Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.334/2007
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4A_334/2007 /len

Urteil vom 12. Oktober 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.

A. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,

gegen

Kantonsgericht des Kantons Schwyz.

Unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde in Zivilsachen gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons
Schwyz vom 5. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Beschwerdeführer) mietete von B.________ (Vermieter) ab dem 1.
Januar 2004 ein Restaurant mit Wirtewohnung und Nebenräumen. Mit separater
Vereinbarung vom 19. April 2004 mietete der Beschwerdeführer zusätzlich
sämtliche sich im Hause befindlichen Hotelzimmer. Als Mietzins wurden
insgesamt Fr. 10'000.-- monatlich vereinbart. Am 13. August 2005 mahnte der
Vermieter den Beschwerdeführer für Ausstände in der Höhe von Fr. 14'102.--
unter Hinweis auf Art. 257d OR und Androhung der ausserordentlichen Kündigung
bei nicht fristgerechter Bezahlung binnen 30 Tagen. Am 16. September 2005
kündigte der Vermieter dem Beschwerdeführer mit amtlichem Formular auf den
31. Oktober 2005. Der Beschwerdeführer focht diese Kündigung erfolglos an
(vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_32/2007 vom 16. Mai 2007).

B.
Am 11. September 2006 reichte der Vermieter beim Einzelrichter des Bezirks
Schwyz Klage ein. Er verlangte vom Beschwerdeführer Fr. 51'795.-- nebst Zins
als Entschädigung dafür, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. November 2005
zu Unrecht im Mietobjekt verweile. Das Bezirksgericht sprach dem Vermieter
mit Urteil vom 12. März 2007 die Mietzinse von insgesamt Fr. 31'720.-- bis
Ende Juni 2006 zu, dem Zeitpunkt, als der Vermieter die Schlösser am
Mietobjekt auswechseln liess und dem Beschwerdeführer die Nutzung
verunmöglichte. Hinzu kamen Nebenkosten von Fr. 1'000.--, welche der
Beschwerdeführer anerkannt hatte, so dass die Klage im Umfang von
Fr. 32'720.-- nebst Zins gutgeheissen wurde.
Der Beschwerdeführer hatte eine Forderung von Fr. 90'000.-- als Schadenersatz
zur Verrechnung gestellt, da ihm ab dem 1. September 2005 der Zutritt zum
Hotel verwehrt worden sei. Das Bezirksgericht erachtete diese Forderung nicht
für ausgewiesen, da der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, dass ihm der
Zutritt damals tatsächlich verwehrt worden sei und die Verrechnungsforderung
in masslicher Hinsicht völlig unsubstantiiert geblieben sei. Insbesondere
wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, sich über den effektiv erzielten
Umsatz nicht zu äussern, geschweige denn einen solchen zu belegen. Da der
Beschwerdeführer teilweise durchdrang und das Bezirksgericht die
Bedürftigkeit des Beschwerdeführers als ausgewiesen erachtete, bewilligte es
ihm die unentgeltliche Rechtspflege.

C.
Gegen das Urteil des Bezirksgerichts gelangte der Beschwerdeführer an das
Kantonsgericht des Kantons Schwyz und ersuchte auch im Rechtsmittelverfahren
um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Mit Verfügung vom 5. Juli
2007 wies der Kantonsgerichtspräsident das Gesuch ab. Gegen diese Verfügung
führt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen. Er beantragt dem
Bundesgericht, die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Kantonsgericht
anzuweisen, die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Ferner stellt er
auch vor Bundesgericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Mit
Verfügung vom 10. September 2007 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde
superprovisorisch aufschiebende Wirkung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Da der angefochtene Entscheid nach dem 1. Januar 2007 erging, richtet sich
das Verfahren nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
(SR 173.110; Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Die Verfügung mit der das Gesuch um Bewilligung des Kostenerlasses abgewiesen
wurde, ist ein letztinstanzlicher kantonaler Zwischenentscheid, der den
Hauptprozess nicht abschliesst. Gegen diesen Zwischenentscheid ist nach Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG die Beschwerde zulässig, wenn er einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Zwischenentscheide, mit denen die
unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen solchen
Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131 mit Hinweis). Dies trifft
auch im vorliegenden Fall zu. Da der erforderliche Streitwert (Art. 74 Abs. 1
BGG) offensichtlich erreicht wird, erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen
an sich als zulässig.

2.1 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Eine qualifizierte
Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche
Rüge nur, soweit sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist
die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b aOG (vgl. dazu BGE
130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.) weiterzuführen (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397; 133
II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).

2.2 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in
erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon
besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Der
verfassungsrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nach Art. 29 Abs. 3 BV setzt neben der Bedürftigkeit der
gesuchstellenden Partei kumulativ voraus, dass ihre Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheinen. Aussichtslos in diesem Sinn sind nach konstanter
Rechtsprechung Begehren, für welche die Gewinnaussichten beträchtlich
geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft
bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Dass nach
kantonalem Recht für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege mildere
Bestimmungen gelten, macht der Beschwerdeführer nicht geltend, so dass der
angefochtene Entscheid im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV zu überprüfen ist.

2.3 Das Kantonsgericht hat die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
insbesondere deshalb verweigert, weil der Beschwerdeführer vor der ersten
Instanz bei der Berechnung des entgangenen Gewinns eine nicht weiter
begründete Zimmerauslastung von 70 % angenommen und auch zweitinstanzlich
weder eigene Buchhaltungs- noch Steuerunterlagen oder andere auf den
Hotelbetrieb bezogene Zahlen aus früheren Zeiträumen vorgelegt hat. Die vom
Beschwerdeführer beigebrachten statistischen Angaben betrachtete das
Kantonsgericht als ungenügend, weil sich ihnen nicht entnehmen lasse, weshalb
welche Hotelkategorie für den zu beurteilenden Betrieb repräsentativ wäre. Da
auch anhand der nachgereichten Unterlagen nicht bestimmt werden könne, wie
hoch der entgangene Gewinn gewesen sein könnte, scheine das Novenerfordernis
nach § 104 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vom 25. Oktober 1974 des Kantons
Schwyz (SRSZ 232.110) nicht erfüllt zu sein. Die Verletzung der richterlichen
Fragepflicht oder die Nichterhältlichkeit der eingereichten Unterlagen werde
nur behauptet und nicht glaubhaft gemacht, so dass die Noven auch unter
diesem Titel nicht zulässig wären.

2.4 Der Beschwerdeführer macht die "Verletzung verfassungsmässiger Rechte bei
Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts" geltend. In der Beschwerdeschrift
beschränkt er sich aber weitgehend darauf, darzulegen, die
Berufungsbegründung im kantonalen Verfahren sei darauf angelegt gewesen,
einzig mit statistischem Material die Forderung näher zu begründen. Dies sei
der einzig sinnvolle Weg; andere Daten hätten nicht zur Verfügung gestanden.
Nähere Angaben zur Angemessenheit der Statistik seien nicht notwendig
gewesen, da die Statistik für sich selbst spreche. Der Beschwerdeführer habe
zudem vor der Vorinstanz dargelegt, er könne mangels
Bewirtschaftungsmöglichkeit keine Buchhaltungs- und Steuerunterlagen
einreichen. Er habe dafür keine Erklärung geliefert, denn eine solche wäre
irrelevant gewesen. Ferner beruft sich der Beschwerdeführer auf eine
Verletzung der richterlichen Fragepflicht und ist der Auffassung, das
kantonale Prozessrecht verhindere über das Novenrecht die materielle
Rechtsanwendung.

2.5 Die bunt durcheinandergewürfelten Vorbringen des Beschwerdeführers
vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Soweit aus dem
angefochtenen Entscheid nicht hervorgeht, was der Beschwerdeführer vor der
Vorinstanz vorgebracht hat, genügt es nicht, in der Beschwerde entsprechende
Vorbringen zu behaupten. Der Beschwerdeführer müsste vielmehr mit
Aktenhinweisen aufzeigen, wo er die entsprechenden Behauptungen
prozesskonform vorgetragen hat (vgl. Botschaft zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4339). Ansonsten gelten seine Vorbringen als
neu und damit als unzulässig.

2.6 Der Schaden ist vom Geschädigten grundsätzlich ziffernmässig nachzuweisen
(Art. 42 Abs. 1 OR). Ist das nicht möglich, ist der Schaden vom Richter "mit
Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge" abzuschätzen (Art. 42 Abs. 2
OR). Der Gesetzgeber war sich der Schwierigkeiten beim Schadennachweis
durchaus bewusst, und das Heranziehen von statistischen Werten ist in
gewissen Situationen sinnvoll und notwendig. Das Abstellen auf statistische
Werte ist in der Regel aber nur gerechtfertigt, wenn dem Geschädigten der
konkrete Nachweis des Schadens nicht zuzumuten ist. Aus diesem Grund ist
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht irrelevant, weshalb er
keine konkreten Angaben zum wirtschaftlichen Erfolg des von ihm geführten
Betriebes machen kann oder weshalb die entsprechenden Angaben für die in
Frage stehende Periode allenfalls nicht repräsentativ sind, wie er vorbringt.
Ohne entsprechende Angaben besteht keine Gewähr dafür, dass sich der
Beschwerdeführer nicht auf die statistischen Werte beruft, um gestützt darauf
einen höheren Schaden als den tatsächlich entstandenen geltend machen zu
können. Selbst wenn das Heranziehen statistischer Werte zulässig erscheint,
wie beispielsweise grundsätzlich bei der Berechnung des Haushaltsschadens,
dürfen die statistischen Werte nicht ohne Berücksichtigung der tatsächlichen
Gegebenheiten verwendet werden. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die
statistischen Daten mit den konkreten Umständen tatsächlich übereinstimmen,
und es sind gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen (vgl. Urteil des
Bundesgerichts 4C.166/2006 vom 25. August 2006 E. 5.2. mit Hinweisen, publ.
in Pra 96/2007 Nr. 43 S. 267 ff., S. 269 f.). Der Beschwerdeführer zeigt
nicht auf, dass er der Vorinstanz die entsprechenden Informationen geliefert
und dargelegt hätte, inwiefern seine Situation tatsächlich mit der in der
Statistik wiedergespiegelten übereinstimmt. Unter diesen Umständen ist nicht
zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Rechtsmittel als aussichtslos
einstufte.

2.7 Damit kommt der Frage, ob die statistischen Werte novenrechtlich
überhaupt zulässig sind, für die unentgeltliche Prozessführung keine
massgebliche Bedeutung zu, da selbst bei deren Zulässigkeit das kantonale
Rechtsmittel nicht erfolgversprechend erscheint, solange der Beschwerdeführer
dem Gericht nicht darlegt, weshalb statt den konkreten Zahlen seines
Betriebes auf statistische Werte abgestellt werden muss und inwiefern die für
die Statistik verwendeten Werte auf seinen Betrieb zutreffen. Die
diesbezüglichen Ausführungen vor Bundesgericht sind neu und damit nicht zu
berücksichtigen, da der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Urteil
auf die Notwendigkeit, die konkrete Situation seines Betriebes darzulegen,
hingewiesen wurde (Art. 99 BGG). Abgesehen davon würden sie nicht genügen, um
zu beurteilen, ob auf die entsprechenden Werte abgestellt werden kann.

2.8 Ebenso unbehelflich ist der Verweis des Beschwerdeführers auf eine
Verletzung der richterlichen Fragepflicht oder der sozialen
Untersuchungsmaxime. Soweit darin überhaupt eine hinreichend begründete Rüge
zu erblicken ist, genügt es, daran zu erinnern, dass die Abweisung der
Verrechnungsforderung im erstinstanzlichen Verfahren damit begründet wurde,
diese sei masslich völlig unsubstantiiert, zumal sich der Beschwerdeführer
nicht zum effektiv erzielten Umsatz geäussert habe. Dem anwaltlich
vertretenen Beschwerdeführer musste spätestens in diesem Moment klar werden,
dass er zur Substantiierung seines Anspruches dem Gericht die konkreten
Ertragsmöglichkeiten seines Betriebes in der interessierenden Zeitspanne
darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen hatte. Wenn er sich statt dessen
ausschliesslich auf statistische Werte beruft, ohne darzutun, inwiefern diese
im konkreten Fall zutreffen, kommt er seiner Pflicht zur Substantiierung
offensichtlich nicht hinreichend nach und ist die Einschätzung der
Prozessaussichten durch die Vorinstanz nicht zu beanstanden.

3.
Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als offensichtlich unbegründet,
soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Mit dem Entscheid in der
Sache selbst wird die Behandlung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos. Die mangelhafte Begründung lässt die Beschwerde von Anfang an
als aussichtslos erscheinen, weshalb auch für das bundesgerichtliche
Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege nicht zu gewähren ist (Art. 64 Abs.
1 BGG). Entsprechend wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs.
1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung für das bundesgerichtliche
Verfahren wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht des Kantons
Schwyz schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: