Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.263/2007
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4A_263/2007 /len

Urteil vom 12. November 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

1. Stiftung A.________,
2.B.________,
3.C.________,
4.D.________,
Beschwerdeführer,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Lustenberger,

gegen

1.X.________ AG,
2.Y.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Markus Peyer.

UWG; vorsorgliche Massnahmen,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 29. März 2007.

Sachverhalt:

A.
B. ________ (Beschwerdeführer 2), C.________ (Beschwerdeführer 3) und
D.________ (Beschwerdeführerin 4) sind selbständige Therapeuten, welche ein
von der Stiftung A.________ (Beschwerdeführerin 1) betriebenes
Therapiezentrum als Gemeinschaftspraxis führen. Y.________ (Beschwerdegegner
2) verfasste Artikel für ein Magazin, eine Tageszeitung und deren Website,
alle herausgegeben von der X.________ AG (Beschwerdegegnerin 1), in denen
angebliche Missstände im Zusammenhang mit dem Therapiezentrum thematisiert
wurden. Mit Eingabe vom 25. Oktober 2006 stellten die Beschwerdeführer
gestützt auf Art. 14 UWG beim Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich das
vorsorgliche Massnahmebegehren, es sei den Beschwerdegegnern unter
Strafandrohung zu verbieten, diverse namentlich aufgeführte unlautere
Äusserungen im Zusammenhang mit dem Therapiezentrum zu wiederholen. Der
Einzelrichter wies das Gesuch mit Verfügung vom 2. November 2006 ab. Den von
den Beschwerdeführern erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons
Zürich mit Beschluss vom 29. März 2007 (versandt am 3. April 2007) ab. Auf
die gegen diesen Beschluss erhobene Nichtigkeitsbeschwerde trat das
Kassationsgericht des Kantons Zürich am 21. Mai 2007 nicht ein, da die
Nichtigkeitsbeschwerde gegen Rekursentscheide betreffend vorsorgliche
Massnahmen nicht zulässig sei.

B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. Juli 2007 beantragen die
Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Wesentlichen, den angefochtenen
Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die im kantonalen Verfahren
beantragten Massnahmen anzuordnen. Die Beschwerdegegner schliessen auf
kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung
der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs.
1 BGG). Die Beschwerdeführer verlangen mit ihrer Eingabe vom 6. Juli 2007
einzig die Aufhebung des Entscheides des Obergerichts vom 29. März 2007.
Dieser wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer gemäss Rückschein am 4.
April 2007 zugestellt. Insoweit ist die Rechtsmittelfrist offensichtlich
abgelaufen.

1.1 Nach Art. 100 Abs. 6 BGG beginnt allerdings die Beschwerdefrist, wenn der
Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts mit einem Rechtsmittel, das nicht
alle Rügen nach den Artikeln 95-98 zulässt, bei einer zusätzlichen kantonalen
Gerichtsinstanz angefochten worden ist, erst mit der Eröffnung des Entscheids
dieser Instanz. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann unter dieser
Voraussetzung auch das Urteil der oberen kantonalen Instanz angefochten
werden, soweit im Rahmen der Beschwerde in Zivilsachen zulässige Rügen dem
höchsten kantonalen Gericht nicht unterbreitet werden konnten (vgl. Peter
Reetz, Das neue Bundesgerichtsgesetz unter besonderer Berücksichtigung der
Beschwerde in Zivilsachen, Auswirkungen auf die Anfechtung von Entscheiden
des Zürcher Obergerichts und Handelsgerichts, in SJZ 103 [2007] S. 36 ff.).
1.2 Aus Art. 100 Abs. 6 BGG können die Beschwerdeführer indessen entgegen
ihrer Auffassung nichts zu ihren Gunsten ableiten. Diese Bestimmung kommt nur
zum Tragen, wenn in einem Kanton noch ein Rechtsmittel zulässig ist, mit dem
nicht alle vor Bundesgericht möglichen Rügen vorgebracht werden können (vgl.
Karlen, Das neue Bundesgerichtsgesetz, S. 41). Art. 100 Abs. 6 BGG setzt
mithin voraus, dass nach kantonalem Recht tatsächlich eine zusätzliche
kantonale Gerichtsinstanz vorgesehen ist, der entsprechende Rügen
unterbreitet werden können. Dieses Verständnis wird auch durch die
Formulierung in der französischen Version der Gesetzesbestimmung
unterstrichen, wonach Art. 100 Abs. 6 BGG nur Anwendung findet, wenn der
Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts mit Bezug auf entsprechende Rügen
bei einer anderen kantonalen Instanz angefochten werden kann (Si la décision
d'un tribunal cantonal supérieur peut être déférée à une autre autorité
judiciaire cantonale...). Diese Formulierung wird auch in der Lehre ohne
Einschränkung übernommen (vgl. Corboz, Introduction à la nouvelle loi sur le
Tribunal fédéral, in SJ 2006 II S. 319 ff., S. 333). Nur wenn die
Kassationsinstanz über ein ausserordentliches kantonales Rechtsmittel
urteilt, beginnt die Rechtsmittelfrist mit deren Urteil neu zu laufen (vgl.
Hans Peter Walter, Neue Zivilrechtspflege, in: Pierre Tschannen [Hrsg.], Neue
Bundesrechtspflege, Auswirkungen der Totalrevision auf den kantonalen und
eidgenössischen Rechtsschutz, S. 113 ff., 143).

1.3 Nach § 284 Ziffer 7 des Gesetzes über die Zivilprozessordnung vom 13.
Juni 1976 (Zivilprozessordnung; LS 271; ZPO/ZH) ist gegen Rekursentscheide
betreffend vorsorgliche Massnahmen keine Nichtigkeitsbeschwerde zulässig.
Unter Hinweis auf diese Bestimmung ist das Kassationsgericht auf die Eingabe
der Beschwerdeführer nicht eingetreten. Mithin hat es nicht über ein
ausserordentliches kantonales Rechtsmittel gegen den Beschluss des
Obergerichts entschieden (vgl. Walter, a.a.O., S. 143), sondern vielmehr
festgehalten, das von den Beschwerdeführern ergriffene Rechtsmittel sei nach
kantonalem Recht nicht gegeben. Bei dieser Sachlage hätte mit Beschwerde
gegen diesen Entscheid gerügt werden können, das Kassationsgericht verletze
verfassungsmässige Rechte, wenn es die Nichtigkeitsbeschwerde für unzulässig
erachte. Solches bringen die Beschwerdeführer mit gutem Grund nicht vor.
Vielmehr richtet sich die Beschwerdeschrift ausschliesslich gegen den
obergerichtlichen Entscheid. Damit bleibt es bei der vom Kassationsgericht
festgestellten Unzulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde.

1.4 Tritt die angerufene kantonale Instanz wie im vorliegenden Fall mangels
Zulässigkeit des Rechtsmittels darauf nicht ein, sind die Voraussetzungen für
eine Mitanfechtung des Entscheids der unteren Instanz nicht gegeben (vgl.
schon BGE 109 Ia 248 E. 1 S. 250; ebenso Urteil des Bundesgerichts
2P.101/1996 vom 8. Oktober 1996, E. 1b). Von dieser im Zusammenhang mit der
staatsrechtlichen Beschwerde entwickelten Praxis abzuweichen, besteht kein
Anlass. Art. 100 Abs. 6 BGG soll den Parteien ermöglichen, vor der
Einreichung einer Beschwerde vor Bundesgericht sämtliche kantonalen
Rechtsmittel auszuschöpfen, da sich bei ihrem Obsiegen ein Weiterzug ans
Bundesgericht erübrigen kann (Spühler/Dolge/Vock, Kurzkommentar zum
Bundesgerichtsgesetz [BGG], N. 9 zu Art. 100 BGG). Es ist aber offensichtlich
nicht Zweck der Norm, einen Beschwerdeführer in die Lage zu versetzen, durch
die Ergreifung eines nach kantonalem Recht nicht vorgesehenen Rechtsmittels
die Frist zur Einreichung der Beschwerde vor Bundesgericht hinauszuzögern.

1.5 Wie dargelegt steht fest und die Beschwerdeführer bestreiten auch nicht,
dass der Entscheid des Obergerichts nach kantonalem Recht nicht an eine
weitere kantonale Instanz mit beschränkter Kognition weitergezogen werden
kann (vgl. Karlen, a.a.O., S. 41; Corboz, a.a.O., S. 333), so dass Art. 100
Abs. 6 BGG nicht zur Anwendung gelangt. Daher hätten die Beschwerdeführer den
Entscheid des Obergerichts direkt mit Beschwerde in Zivilsachen anfechten
müssen.

1.6 Das Obergericht weist denn auch in der Rechtsmittelbelehrung auf die
Möglichkeit, Beschwerde in Zivilsachen zu erheben, hin. Demgegenüber enthält
die Rechtsmittelbelehrung des Kassationsgerichts den unzutreffenden Hinweis,
die Frist für die Anfechtung des Entscheides des Obergerichts beginne neu ab
Empfang des Entscheides des Kassationsgerichts zu laufen. Daraus könnten die
Beschwerdeführer indessen nichts ableiten, da ihnen der Entscheid des
Obergerichts bereits am 4. April 2007 zugestellt wurde, so dass die Frist zur
Einreichung der Beschwerde auch unter Berücksichtigung der Gerichtsferien im
Zeitpunkt, als der Entscheid des Kassationsgerichts gefällt wurde, bereits
abgelaufen war. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung war mithin für das
Fristversäumnis nicht kausal, weshalb den Beschwerdeführern durch die
unrichtige Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen ist (Art. 49 BGG).

1.7 Mit Blick auf die klare Regelung in § 284 Ziffer 7 ZPO/ZH konnten für die
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer keine berechtigten Zweifel an der
Unzulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde bestehen. Ebenso setzt bereits der
Wortlaut von Art. 100 Abs. 6 BGG für eine Mitanfechtung des Entscheides des
oberen kantonalen Gerichts voraus, dass tatsächlich eine weitere kantonale
Gerichtsinstanz besteht (vgl. E. 1.2 hiervor). Dies entspricht der
publizierten, unter Geltung des OG zur staatsrechtlichen Beschwerde
ergangenen Rechtsprechung (vgl. BGE 109 Ia 248 E. 1 S. 250). In der Literatur
wird darauf hingewiesen, Art. 100 Abs. 6 BGG greife nur, wenn in einem Kanton
noch ein Rechtsmittel zulässig ist, mit dem nicht alle vor Bundesgericht
möglichen Rügen vorgebracht werden können (vgl. Karlen, a.a.O., S. 41), und
festgehalten, gegen Entscheide des Obergerichts müsse direkt vorgegangen
werden, wenn das Kassationsgericht nicht zum Entscheid berufen sei (Peter
Reetz, a.a.O., S. 38). Daher hätten die Beschwerdeführer erkennen können und
müssen, dass gegen den Entscheid des Obergerichts als weiteres Rechtsmittel
einzig die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung steht, so dass Art. 100
Abs. 6 BGG nicht greift.

2.
Nach dem Gesagten begann die Rechtsmittelfrist für die Beschwerde in
Zivilsachen bereits mit der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des
Entscheides des Obergerichts. Die dagegen gerichtete Beschwerde in
Zivilsachen erweist sich als verspätet, so dass nicht darauf einzutreten ist.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer unter
solidarischer Haftbarkeit kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird unter solidarischer Haftbarkeit den
Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben unter solidarischer Haftbarkeit die
Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr.
3'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak