt, indem
sie das Ausrichten von Zahlungen an den Geschäftspartner zum Voraus von der
Vorlage eines unterzeichneten Originalrechnungsbelegs abhängig macht, wie sie
dies nach der im angefochtenen Urteil erwähnten internen Weisung vom 1.
Dezember 2004 nun offenbar auch vorsieht. Im vorliegenden Fall wurde dies im
Appendix zum Settlement Agreement vom 1. Juni 2001 aber nicht vereinbart.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die
Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. November 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Widmer